Eigentlich ist es eine Erfolgsstory», sagt Franziska A. Tschudi, CEO der

Rapperswiler Wicor Holding AG, und meint die Art und Weise, wie ihrem Vater,

ihr und ihren drei Brüdern der Generationenwechsel in der

Unternehmensführung geglückt ist. Die international in den Bereichen Electrical

Technology und Plastics Technology tätige Gruppe ist eines von rund 300000

KMU in der Schweiz allerdings kein typisches. Im typischen Schweizer

Familienunternehmen scheitert nämlich der Generationenwechsel auffallend oft.

Untersuchungen in verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass pro

Generationenwechsel im Schnitt 30% der Familienunternehmen untergehen. In

Deutschland schliessen jährlich rund 2000 Betriebe ihre Tore, weil der Senior-

Chef sich nicht richtig um die Nachfolge gekümmert hat. In der Schweiz wurde

bisher wenig Zahlenmaterial erhoben. Eine Studie des Zürcher Amtes für

Wirtschaft und Arbeit (AWA)* beziffert aber die Unternehmen, in denen in den

nächsten fünf Jahren eine Nachfolge ansteht, auf 15 bis 20%. Zehntausend-

bis fünfzehntausend Unternehmen mit rund 75000 Beschäftigten allein im

Kanton Zürich. Gesamtschweizerisch sind schätzungsweise 50000

Unternehmen und 400000 Arbeitnehmer betroffen. Die Fortführung eines

gesunden Familienunternehmens ist also nicht nur aus privater, sondern auch

aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig.

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Notbesetzungen haben meistnegative Folgen

Nicht alle Unternehmen werden aus altersbedingten Gründen übergeben. In

einer deutschen Studie waren es nur 40%, wogegen ein Viertel notfallmässig

wegen Unfällen, Krankheit oder Tod die Hand wechselte. Ein Detail mit Folgen:

Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmer haben weder ein Testament

noch Ehe- oder Erbverträge erstellt. Allein vor der Vorstellung, dereinst das

Zepter nicht mehr fest in der Hand zu halten, schrecken die meisten Patrons

zurück: Nur 3% der 4060-Jährigen beschäftigen sich überhaupt mit diesem

Thema. Mit nachteiligen Folgen, wie die AWA-Studie zeigt: Bei überraschenden

Nachfolgen entwickeln sich bei über der Hälfte der Firmen Umsatz und Ertrag

negativ, 31% stagnieren und nur 17% entwickeln sich positiv.

Dass es dem Senior-Chef nicht leicht fällt, aus seiner Firma auszusteigen, ist

nachvollziehbar. Immerhin hat er sich von seinem Lebenswerk zu trennen.

Genau hier liege eine grosse Gefahr, bestätigt André von Moos, Buchautor und

selbst Nachfolger eines traditionsreichen Familienunternehmens: «Mitunter

identifizieren sich Patrons so stark, dass keine Distanz zum Unternehmen

mehr da ist.» Sie beginnen, die Firma als Teil ihrer eigenen Existenz zu

betrachten und damit um jeden Preis zu erhalten. Leonhard Fopp, Inhaber der

im Bereich Nachfolgeregelungen tätigen Continuum AG in Zürich, sieht im

Umgang mit der eigenen Vergänglichkeit denn auch einen der Hauptfaktoren für

ein gutes Gelingen des Übergangs: «Es ist überaus wichtig, auch an die eigene

Lebensplanung aktiv und gestalterisch heranzugehen.» Fopp vermeidet jedoch

sorgfältig den Ausdruck «abgeben»: «Viele assoziieren diesen sofort mit .

Wichtig ist, zu sehen, dass es darum geht, einen oder vielleicht auch

verschiedene andere Löffel zu finden!» Beispielsweise innerhalb des

Unternehmens klar begrenzte Aufgaben zu übernehmen oder ausserhalb etwas

zu suchen, um die eigene Erfahrung gewinnbringend einsetzen zu können. Das

Letztere fällt jedoch den meisten schwer: In einer Umfrage unter 180 deutschen

Unternehmern gaben 58% an, auch nach der Übergabe noch beratend in der

Firma tätig sein zu wollen, 30% von ihnen aktiv.

Mangel an Professionalität

Der ehemalige Patron der Wicor Holding gehört offensichtlich nicht zu denen,

die nur halbherzig loslassen. «Er kommt nur auf explizite Einladung in die

Firma», sagt Franziska Tschudi über ihren Vater und fügt anerkennend hinzu,

dass er die ganze Nachfolgeregelung äusserst diszipliniert angegangen sei und

sich an die von ihm selbst gesetzten Termine gehalten habe. Die Übergabe als

Konzept mit klaren Zielsetzungen, Terminvorgaben und Übergabeplänen ist ein

Zeichen einer hohen Professionalität in der Unternehmensführung. Eine

Professionalität, die hier zu Lande aber vielen Familienunternehmen fehlt. Dass

es ihnen vor allem an den nötigen Finanzen mangelt, um sich teure Berater

oder einen erstklassigen Verwaltungsrat leisten zu können, mag stimmen

sollte aber den verantwortungsvollen Patron dennoch nicht abhalten, sich mit

den anstehenden Fragen auseinanderzusetzen: Know-how in Sachen

Nachfolgeregelung wird inzwischen von vielen Anbietern kompetent und zu

günstigen Preisen angeboten. Das Problem liegt offensichtlich woanders.

