Kadewe: Was André Maeder mit dem Warenhaus vor hat

Wie viel Geld wurde ins neue Kadewe in Berlin investiert? Die Eigentümer der Kadewe Group, die Central Group aus Thailand und die Signa Retail aus Österreich, glauben wie wir an die Relevanz von Department Stores. Aktuell und künftig haben wir eine Summe von rund 500 Millionen Euro in den Umbau unserer drei Häuser in Deutschland investiert. Das sind das Kadewe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und der Oberpollinger in München. Wobei die einzelnen Investitionssummen die Grösse der Stores widerspiegeln und ein Grossteil in das Kadewe geflossen ist. André Maeder machte eine Lehre bei Schild in Bern, später war er in den 1990er Jahren bei Charles Vögele als Einkaufschef tätig, bis er dann im weltbekannten Londoner Kaufhaus Harrods in die Geschäftsführung wechselte. Nach sechs Jahren als Vorstandsmitglied bei Hugo Boss kehrte der Schweizer als CEO zu Vögele zurück. Seit 2014 ist der 62-Jährige auch Chef der Kadewe Group in Berlin und seit dem Frühjahr 2021 auch Präsident des Internationalen Warenhausverbands IGDS. Weiterhin sitzt Maeder im Verwaltungsrat von Globus und Zino Davidoff in der Schweiz. Haben die ganzen Brands in Ihrem Haus den Umbau mitfinanziert? Ja, alle unsere Partnermarken haben mit rund 50 Prozent einen wichtigen Beitrag zu diesem mehrjährigen Projekt geleistet. Wählen Sie die Marken selbst aus? Natürlich nicht. Die Kadewe Group hat übergreifend über alle Stores ein grosses, professionelles Einkaufsteam. Das ist weltweit unterwegs, scoutet neue Brands und steht im Kontakt mit unseren bestehenden Marken. Topbrands gehören ebenso dazu wie Nischenbrands. Durch temporäre Pop-up-Stores ermöglichen wir Chancen für Startups, ihre Produkte einem internationalen Publikum anzubieten. Wichtig dabei sind der richtige Mix und eben das Unerwartete, neben dem Luxuriösen oder den aktuellen Trends. Wie gelingt diese Gratwanderung zwischen bekannt und cool? Sie gelingt vor allem durch unser neues Konzept, das Architektur und Visual Merchandising mit den individuellen Konzepten der Marken verbindet. Oft präsentieren wir coole, trendige Brands nur auf einer einzelnen Stange, wie zum Beispiel das Berliner Label 032c oder das Pariser Label Ami. Luxus ist nicht der Preis, sondern die kuratierte Auswahl. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden etwas bieten, was sie sonst nirgendwo finden. Berlin ist kreativ, wild, unkonventionell – früher galt das Kadewe als verstaubt. Hat sich das Haus jetzt mehr an den Vibe von Berlin angepasst? Das Kadewe war immer schon einzigartig. Seit 115 Jahren haben sich das Haus als auch die Stadt Berlin entwickelt und voneinander profitiert. Mit zehn Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr ist das Kadewe neben dem Brandenburger Tor die am stärksten besuchte Attraktion in Berlin. Mit dem nun fast fertigen Umbau ist das Kadewe endgültig in der Champions League der internationalen Department Stores angekommen. Und sowohl die Stadt als auch das Haus sind stolz, zu den Coolsten in Europa zu gehören. Wie viel Berlin steckt im Kadewe? Oder geht es auch darum, die Chinesen mit den bekannten Labels zu bedienen? Wir machen 50 Prozent des Gesamtumsatzes mit Berlinerinnen und Berlinern, 25 Prozent der Kundinnen und Kunden kommen aus dem Rest von Deutschland, 25 Prozent aus der ganzen Welt. Diese 25 Prozent sind wiederum sehr bunt gemischt. Es gibt darunter absolute Fashion Victims, die auf der Suche nach den coolsten Labels sind, aber auch solche, die auf Klassiker stehen. Sie haben, wie schon angesprochen, das hippe Berliner Label 032c im Sortiment. Beisst sich das nicht mit den Klassikern? Nein, im Gegenteil. Genau diese Mischung macht es aus. Wir sind kein Supermarkt, in dem fünfzig verschiedene Joghurts aufgereiht sind. Wir haben eine kuratierte Auswahl. Dabei sind die Ansprüche der Zielgruppen