Mit dem grauen Gussboden, dem schlichten Mobiliar und den weiss getünchten Wänden könnte der Zürcher Polestar-Showroom auch als ein Apple-Store durchgehen. Das ist gewollt, denn der Anspruch ist der gleiche: Hier werden Premium-Produkte verkauft.

Lange konnten die E-Autos von Polestar nur online bestellt werden. Von diesem Vertriebssystem wendet sich der neue CEO Michael Lohscheller ab. «Das Gerede, wir bräuchten keine Händler mehr, ist Unsinn», sagt der Polestar-Chef im Gespräch mit der Handelszeitung. Nun verkaufen sechs Händler der Schwestermarke Volvo die Stromer von Polestar. Bis Ende des Jahres sollen es schweizweit neun Händler sein, im Endausbau dann maximal zwanzig.

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Schweizer Markt hat Schlüsselrolle

Der Deutsche führt Polestar seit rund einem Jahr. Und macht nicht nur im Vertrieb vieles anders als sein Vorgänger, Thomas Ingenlath. Kurz gefasst muss Lohscheller das Kunststück vollbringen, zu wachsen und gleichzeitig zu sparen. Denn Polestar macht hohe Verluste.

Was Wachstum betrifft, setzt der neue Polestar-Chef auch auf die Schweiz: «Europa ist der zentrale Markt für uns mit über 70 Prozent der Verkäufe. Hier spielt die Schweiz als Premiummarkt eine Schlüsselrolle.»

Bis Ende Jahr will er hierzulande tausend Polestar verkauft haben. Ende September waren es 828, ein Wachstum von über 100 Prozent. Bestseller ist derzeit der viertürige Polestar 4.

Das Absatzwachstum ist insgesamt durchaus ansprechend: So verkaufte Polestar weltweit in den ersten neun Monaten 44’482 Autos – was einem Plus von 36 Prozent entspricht. 

Doch der E-Auto-Spezialist verbrennt weiterhin Geld. In den ersten neun Monaten resultierte ein Verlust von knapp 1,2 Milliarden Dollar. Die Bankschulden belaufen sich auf 3 Milliarden Dollar.

Droht Polestar das Geld auszugehen? Dazu sagt Lohscheller: «Wir haben einen sehr starken Hauptaktionär, und wir arbeiten uns jetzt durch das Finanzierungsthema durch.»

Er kann auf einen mächtigen Verbündeten zählen: Li Shufu. Der Gründer und Grossaktionär der chinesischen Geely Group hält an seiner europäischen E-Marke fest. Im Juni schoss er 200 Millionen Dollar frisches Eigenkapital ein. Zu seinem Konzern gehören neben Polestar auch die Marken Volvo, Lotus und Zeekr.

Polestar ist quais Li Shufus persönliche Premiumwette, denn er selbst hält mittlerweile rund 40 Prozent am Unternehmen, weitere rund 20 Prozent gehören seinem Geely-Konzern, 18 Prozent hält die Geely-Tochter Volvo. Trotz des klaren China-Übergewichts im Aktionariat will Lohscheller nichts davon wissen, dass Polestar eine chinesische Marke sei. «Wir sind eine schwedische Marke mit chinesischem Mehrheitsaktionär.»

Bewegte Geschichte

Polestar begann in den Neunzigerjahren als Rennteam und entwickelte später Software für Volvo. 2009 wurde das Unternehmen von Volvos Tuningabteilung und 2015 vollständig von den Schweden übernommen. 2017 wurde Polestar dann wieder als reine E-Auto-Marke abgespalten. Seit 2022 ist die Firma an der US-Börse Nasdaq gelistet.

Neues Geld allein reicht aber nicht, daher muss Lohscheller die Kosten senken. Früher entwickelte Polestar die Autos selbst, nun greift das Unternehmen verstärkt auf sogenannte Plattformen des Konzerns zurück. Der SUV Polestar 3 zum Beispiel teilt sich die Plattform mit Volvos EX90. «Dadurch senken wir die Entwicklungskosten, benötigen aber auch weniger Personal im Vergleich zur kompletten Plattformentwicklung», erklärt der Polestar-Chef.

Eigene Werke hat der Hersteller keine. Das Unternehmen nutzt die Werke von Geely in China und Nordamerika und bald auch das Volvo-Werk in der Slowakei, wo der kompakte SUV Polestar 7 vom Band rollen soll. Der Wagen ist ein wichtiger Hoffnungsträger.

Kompakter E-SUV kommt 2028

«Als eine der ersten Entscheidungen habe ich den Kompakt-SUV Polestar 7 in Auftrag gegeben, der in Rekordzeit schon Anfang 2028 auf den Markt kommen soll», sagt Lohscheller. Denn das Segment der Kompakt-SUVs ist das am schnellsten wachsende in Europa.

Denn trotz der Probleme auf Europas Automarkt setzt der Polestar-Chef hier auf Wachstum. Die USA seien weniger interessant – zumal die Regierung grad die Kaufhilfen für E-Autos hat auslaufen lassen –, hinzu kommt die Zollproblematik. Interessanterweise setzt Polestar auch nicht auf China, die Heimat seines Eigners. «Der Wettbewerb ist enorm, und Kunden bevorzugen heimische Marken», erklärt Lohscheller. Und Polestar werde eben als schwedische Marke wahrgenommen.

Also Fokus auf Europa und auf neue Produkte wie den Polestar 7, der den Bestsellern Tesla Y oder Škoda Enyaq Marktanteile abjagen soll.

Als Nächstes rollt die Sportlimousine Polestar 5 in die Showrooms. Das Auto tritt gehen Wettbewerber wie einen Porsche Taycan oder Audi E-Tron GT an. 

Elektrische Luxusautos sind kein Selbstläufer

Doch E-Autos mit Preisen jenseits der 100’000 Franken haben es beim Publikum schwer. «Elektromobilität im Luxussegment ist anspruchsvoll», räumt auch der Polestar-Chef ein. «Aber uns hilft, dass wir anders als Wettbewerber nur E-Autos verkaufen – diese Klarheit in der Aufstellung ist ein Alleinstellungsmerkmal.»

Doch gerade Käufer von Luxusautos sind oft konservativ. Das Bedienkonzept vieler E-Autos, fast alles per Touchscreen zu steuern, lehnen viele ab. Daher will auch Polestar umsteuern, verspricht der CEO: «Im Polestar 7 wird es wieder mehr haptische Knöpfe geben.»