Eben kämpfte die UBS noch mit den Folgen des Kundendaten-Streits mit den USA. Jetzt droht ihr aus Deutschland eine weitere Katastrophe: Nicht nur, dass die deutsche Regierung eine CD zugespielt bekommen hat, auf der angeblich auch Daten von steuersündigen UBS-Kunden zu finden sind. Jetzt tritt auch noch ein deutscher UBS-Kunde an die Öffentlichkeit. Gegenüber der «Handelszeitung» legt er offen, wie die Grossbank ein komplexes Konstrukt aus Trusts, Panama-Gesellschaften und einem Wohnsitz auf dem Zürichberg aufgezogen hatte - und er damit gemäss den deutschen Steuerbehörden Steuerpflichten umging. Im Schlepptau hat der UBS-Kunde seinen langjährigen Berater, der als Zeuge vernommen wird, sollte es zum Prozess kommen. «Ich bin von der UBS zutiefst enttäuscht», sagt der Kunde.

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Die UBS sagt zu den Vorwürfen: «Der Fall liegt bei UBS in Deutschland seit 2008 zur Bearbeitung. Darüber hinaus äussert sich UBS nicht zur rechtlichen Auseinandersetzung», erklärt UBS-Sprecherin Tatiana Togni.

Geschäftsstart in Caracas

Die Geschichte von Klaus Mayer (Name der Redaktion bekannt) beginnt Ende der 50er-Jahre in Caracas, Venezuela. Hier startete der gebürtige Kölner, Jahrgang 1935, nach seiner Ausbildung zum Aussenhandelskaufmann ein Geschäft im Papiergrosshandel. Dem Deutschen lag das Unternehmertum im Blut: Schon bald vertrieb er als lokaler Agent die Papierprodukte von weltweit führenden Herstellern wie Stora Enso, UPM Kymmene und Ekman - meistens exklusiv. So verdiente der Deutsche in den darauffolgenden Jahrzehnten ein Vermögen. Sich, seiner Frau und den drei Kindern liess er es gut gehen: In den 1980er-Jahren kaufte er ein Haus am Tegernsee in Bayern - dieses war nicht nur als Ferienimmobilie gedacht, sondern eignete sich auch als möglicher Alterswohnsitz.

Wenn es um Mayers Finanzen ging, war Patrik Henning (Name der Redaktion bekannt) der Mann für alle Fälle. Der smarte Banker, dem ehemalige Kollegen grosses Talent bescheinigen, beriet Mayer seit den 90er-Jahren in Anlage- und Vermögensfragen; zu Beginn bei einer Deutsch-Südamerikanischen Bank, später für die Dresdner Bank Lateinamerika, kurz DBLA, und dann für die UBS. 2002 riet er Mayer, Teile seines Vermögens zwecks Risikostreuung zur UBS Hamburg zu transferieren.

Hier fertigten die Banker ein Anlageprofil für Mayer an. Dabei wählte der Senior, der sich selbst als halbwegs anlageerfahren einstuft, eine Aktienquote von 30% sowie eine «sehr hohe Risikobereitschaft» bei Produktrisiken und Anlagezielen. «Im Handel von Optionen kenne ich mich aus», betont Mayer. Aber er habe nicht die technischen Möglichkeiten gehabt, um selber mit Derivaten zu handeln. «Im Umgang mit Computern bin ich sehr ungeschickt», sagt der heute 75-Jährige. Zwei Jahre später flossen alle Gelder Mayers zur UBS - die Grossbank übernahm Ende 2004 das Vermögensverwaltungsgeschäft der DBLA und integrierte es in den Bereich Wealth Management International. Pikantes Detail: Der damalige Leiter des UBS Wealth Management International Americas war Martin Liechti. Liechti wurde im Zusammenhang mit dem UBS-Steuerstreit im April 2008 in den USA festgenommen und mo-natelang festgehalten. Seit Ende 2008 ist er nicht mehr bei der UBS aktiv.