«Der Unternehmer muss die Sache konzeptionell und langfristig angehen», sagt

Fopp. Und von Moos ergänzt: «Er muss die Bescheidenheit haben, guten Rat

von aussen anzunehmen.» Ein solcher könne auch von einem guten Freund

kommen, sofern dieser in der Lage sei, die wirklich wichtigen und deshalb oft

auch schwierigen Fragen anzusprechen.

Zentrale Fragen nicht lange vor sich herschieben

Wo Alltagsprobleme ohnehin meist erste Priorität haben, werden schwierige

Fragen aber besonders gerne aufgeschoben: Kann professionelles

Management innerhalb der Familie rekurriert werden? Wie wird das künftige

Wachstum finanziert? Wie werden die Familienmitglieder abgefunden? Schaffts

der Junior wirklich? Nicht selten verharrt ein Senior aus Furcht vor emotionalen

Auseinandersetzungen untätig mitunter so lange, bis er im Chefsessel ablebt

oder sein potenzieller Nachfolger entnervt das Handtuch wirft. Franziska

Tschudi bestätigt denn auch, dass die Kommunikation bei ihnen auch unter

den Geschwistern beileibe nicht immer sanft und harmonisch gewesen sei, im

Gegenteil. Doch: «Wir haben gelernt, uns auseinanderzusetzen. Es wurde und

wird sehr viel miteinander geredet. «Hier dürfte eines der Geheimnisse der

geglückten Nachfolgeregelung liegen: In der Fähigkeit der Beteiligten, sich

schwierigen Themen zu stellen und darüber offen zu kommunizieren.

Weitere Infos:*AWA-Schriftenreihe Nr. 3, 2003: Unternehmensnachfolge Eine

betriebliche Herausforderung mit volkswirtschaftlicher Bedeutung. Bestellung:

kmudienst@vd.zh.chAndré von Moos: Familienunternehmen erfolgreich führen.

Corporate Governance als Herausforderung. Verlag Neue Zürcher Zeitung,

2003.

Ängste von Schweizer Familienunternehmen

Wachstum versus Unabhängigkeit

Die Nachfolgeregelung ist zwar eines der bedeutendsten Probleme, das

Familienunternehmen Kopfzerbrechen bereitet, aber nicht das einzige. Gemäss

einer Umfrage der Beratungsfirma Grant Thornton bei über 500 Schweizer

Familienunternehmen fürchten sich die Chefs am meisten vor einem

schlechten Geschäftsgang sowie davor, das Familienvermögen zu verlieren.

Die Zukunft der Firma liegt den Schweizern dabei offenbar mehr am Herzen als

Unternehmern anderer Länder. Dies zeigt sich vor allem darin, dass sich viele

kleine und mittlere Familienunternehmen in der Schweiz überlegen, inwiefern

ihnen Wachstum zur Existenzsicherung helfen könnte. In die Tat umgesetzt

werden die Expansionsgedanken aber selten. Grund dafür ist laut den

Studienautoren die Angst vor dem zu grossen finanziellen Risiko. Ein Grossteil

der Unternehmer bleibt zudem lieber klein, weil sie sich davor fürchten,

andernfalls die Selbstständigkeit zu verlieren. Carlo Marelli von Grant

Thornton Zürich geht davon aus, dass das Thema Wachstum für Schweizer

Unternehmen deshalb so wichtig ist, weil sie sich immer öfter gegen grössere

Konkurrenten behaupten müssen. Neben der Vermögens- und

Existenzsicherung liegt den Familienpatrons aber auch der «Familienfrieden»

am Herzen: Konflikte mit Familienmitgliedern und Geschäftspartnern versuchen

die Unternehmer möglichst zu vermeiden. Anders als bei ausländischen

Familienunternehmen sorgen sich die Schweizer besonders um negative

Auswirkungen einer Scheidung. Die Studienautoren führen es auf das neue

Ehe- und Erbrecht zurück, das der Ehefrau eine stärkere Position zuspricht als

in der Vergangenheit. Weniger wichtig ist den Schweizer Familienunternehmen

indessen, ob die Kinder Interesse an den Märkten und Produkten zeigen.

Übernimmt der Nachwuchs dennoch das Ruder, wird dessen Arbeit aber genau

beobachtet: Dabei ist die ältere Generation aber sehr unsicher, wie sie

vorzugehen hat, wenn die Kinder, schwache Leistungen erbringen. (bv)