Ex-Swissair-Manager: Das Leben nach dem Grounding

Was sie damals waren, was sie heute sind: Die wichtigsten Akteurinnen und Akteure beim Grounding 2001. Ihre Rolle, ihr Schicksal, ihre heutigen Wirkungsfelder – und wie weit sich die Airline-Veteranen vom damaligen Swissair-Hauptquartier Kloten-Balsberg fortbewegt haben. Natürlich in Flugmeilen gerechnet. Spoiler: In Kloten ist keiner mehr. Und keine. Mario Corti, heute 74 Kloten-Balsberg bis Boston: 3739 Flugmeilen Seine Rolle damals In den finalen Monaten der Swissair war Mario Corti angetreten, die Airline vor dem Absturz zu bewahren. Doch bei der Sanierung kamen dem frischernannten Kapitän die Terroranschläge vom 09. September in den USA in die Quere, die den globalen Flugverkehr zum Erliegen brachten. Zuletzt versuchten Corti und Crossair-Gründer Moritz Suter, Teile der Swissair mit der Crossair zu verschmelzen. Sein Schicksal Doch auch dieser Rettungsversuch misslang. Am 2. Oktober 2001 blieben die Flieger am Boden - der Swissair war das Geld ausgegangen. Der Bund übernahm das Zepter. Sein Leben heute Der gescheiterte Airline-Retter siedelte 2002 in die USA über und war dort unter anderem als Fluglehrer tätig. Über das Grounding will er heute nicht mehr öffentlich sprechen. «Mein Bedürfnis, mich erneut zu äussern, hält sich - das wird Sie nicht erstaunen - in engen Grenzen. Ich bin heute im Ruhestand (..)», lässt Corti aus Boston wissen. In den «ihm hoffentlich noch verbleibenden Jährchen» will sich der bald 75-Jährige unter anderem dem Carnot-Cournot Netzwerk widmen. In dem Verlag des Basler Thinktanks gab Corti kürzlich eine Publikation über die «Kraftstoffe der Zukunft» heraus. Georges Schorderet, 68 Kloten-Balsberg bis Hombrechtikon: 16 Flugmeilen Seine Rolle damals Georges Schorderet erlebte sein Grounding bei der Swissair noch vor dem eigentlichen Untergang der Airline. Sein Schicksal Als Mario Corti in der Krise die Führung übernahm, stellte er Schorderet vor die Tür. Zuvor hatte der Freiburger sechs Jahre lang die Finanzen betreut. Sein Leben heute Nach dem Ende der Swissair machte der heute 68-Jährige im Nahen Osten Karriere: Er wurde Finanzchef und später CEO des saudi-arabischen Milchgiganten Almarai. «Zu jener Zeit hatte ich den Swissair-Stempel auf meiner Stirn. Es war nicht einfach, eine neue Karriere in der Schweiz zu starten. Deshalb war ich offen für Angebote», erzählte er der «Schweiz am Sonntag» über seinen Wechsel ins Ausland. Im April 2019 gab er den CEO-Posten ab und kehrte aus der saudischen Wüste ins grüne Zürcher Oberland zurück. Von Homrechtikon aus ist Schorderet aber noch bis nächstes Jahr für Almarai als Berater tätig, zudem ist er noch Verwaltungsrat bei mehreren Unternehmen. «Natürlich wurden Fehler gemacht», sprach er in der «Schweiz am Sonntag» über seine Zeit bei der Swissair. Und: «Im Nachhinein ist man immer schlauer.» «Wir haben versucht, unser Bestes zu geben.» Philippe Bruggisser, 73 Kloten-Balsberg - Miami (vermutlich): 4873 Flugmeilen Seine Rolle damals Unter Bruggissers Führung ab 1997 kaufte die Swissair in einem aggressiven Expansionskurs andere Airlines auf. Doch die Strategie - Arbeitstitel «Hunter» - resultierte in einem Schuldenberg. Sein Schicksal Als die Beratungsgesellschaft McKinsey 2000 vor einem Zusammenbruch warnte, musste der Aargauer Konzernchef abtreten. Das Aus der Swissair bedeute auch das vorläufige Ende seiner Karriere. In der Schweiz ist der Ruf des einstigen Steuermanns der Swissair auch 20 Jahren nach dem Grounding schwer angeschlagen - noch heute machen ihn viele für den Untergang der Fluggesellschaft verantwortlich. Sein Leben heute Will man seinem Profil auf dem Karriereportal Linkedin Glauben schenken, ist Philippe Bruggisser heute in Miami in den USA zu Hause. 