Die DBLA verwaltete zum Verkaufszeitpunkt Ende 2004 insgesamt 4,8 Mrd Euro an Privatkundengeldern - darunter auch einen Teil von Mayers Vermögen, das sich mittlerweile auf zweistelliger Millionenhöhe befand. Für die UBS soll der Senior ein dicker Fisch gewesen sein: Mayer gehörte laut Angaben seines Anwalts zu den fünf wichtigsten privaten Klienten der UBS Deutschland AG.

Aus Ferien- wurde Wohnsitz

Im Herbst 2005 schlug bei Klaus Mayer das Schicksal zu: Während eines Ferienaufenthaltes am Tegernsee erfuhr seine Frau, dass sie schwer an Krebs erkrankt war. An eine Rückkehr nach Caracas war vorläufig nicht mehr zu denken - Mayers liessen ihre Rückflugtickets nach Venezuela verfallen und blieben in Deutschland.Mayer hatte schon seit Jahren immer wieder darüber nachgedacht, wie er sein Vermögen möglichst steuergünstig an seine Kinder und Enkel übertragen könnte. Bereits 2002 und 2003 fanden dazu erste Gespräche zwischen Mayer, Henning und einem Zürcher UBS-Vertreter statt. Letzterer arbeitet heute nach wie vor als Executive Director im Bereich Wealth Management Lateinamerika bei der UBS in Zürich.

Jetzt, Ende 2005, mit einer schwer kranken Frau daheim, wollte Mayer die Nachfolgelösung endlich angehen. Angeschoben vom Hamburger UBS-Berater Patrik Henning startete die Grossbank ein intensives Beratungsprogramm. Seitens der UBS Zürich schaltete sich ein Vertreter der Abteilung Wealth Planning ein, assistiert von einem externen Steuerberater. Aus Fernost meldete sich die UBS-Niederlassung Singapur.

Die Idee: Das Vermögen, das Mayer an seine Nachfolger vermachen wollte, sollte in Singapur-Trusts geparkt werden. Als Vehikel war eine bereits bestehende Holding vorgesehen - die ehemalige Finanzierungsgesellschaft von Mayers Handelsgeschäft in Südamerika, deren Konti von der UBS in Hamburg gesteuert wurden. Doch es gab ein Problem: Trusts werden vom deutschen Staat als rechtliche Konstrukte nicht anerkannt und können daher nur im Ausland gegründet werden.

Diese Erkenntnis führte zu einer zweiten Idee: Wenn Mayer einen Wohnsitz ausserhalb Deutschlands gründen würde, könnte er erstens die Steuerpflicht in Deutschland vermeiden und zweitens die Trusts wie gewünscht errichten.

Im Anschluss an ein Treffen zwischen Mayer und UBS-Vertretern in Zürich schrieb die Bank dem Senior: «Wie im Gespräch angetönt, stellt sich doch die Frage, ob eine Wohnsitznahme in der Schweiz nicht doch in Frage käme, zumal Sie [das Ehepaar Mayer, Red.] als Deutsche Staatsbürger umgehend ein Aufenthaltsrecht erhielten, zudem in [Graubünden eine Ferienwohnung besitzen] und schliesslich eine Pauschalbesteuerung vereinbaren könnten, was aus steuerlicher Sicht sehr interessant wäre.» Und weiter: «Zudem könnten Sie mit Steuerwohnsitz Schweiz (…) über die Trustlösung die Nachfolgeordnung durchführen und somit Ihre Kinder, Enkel und Organisationen (med. Forschung) begünstigen.»

Mit einer Steuerberatung habe dies aber nichts zu tun, betont die UBS im selben Schreiben. In einer Fussnote heisst es: «UBS AG («UBS») bietet keine Rechts- oder Steuerberatung an. Daher stellt diese Präsentation keine Beratungsleistung dar. UBS empfiehlt dringend allen Personen, die sich für die beschriebenen Produkte oder Dienstleistungen interessieren, unabhängige rechtliche, steuerliche und andere fachliche Beratung einzuholen.»

