Erfolgreicher im Bärenmarkt 2022: Aktive Portfolios schlagen passive ETF

Normalerweise ist Patrick Müller streng in seinen Noten für die Vermögensverwalter. Der Geschäftsführer von Zwei Wealth hat sich darauf spezialisiert, für wohlhabende Anlegerinnen und Anleger die Leistung ihrer Banken zu analysieren (mehr zur Firma hier). Und oft lautet das Verdikt so wie 2021: Das hätte eine passive Anlage auch hingekriegt. Oder gar übertroffen. Doch 2022 sieht die Lage etwas anders aus. Für einmal haben viele der beobachteten Portefeuilles besser rentiert als der entsprechende Vergleichsindex und damit passive Produkte, die diese Indizes nachbauen. Wobei «rentiert» das falsche Wort ist, denn 2022 geht vor allem mit Verlusten in die Geschichte ein. Und das unabhängig von der gewählten Strategie. Von einem «annus horribilis» spricht Müller. Bei reinen Obligationenportefeuilles erwirtschaftete der beste Banker ein Minus von 1,5 Prozent, während der schlechteste 17 Prozent verlor. Das Mittel (Median) lag bei minus 10 Prozent. Die reinen Aktienportefeuilles landeten bei zwischen minus 29,5 Prozent und minus 15 Prozent (siehe Grafik). Dabei zeigen die Zahlen von Zwei Wealth, dass selbst jener Vermögensverwalter, der in der Performanceliste nur einen Mittelplatz erreicht hat, immer noch besser abschloss als der jeweilige Vergleichsindex. Und das deutlich. Müller erklärt den Unterschied damit, dass die Vermögensverwalter sich aus mehreren Gründen tendenziell vorsichtiger verhielten als der zum Vergleich beigezogene Index. So arbeiteten die Vermögensverwalter mit kürzeren Restlaufzeiten auf Obligationen. Der Zinsanstieg hat sich daher weniger stark auf die Bewertungen ausgewirkt. Ferner könne man beobachten, dass aktive Vermögensverwalter stärker auf Währungsabsicherung setzen und gewissen Wachstumsbranchen wie die Technologie tendenziell eher untergewichten. Beides half im vergangenen Jahr, Verluste zu mindern. «Passiv ist ja auch nicht wirklich passiv», gibt Müller ausserdem zu bedenken. Wer einen Index abbilde, müsse das Portfolio immer mal wieder anpassen, während auch in einem vermeintlich aktiv bewirtschafteten Portfolio mal länger nicht gehandelt werde. Interessant sei, dass in den vorangegangenen Jahren des Bullenmarktes die Differenzen zwischen Aktiv und Passiv weniger gross gewesen seien als jetzt 2022 in der tauchenden Börsenlage. «Der Performancevergleich weist historisch eine Streuung von knapp 13 Prozentpunkten zwischen den besten und den schlechtesten Anlageportfolios in einem Jahr aus.» Für das Anlagejahr 2022 sei dieser Wert mit 17,7 Prozentpunkten deutlich höher. «In einer schlechten Zeit hat die gute Beratung definitiv mehr wert als in guten Zeiten», so Müller. Sprich: Aktiv bewirtschaftete Portfolios schlagen ihre Vergleichsindizes oft nicht, wenn die Börsen gut laufen. Doch wenn es an den Märkten kracht, kann die aktive Verwaltung helfen, dass sich die Verluste in Grenzen halten. Unter den Vermögensverwaltern gebe es grosse Qualitätsunterschiede, betont Müller. Viele erzielten vor allem auch deshalb schlechte Anlageergebnisse, weil sie schlicht ihr Handwerk nicht beherrschten. Bereits in früheren Jahren zeigte Zwei Wealth auf, dass spezialisierte Vermögensverwalter teilweise deutlich bessere Ergebnisse erzielten als beispielsweise die Vermögensverwalter der Banken. Misstrauisch sollten Bankkundinnen und Bankkunden auch bei allzu exotischen Papieren in ihren Depots werden. Für das vergangene Jahr zeigte Zwei Wealth auf, dass die besten Vermögensverwalter überdurchschnittlich oft auf klassische Papiere wie Aktien und Obligationen setzten. Bei den schlechteren Vermögensverwaltern dagegen befanden sich deutlich öfters Fonds oder strukturierte Produkte in den Portefeuilles.Zur Firma: Zwei Wealth Dass Zwei Wealth die qualitativen Unterschiede von Vermögensverwaltern betont, ist kein Zufall, denn die Firma lebt davon. Das von Patrick Müller und dem früheren UBS-Chefökonom Klaus Wellershoff gegründete Beratungsunternehmen analysiert im Auftrag von reichen Bankkunden die Leistung der Banken und Vermögensverwaltern. Rund 500 Kundenportefeuilles fliessen in die Auswertung von Zwei Wealth ein.