2006 versucht er den Neustart mit einer - erfolglosen - Kandidatur für den Verwaltungsrat der South African Airways. 2009 wird Bruggisser Vizepräsident der Frachtgesellschaft Centurion Air Cargo in Miami, und im gleichen Jahr gelingt ihm das berufliche Comeback in der Schweiz, er wird Chef des Zuger Privatjet-Anbieters Vistajet. Nach gut einem Jahr muss er bereits wieder abtreten. Danach ist der heute 73-Jährige laut Medienberichten noch als Aviatik-Experte für die britische Beratungsgesellschaft Otus tätig. Jacqualyn «Jackie» Fouse, 60 Kloten-Balsberg – Cambridge, Massachusetts USA: 3742 Flugmeilen Ihre Rolle damals Mario Corti holte Jacqualyn Fouse von Nestlé und setzte sie als Hüterin von Aktiva und Passiva der SairGroup ein. Als Finanzchefin und Nachfolgerin von Georges Schorderet konnte sie den Untergang der stolzen Airline nicht abwenden. Ihr Schicksal Mit dem dramatischen Ableben der Swissair, so hätte man damals meinen können, war auch die hoffungsvolle Karriere der Texanerin gegroundet. Aber es kam anders, ganz anders. Von allen Akteuren (und wenigen Akteurinnen) von damals hat Fouse den glanzvollsten Berufsweg beschritten. Den lukrativsten sowieso. Ihr Leben heute Die letzte Finanzchefin der Swissair kehrte in ihre Heimat USA zurück. Dort war sie zunächst für die damalige Nestlé-Tochter Alcon tätig und wechselte später in die Welt der Pharma. Heute ist Fouse CEO des US-Biotechunternehmens Agios. Gemäss dem US-Portal Execpay streicht sie für ihre Dienste dort jährlich um 16 Millionen Dollar ein – mehr als der Schweizer Topverdiener Severin Schwan, CEO von Roche. Eric Honegger, 75 Kloten-Balsberg - Gerersdorf bei Güssing: 362 Flugmeilen Seine Rolle damals Der Bundesratssohn zimmerte eine Karriere wie aus dem (damaligen) FDP-Lehrbuch: Zürcher Regierungsrat und Finanzdirektor, danach VR-Sitze bei UBS, NZZ und Swissair. Als Präsident und sogar zwischenzeitlicher CEO der einstigen «fliegenden Bank». Sein Schicksal In der Folge von Swissair-Grounding und -Kollaps musste Honegger auch die anderen honorigen Mandate abgeben. Der einstige Karrieremensch war tief gefallen. Sein Leben heute Als Co-Gastgeber des Hotels Arkadenhof residiert Honegger im österreichischen Burgenland. Vogelgezwitscher statt Jet-Lärm – der einstige Swissair-Steuermann hat seinen Frieden in einem Nest namens Gerersdorf bei Güssing gefunden. Matthias Mölleney, 61 Kloten-Balsberg – Uster: 11 Flugmeilen Seine Rolle damals Als der vormalige Lufthanseat Matthias Mölleney 1998 zur Swissair stiess, war das nationentechnisch (von Gender sprach damals noch keiner) eine kleine Sensation: Mit dem Zuzug des deutschen Personalchefs war die Chefriege der Airline, damals noch geführt vom Kalifornier Jeff Katz, erstmals stärker ausländisch als schweizerisch besetzt. Sein Schicksal War zu seinem Beginn bei der Swissair noch Wachstum angesagt, kam es mit dem Grounding hochkantig bitter. Personalmanager Mölleney, der doch eigentlich Karrieren ermöglichen und Mitarbeiter entwickeln sollte, musste Mitarbeitende abbauen. 9000 an der Zahl. Sein Leben heute Mölleney ist seinem Metier treu geblieben. Einerseits als Inhaber einer Personalberatungsfirma in Uster, daneben als Leiter des Center for Human Resources Management & Leadership an der HWZ Zürich. Mölleney ist wohl einer der ganz wenigen hochrangigen Manager aus jener Zeit, die heute noch gern und gelassen über das Grounding erzählen. Ganz sicher war er aber der einzige aus der Topriege, der in Michael Steiners Film «Grounding – Die letzten Tage der Swissair» mitspielte. Wen Mölleneney mimte in dem Monumental-Streifen? Sich selber natürlich. Mehr zum Thema Analyse: So wirkt das Swissair-Grounding bis heute.