Vor sechs Jahren startete der Fachmarkt-Spezialist Hans Peter Weber mit dem Aufbau der Estorel-Drogeriemärkte. Weber trat eine Lawine los. Bei der Suche nach Investoren zeigten ihm die Banken zwar die kalte Schulter. Grund: Der ehemalige Verkaufsleiter von Coop Zentralschweiz war eben mit seinem Versuch gescheitert, das Grossladenkonzept von Toys?R?Us auf den kleineren Schweizer Massstab zu übertragen. Doch Weber liess sich bei seinem Umstieg von der Spielwaren- in die Gesundheitsbranche nicht entmutigen. Er fand einen starken Partner in der deutschen Ihr-Platz-Gruppe. Diese setzt als Franchisegeberin von mehr als 900 Drogerien in Deutschland 1,5 mal so viel um wie der gesamte Drogeriemarkt in der Schweiz.

Estorel wurde hierzulande zur beeindruckenden Erfolgsstory. Mit einem schlanken Selbstbedienungskonzept und geballter Einkaufsmacht im Rücken unterbot Weber die Preise der Konkurrenz um bis zu 30% und mischte den Drogeriemarkt in der Schweiz neu auf. Begünstigend für die rasche Expansion war zudem die Kooperation mit Globus. Estorel konnte sich an diversen ehemaligen ABM-Standorten etablieren. Innerhalb von fünf Jahren wuchs die Kette von 0 auf 36 Filialen. 2002 tätigte sie einen Umsatz von 52,4 Mio Fr., was einen Marktanteil von rund 5% bedeutet. In diesem Jahr hätte Weber mit Estorel auch erstmals schwarze Zahlen schreiben wollen, womit die Erfolgsstory komplett gewesen wäre.

*Aktionär mit Geldsorgen*

Doch so weit kommt es nicht. Der Begründer und eigentliche Motor muss wegen Differenzen mit dem deutschen Hauptaktionär seinen Platz als Geschäftsführer per Ende Jahr räumen und seinen Minderheitsanteil von 20% verkaufen. Der deutsche Hauptsitz in Osnabrück will die Gründe des Zerwürfnisses nicht kommentieren. Weber lässt durchblicken, dass man sich über die weitere strategische Ausrichtung nicht mehr einig gewesen sei. «Uns wurde eine Sparpolitik verordnet, die ich nicht unterstützen konnte.» Nach den Vorstellungen der Ihr-Platz sollen die Estorel-Drogerien künftig personell noch knapper betrieben werden. Der Grund für diese Schlankheitskur: Dem deutschen Mutterhaus geht es schlecht. Seit drei Jahren ist es vor allem mit der eigenen Restrukturierung beschäftigt. Zahlen über die Rentabilität gibt das Familienunternehmen nicht bekannt. Sie dürften wenig rosig aussehen. Die Umsätze sind in den letzten zwei Jahren jeweils zweistellig geschrumpft, und dies trotz einer lautstark beschworenen Expansionsstrategie.

Im Sog dieser Krise ist auch der weitere Aufbau der Estorel-Drogeriemärkte in der Schweiz jäh ins Stocken geraten. «Die Expansion ist auf Eis gelegt worden», sagt Weber. Ihm schwebte als Zielgrösse mittelfristig ein Netz von 70 Filialen mit 150 Mio F. Umsatz vor. Doch jetzt wollen die Deutschen kein weiteres Geld investieren. Nach 13 Estorel-Filialen im vergangenen Jahr ist in diesem jedenfalls keine einzige mehr neu eröffnet worden. Geplant waren mindestens vier weitere Filialen.

*Indiz für Sättigung*

Der Expansionsstopp wird beim Blick auf die abgeflachte Wachstumskurve allerdings plausibel. Mit einer um 44% vergrösserten Verkaufsfläche konnte Estorel 2002 beim Umsatz nur noch um 26% zulegen. Der durchschnittliche Umsatz pro Filiale verringerte sich gar um 300 000 Fr. auf 1,5 Mio Fr. Ein Indiz also, dass das Potenzial für Drogerie-Fachmärkte in der Schweiz bald einmal ausgeschöpft sein dürfte.

Der grösste Konkurrent von Estorel beurteilt die Situation ganz anders. Coop Vitality hält laut Leiterin Doris Schwizer am geplanten Expansionskurs fest. Bis 2006 sind 40 Vitality-Filialen vorgesehen, hauptsächlich in grossen CoopCentern.

Für Weber dürfte der Abgang bei Estorel ziemlich schmerzhaft sein. Er sieht sich gezwungen, gleichsam sein eigenes Kind zu verlassen. Der 47-Jährige lässt offen, ob er eine Pause einlegen oder nochmals einen weiteren Versuch im Detailhandel starten wird. Die Positionen seien zwar durch Migros und Coop besetzt, meint der gebürtige Basler. «Aber es gibt im Detailhandel durchaus Nischen, in denen sich noch vieles bewegen lässt.»

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