«Es gibt keine absolute Wahrheit.» Das sagt der Mann, der sich nicht davor scheut, heikle Branchen und schillernde Personen zu beraten. Die Beteiligungsgesellschaft Victory mit Ronny Pecik und Georg Stumpf gehört ebenso dazu wie der Hedge-Fonds Absolute Capital Management oder Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli. Auch berät Stephan Oehen die Firma Saab bei der Vermarktung ihres Gripen-Kampfflugzeuges im Auswahlverfahren der Schweizer Armee.

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Oehen war ehemals geschäftsführender Partner der Klaus J. Stöhlker AG und hat sich seit zwei Jahren in der Nähe seines alten Arbeitgebers im Zürcher Nobelvorort Zollikon in einem alten Herrenhaus niedergelassen. Dort empfängt er vermeintliche «Heuschrecken» gleichermassen wie «Todesengel» und erklärt: «Für jedes Thema gibt es schlagende Argumente. Es gibt stets zwei oder drei Sichtweisen. Sich das zunutze zu machen, ist nicht unethisch.»

Für den Kommunikationsexperten gibt es nur ein Tabu: Nämlich den Interessenkonflikt, der ihm zwischen zwei Mandaten entstehen könnte. Und er will morgens noch in den Spiegel schauen können. Ansonsten berät Oehen alle, die sich nicht offensichtlich in der Illegalität bewegen. Heikle Kunden sind seine Spezialität. «Heikel sind Themen, die eine hohe Komplexität aufweisen oder Menschen, die unterschiedliche Motivationen und Faktoren in sich vereinen und deshalb schwierig zu verstehen sind», so Oehen.

Ablenken als Taktik

Zwei Arten von Komplexität sieht er am häufigsten bei seiner Arbeit. Einerseits ist es die Finanzkomplexität mit ihrer schwer beeinflussbaren Psychologie der Aktienmärkte und den Medien etwa bei den M&A-Projekten von Victory. Andererseits kämpft er im politischen Konzert mit, wenn die Interessen der Beteiligten diametral sind wie etwa dem Kampfflugzeugprojekt der Schweizer Armee.

«Was nicht dem Mainstream entspricht, wird besonders in der Schweiz von der Öffentlichkeit grundsätzlich negativ beurteilt», beobachtet Oehen. Seine Aufgabe ist dann, Denkprozesse anzuregen. «Man muss von der Sache selbst ablenken und die Argumentationsschiene öffnen. Also Fragen stellen wie: ‹Warum sind ein AKW oder ein Kampfflugzeug heute überhaupt nötig.›»

Das Verhältnis zu seinen Mandanten beschreibt Oehen als: «Ich tanze einen Tango, ohne meinen Tanzpartner zu berühren.» Sowohl in der Sache wie auch emotional versuche er nah an seine Klienten heranzukommen, aber dabei nie abzuheben und sich nie vollständig mit ihnen zu identifizieren. Anzunehmen, dass ihm dies gelingt. Denn noch nie wurde der Kommunikationsexperte vom negativen Strudel seiner Kunden mitgerissen; nicht einmal als er vor einigen Jahren – noch bei Stöhlker – die Vitamin-Initiative des umstrittenen Krebs-Arztes Matthias Rath betreute und sein früherer Arbeitgeber erst nach Monaten vom Mandat zurücktrat.

Keine Kaputtmacherkampagnen

«Die Spielregeln, Protagonisten und auch die Medienoberfläche ändern sich heute laufend. Deshalb muss ein Mandant mehr denn je an der Hand genommen werden», sagt er. Und darum sieht er es vor allem anderen als seine Aufgabe, die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu antizipieren und zu modulieren. Er erklärt dann, dass Hedge-Fonds Arbeitsplätze erhalten. Er stellt die Frage: «Was wäre mit Unaxis passiert ohne das Eingreifen von Victory?» Und er plädiert dafür, Risiken offen zu nennen. Gleichzeitig ist er bei den heiklen Kunden dagegen, Transparenz um jeden Preis herzustellen. «Die Wahrheit soll so nah wie möglich an der für das Unternehmen wünschbaren Realität definiert werden. Denn Interpretationsspielraum gibt es bei allen Fak-ten», erklärt der Kommunikationsmann. Und manchmal zieht er es auch vor, einfach mal eine Grundsatzfrage zu stellen, statt Fakten auseinander zu zerren. «Was zählt, ist zuerst die Wirkung.»

Aussitzen, die Reissleine ziehen oder ablenken sind Oehens Strategien, wenns brenzlig wird. Nachdenklich – wie um die Richtigkeit seines Tuns zu bestätigen – kommt wieder der Satz: «Aber nie vergesse ich den Grundsatz, dass ich mich noch im Spiegel anschauen können will.» Nie wür- de er deshalb eine Kaputtmacher-Kampagne lancieren etwa über die sexuellen Vorlieben seiner Kontrahenten. «Ich finde es wichtig zu berücksichtigen, welche Konsequenzen mein Handeln auf das Umfeld eines Betroffenen hat. Persönliches ist tabu. Aber in der Sache gibt es für mich keine Grenzen», sagt er.

Auch bezüglich seiner eigenen Person gibt es für den zähen Wirtschafts- und Rechtswissenschaftsabsolventen keine Grenzen. Er ist allzeit für seine Mandanten verfügbar. Denn auch etliche Persönlichkeiten sind darunter, die ohne Führung mit ihren Ecken und Kanten sowie unbedachten Äusserungen jederzeit in den medialen Fettnapf treten könnten. Oehen geht bei seinen Tangos weit: Das Verhältnis zu seinen Kunden sei eine platonische Liebe, sagt der Berater, dessen Worte das Schicksal von tausenden von Arbeitnehmern besiegeln können. «Ich kann nie mechanisch beraten», sagt er, «selbst die schwierigsten Menschen muss ich mögen. Ich muss verstehen, warum einer so ist, wie er ist. Gelingt es nicht, muss ich auf das Mandat verzichten.»