auch verschieden. Wir sind ein demokratischer Store. Es gibt Kundinnen und Kunden, die drei Jahre alt sind – oder neunzig Jahre. Wir haben Artikel von 1 Euro bis zu mehreren 10’000 Euro. Wir bauen das Contemporary-Segment weiter aus, weil es wächst, und das hat auch mit dem Zeitgeist zu tun. Ein Anzug oder Sneakers werden heute zu anderen Anlässen getragen als früher. Ist das Kadewe ein Luxuswarenhaus? Das Kadewe ist das Lifestyle-Premium-Warenhaus, das jedem Gast ein Ort der Begegnung, der Freude und der Abwechslung sein soll. Haben Sie Schweizer Marken im Sortiment? Uhrenmarken wie Rolex und Lebensmittel wie zum Beispiel Schokolade oder Käse sind wichtig. Aber auch Modelabels wie Ina Kess aus Zürich oder die angesagte Marke On. Aber natürlich gibt es keine Order, nur weil der Chef Schweizer ist (lacht). Die Kadewe Group eröffnet in Wien auch ein neues Haus ... Wir eröffnen in nächster Zeit sogar zwei Häuser. Ende 2023 im Carsch-Haus in Düsseldorf, einen Concept Store mit 10’000 Quadratmetern. Ein Jahr später dann in Wien einen Flaghship-Store auf der Mariahilfer Strasse mit 17’000 Quadratmetern. Diese gehören wie auch das Alsterhaus in Hamburg, der Oberpollinger in München und das Kadewe in Berlin zur Kadewe Group. Ich bin dann als CEO für alle fünf Häuser zuständig. Wie heisst das Haus in Wien? Der Name ist noch nicht bekannt. Bei unseren Schwestermarken Rinascente in Italien und Globus in der Schweiz heissen alle Häuser gleich. Unsere Stores dagegen haben verschiedene Namen. Wir sind für Wien noch in der Namensfindung. Wir werden den Namen in den nächsten Monaten bekannt geben. Wir haben bereits gute Vorschläge und sind an zweien davon näher interessiert. Was ist Ihre Aufgabe? Sind Sie Architekt, Markenbetreuer, Direktor? Ich bin Warenhauschef, und das sind viele Berufe in einem. Dazu gehört sicher, Verkäufer zu sein, aber auch Entrepreneur, der Neues wagt und aufzieht. Ich bin Teil eines Teams und vertrete da eine Meinung von vielen. Aber wir erarbeiten im Team die kreativen Konzepte gemeinsam und haben eben für alle Bereiche Spezialisten. Ich verstehe mich als ein Dirigent, und schaue, dass alle zusammen harmonieren. Dabei verfolgen wir alle dasselbe Ziel: Wir wollen das führende Warenhaus in der Stadt sein, in Service, in Auswahl und in Architektur. War 2020 das schlimmste Jahr Ihrer Karriere? Das Kadewe war monatelang geschlossen. Dann konnten wir öffnen, aber nur mit Test und Anmeldung. Natürlich war das ein brutales Jahr. Wir hatten teilweise bis zu 70 Prozent weniger Besucherinnen und Besucher, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren ein Jahr lang auf Kurzarbeit. Die Leute haben im Corona-Jahr ein neues Luxusempfinden entwickelt. Haben Sie das auch beobachtet? Ja, denn Luxus ist Zeit. Eine Stunde lang durch einen Department Store auf 60’000 Quadratmetern an einem Samstagnachmittag zu schlendern, das ist Luxus. Natürlich haben wir es gerne, wenn dabei auch gekauft wird. Das ist aber nicht der wichtigste Punkt. Wir wollen ein ganz besonderes Feeling, ein Ambiente bieten, und das macht Luxus aus. Aber Sie möchten schon, dass jemand noch einen Balenciaga-Schuh oder eine Rolex-Uhr kauft? Das kann passieren, muss aber nicht. Man muss den perfekten Hugo-Boss-Anzug nicht sofort kaufen, sondern kann das eben erst auch in einem Jahr. Wir wollen in erster Linie wie ein Marktplatz sein. Dort ist man früher schon hingegangen, hat einen Schwatz gehalten, sich ausgetauscht, sich informiert. Ein Warenhaus wie unseres ist der Marktplatz von heute. Es passiert viel. Wir organisieren Kunstausstellungen und Lesungen, aber auch Beauty-Kabinen und einen Coiffeur kann man bei uns finden. Wir gestalten mit jungen Künstlerinnen und Kunden unsere Schaufenster. Und wir arbeiten auch mit etablierten Galeristen wie Johann König zusammen. Kunst gehört zur Kultur – genauso wie ein Warenhaus. Es ist viel mehr