Man solle nicht über Dinge sprechen, über die man nicht sprechen müsse, sagte uns Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke noch vor wenigen Wochen auf die Frage nach seinem Rücktritt. Nun ist die Entscheidung da, Bulcke geht, und zwar ein Jahr früher, als er müsste, auf die Generalversammlung 2026. Ein halbes Jahrhundert wird er dann bei Nestlé gewesen sein, davon neun Jahre als CEO und neun Jahre als Präsident – eine Firmentreue, die selbst den neuen Mann in Rom ins Schwärmen bringen würde.
An seine Stelle tritt Pablo Isla, Manager der internationalen Superklasse. Der Spanier hat mit Inditex (Zara, Massimo Dutti, Bershka, Oysho und Zara Home) ein Modeimperium vom Feinsten geschaffen: Verfünffachung des Filialnetzes auf mehr als siebentausend Shops weltweit, Umsatz-Doping von 6 auf 28 Milliarden Euro und ein Aktienkurs, der Nestlé-Investoren die Tränen in die Augen treiben würde.
Mode, Marken, Mikrochips – aber kein Food
Trotzdem: Fashionista statt Foodie – ob das gut kommt? Nach der durchzogenen Bilanz des Experiments «Externer» mit CEO Mark Schneider, dem der Nestlé-Stallgeruch bis zuletzt abging, ist die Frage berechtigt.
Für ein Happy End spricht vieles: Isla kommt, anders als Schneider, aus der Welt der Konsumgüter. Dass man Marken pflegen muss, muss ihm niemand erklären. Dass man Marken nicht ausbluten lassen darf, wie das unter Mark Schneider teilweise passiert ist, weiss er ebenfalls. Omnichannel-Strategie, Implementierung von RFID – das sind die Mikrochips, dank denen man in der Zentrale des Modeimperiums jederzeit weiss, in welchem Aggregatzustand sich jedes Kleidungsstück zwischen New York und Neuseeland gerade befindet –, auch bei der technologischen Preparedness des neuen Nestlé-Präsidenten stehen die Ampeln auf Grün.
Ob der Balanceakt diesmal gelingt?
Isla war nur fünf Jahre lang Verwaltungsrat in Vevey – in Nestlé-Dimensionen ist das nicht gerade eine Langzeitbeziehung. Doch fürs Thema Food hat der neue starke Mann in Vevey ja Laurent Freixe; der neue CEO steht wie der scheidende Bulcke seit Jahrzehnten im Sold von Nestlé.
Apropos Freixe: Die seit seiner Nominierung vor knapp einem Jahr immer wieder aufgetauchte Frage, ob er, mit 62 auch nicht mehr der Jüngste, ein Übergangs-CEO sei, hat sich damit geklärt. In der neuen Konstellation an der Spitze des grössten Nahrungsmittelkonzerns hat er den Part der Kontinuität zu spielen, und auf die hält man bei Nestlé bekanntlich grosse Stücke.
Die Chancen, dass die Balance zwischen Beständigkeit und frischem Wind von aussen, die bei Schneider nicht geglückt ist, diesmal gelingt, sind gut. Die Reise auf die Isla Bonita kann beginnen.