Die UBS führt eine interne Liste unabhängiger Berater. In einer aktuellen Aufstellung weltweiter «External Service Providers» vom 5. Januar 2010 finden sich für den Standort Schweiz über 50 Ansprechpartner, darunter auch renommierte Adressen. Mayer willigte in den Plan ein. «Mein Kundenberater sagte mir, dass ich in Deutschland nur steuerpflichtig sei, wenn ich mich länger als 183 Tage pro Jahr in Deutschland aufhalte», berichtet der Pensionär. Ein fataler Irrtum: Diese 183-Tage-Regel gilt nur für Angestellte, die als Grenzgänger zwischen Arbeitsplatz und Wohnort pendeln. «Mayer war ab 2006 in Deutschland voll steuerpflichtig», bestätigt dessen Rechtsanwalt.

Für die UBS jedenfalls sollte sich die Idee rechnen: Dadurch, dass Mayers weltweite Kapitalerträge dank dem Pauschalsteuerabkommen mit Zürich tiefer besteuert wurden, konnte die UBS ein schneller wachsendes Vermögen verwalten. Zudem konnte die Grossbank die geplanten Trusts errichten und bei deren Verwaltung Hand bieten.

Rundum-Service der UBS Zürich

Von da an ging alles Schlag auf Schlag: Im Frühjahr 2006 machte sich der Zürcher UBS-Wealth-Planner auf die Suche nach einer geeigneten Bleibe im Raum Zü-rich und wurde bald fündig: Er schlug Mayer eine Dreizimmerwohnung auf dem Zürichberg vor - Vermieterin war die Pensionskasse eines Industriekonzerns, Vertreterin eine grosse Liegenschaftsverwalterin. Die UBS ging so weit, dass sie sich als - zumindest vorläufige - Postempfängerin für Mayer zur Verfügung stellte - obwohl der ja über eine Adresse in Caracas und in Deutschland verfügte. Im Mietvertrag, unterzeichnet am 5. Mai 2006 mit Mietbeginn zum 16. Mai 2006, heisst es unter Abschnitt 2 «Mieter»: Klaus Mayer, c/o UBS AG (...), Postfach, 8098 Zürich.

Mit dem Wohnsitz in Zürich wurde Mayer in der Schweiz steuerpflichtig. Am 18. September 2006 ging beim kantonalen Steueramt Zürich ein Schreiben der Zürcher UBS-Wealth-Planners ein. Der beantragte für Mayer eine Besteuerung nach dem Aufwand - damals waren Pauschalbesteuerungsabkommen für Ausländer ohne Einkünfte in der Schweiz im Kanton Zürich noch möglich. Die Begründung des UBS-Vertreters für den Zuzug Mayers in die Schweiz: «[Er] ist heute Rentner und nicht mehr erwerbstätig. Nach einem erfolgreichen Geschäftsleben möchte der Gesuchsteller mit 71 Jahren seinen Lebensabend in der Schweiz geniessen. Herr [Mayer] wird in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausüben.» Als damaligen Wohnsitz nannte der UBS-Berater Caracas - obwohl Mayer und seine kranke Frau bereits seit 2006 am Tegernsee in ihrem Ferienhaus wohnten. Das kantonale Steueramt gab dem Antrag statt.

Wussten die UBS-Banker, dass die damaligen Wohnsitzangaben gegenüber den Steuerbehörden falsch waren? Und wussten sie auch, dass Mayer gar nicht beabsichtigte, seinen ständigen Wohnsitz in die Schweiz zu verlegen? «Selbstverständlich war das denen klar», sagt Mayer. Die Zürcher UBS-Banker hätten ja die Briefpost stets an den Tegernsee gesandt - weil sie wussten, dass Mayer gar nicht in seiner Zürcher Wohnung anzutreffen war. «Ja», behauptet Mayer.

Einen schriftlichen Beweis dafür gibt es nicht, die Zürcher UBS-Banker waren vorsichtig: Sie schickten Postsendungen nie direkt nach Bayern, sondern stets via UBS Hamburg. Aber: «Ich hatte mit den UBS-Vertretern stets regen Kontakt über meinen Festnetz-Anschluss», betont Mayer. Zeu-gen könnten dies bestätigen, darunter seine Haushälterin sowie seine Therapeutin, die in seinem Haus am Tegernsee ein- und ausgingen.