als nur ein Geschäft, in dem man Produkte kauft. Das Ziel ist, die Leute möglichst lange im Haus zu halten – mit Restaurants, Kunst, Beauty –, damit sie dann doch irgendwann den Hugo-Boss-Anzug kaufen ... Unser Ziel ist es, unsere Gäste mit unserem Angebot glücklich zu machen. Signa und ihr Besitzer René Benko sind Fürsprecher der Innenstädte. Auf der anderen Seite heisst es, Amazon macht die Innenstädte kaputt. Wie nehmen Sie den Online-Handel wahr? Die Kundinnen und Kunden treffen nicht zuerst die Kanal-Entscheidung, sondern entscheiden, für welchen Anlass oder aus welchem Grund sie etwas brauchen. Zum Beispiel ein Geburtstagsgeschenk oder etwas für ihre Outdoor-Aktivitäten oder für die kommende Party mit Freunden. Danach kommt die Entscheidung für die Marke des Vertrauens und erst am Schluss, über welchen Kanal man einkauft, online oder stationär, und dies passiert immer öfter in einer Mischform, zum Beispiel Click and Collect. Möchten die Leute ein 1200-Euro-Kleid nicht anfassen, bevor sie es kaufen? In den meisten Fällen sicherlich und deshalb bieten wir in Zukunft alle digitalen und stationären Shopping-Varianten an. Hat das Kadewe Aufholbedarf in Sachen E-Commerce? Wir haben unseren Online-Shop vor rund einem Jahr lanciert. In den letzten Jahren hatte der Umbau Priorität. Jetzt haben wir uns mit voller Kraft dem E-Commerce gewidmet. Wir verstehen den Online-Kanal nicht als separates Geschäft, sondern als eine zusätzliche Möglichkeit, das Kundenerlebnis zu verstärken. Haben Sie Leute bei Zalando geholt? Natürlich haben wir auch E-Commerce-Spezialisten an Bord geholt. Aber das meiste Knowledge liegt bei uns im Warenhaus. Dort sind unsere Fachleute, die sich mit den Marken, den Produkten und ihren Konzepten auskennen. Wir sind vor einem Jahr nicht bei null gestartet, sondern haben Technik und die Kanalausspielung angepasst. Mittlerweile sind wir weit über dem Budget und wir werden wachsen, sodass wir in den nächsten Jahren weit über 100 Millionen Euro mit dem E-Commerce umsetzen.Die Kadewe Group Neben dem legendären «Kaufhaus des Westens» in Berlin gehört zur Kadewe Group auch das Alsterhaus in Hamburg und der Oberpollinger in München. Die Gruppe erzielt einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro pro Jahr mit rund 3500 Mitarbeitenden. Sie gehört der Signa Retail und der Central Group. Signa Retail ist in Zürich, die thailändische Central Group hat ihren europäischen Hauptsitz in Mailand, zu der ebenfalls die italienische Warenhaus-Gruppe Rinascente sowie Globus in der Schweiz und Illum in Kopenhagen gehören. In den letzten sechs Jahren wurde das Kadewe nach den Plänen des bekannten Architekten Rem Koolhaas umgebaut. Das neue Herzstück ist die neue Rolltreppe, die in diesem Herbst eröffnet wird. Prägend beim neuen Kadewe ist das Vier-Quadranten-Konzept, bei dem Design- und Markenwelten sowohl horizontal als auch vertikal eine Symbiose bilden. Gibt es jetzt einen Aufbruch in ein neues Zeitalter beim stationären Handel? Wir haben begonnen, unsere Neupositionierung vor sechs Jahren umzusetzen, und in der Pandemie weitergemacht wie geplant. Das war die richtige Entscheidung. Es wurde nichts gestoppt oder an der Strategie geändert, obwohl es sicher keine einfache Zeit war. Wir sind ein lokaler Hero, der international ausgerichtet ist, ein Marktplatz in der Stadt und die Nummer eins. Globus möchte das auch in Zürich sein. Wie gelingt das? Globus ist eine Schwester von uns wie Rinascente in Italien oder Illum in Kopenhagen. Zusammen sind wir vier Warenhaus-Marken innerhalb der europäischen Central Group aus Asien. Jede Marke hat eine eigene Geschäftsleitung und Strategie. Es ist aber kein Geheimnis zu sagen, dass Globus diesen Herbst die ersten Schritte für eine neue Ausrichtung vornimmt. Was braucht ein Warenhaus, damit es die Nummer eins am Platz wird? Es braucht die richtige Location, eine klare Philosophie und eine starke Haltung. Wo und wie positioniere ich mich? Im Mittelpreis-Sektor oder eher im Luxus-Bereich oder im Contemporary, wofür das Kadewe steht. Wir sind sehr modern ausgerichtet. Damit ein Warenhaus erfolgreich sein kann, muss es von der Bevölkerung geschätzt werden. Man braucht die Liebe und eine starke Verankerung mit den Menschen in der Stadt. Dafür braucht es Impulse und lokalen Bezug. Wir präsentieren bestimmt vierzig Labels aus Berlin im Sortiment. Das ist auch genau so in München und in Hamburg und ein wichtiger Teil unserer Identität. Hat das Kadewe Vorbilder? Es gibt gute Warenhäuser mit kreativen Konzepten auf der ganzen Welt. Wir informieren uns bei den Branchenleadern. Für mich ist Harrods in London nach wie vor einer der führenden Stores genauso wie Selfridges als auch Bon Marché aus Paris, Rinascente aus Mailand oder Isetan aus Tokio. Gibt die Gruppe viel vor? Wir tauschen uns natürlich über neue Brands aus, über neue Strategien. Wir haben einen grossen Pool an Leuten in der Gruppe, die das Thema Warenhaus verstehen und ihr Know-how einbringen. Es gibt nun mehr Pop-ups im Haus, dabei sind viele jüngere Labels. Zieht sich das nun durch die ganze Gruppe hindurch? Es gibt im Kadewe über fünfzig Pop-up-Stores und nochmals rund fünfzig in den zwei anderen Stores. Diese sind teilweise über drei Tage, aber auch über drei Monate präsent und unterscheiden sich Grösse und Bekanntheit der Marken. Dabei ist es egal, ob Louis Vuitton oder ein noch unbekanntes Startup-Label. Kommen die Lieferanten zu Ihnen und zeigen immer wieder neue Sachen? Unser Einkauf und das Marketing sind für alle drei und zukünftig alle fünf Stores zuständig, inklusive des E-Commerce-Shops. Dabei wird für jeden einzelnen Store das Sortiment individuell kuratiert und eine separate Marketingstrategie umgesetzt. So bleibt jeder Store seiner eigenen Marke treu und ist der Local Hero seiner Stadt. Was steckt hinter dem Umbaukonzept? Unser einmaliges Konzept bietet ein nie da gewesenes Einkaufserlebnis. Es eröffnet sich ständig eine neue Welt mit insgesamt 24 verschiedenen Raum- und Markenkonzepten, die man als Kundin und Kunde entdecken kann. Haben die Marken freie Hand? Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Geschäftsmodelle: «Own-buy» auf der einen Seite, wo die gesamte Einkaufsverantwortung bei uns liegt, und «Concessions» auf der anderen Seite, wo die Marken das Warenangebot verantworten. Allerdings sind beide Konzepte unter dem Dach unseres Hauses und werden als solches ganzheitlich von den Kundinnen und Kunden wahrgenommen. Wie geht es jetzt bei Ihnen persönlich weiter? Ich habe den besten Job der Welt und es gibt noch viel zu tun, zum Beispiel die Fertigstellung unserer Umbauten sowie die Neueröffnungen in Düsseldorf und Wien. Darauf freue ich mich sehr. Würden Sie für einen neuen Posten wieder in die Schweiz zurückgehen? Ich bin bei Globus und Zino Davidoff im Verwaltungsrat tätig, zusätzlich seit Frühjahr dieses Jahrs auch Präsident des Internationalen Warenhausverbands IGDS. Sind Sie öfters in der Schweiz? Die Schweiz hat die beste Lebensqualität der Welt. Das fand ich schon immer und dabei bleibe ich. Ich bin privat und geschäftlich regelmässig und sehr gerne dort, nicht zuletzt, weil viele meiner Freunde in der Schweiz leben. Sehen Sie René Benko oft? Der Kontakt ist regelmässig und wenn Herr Benko in Berlin ist, besucht er das Kadewe. Ist Berlin in den letzten Jahren noch mehr zu einer Weltstadt geworden? Berlin war schon in den 1920er Jahren eine der grössten Städte der Welt und zählt heute mit rund vier Millionen Einwohnern zu den wichtigsten Metropolen Europas. Neben der berühmten Clubszene ist das Kulturangebot sehr gross und Berlin hat eine wichtige Startup-Szene.

Kadewe: Was André Maeder mit dem Warenhaus vor hat

«Ein Warenhaus wie unseres ist der Marktplatz von heute»