Es war eine heikle Phase, in der Felix Sulzberger im November 2001 seinen Job als CEO von Calida antrat. Seit 1999 schrieb die Luzerner Wäsche- und Pyjama-Herstellerin Verluste. Seine Vorgänger reichten sich in kurzen Intervallen die Türklinke und eben hatte sich die Miteigentümer-Familie Palmers mit einigem Getöse aus dem Unternehmen verabschiedet. Von Verwaltungsratspräsident Thomas Lustenberger euphorisch als «Wunschkandidat» gepriesen, versprach der

frischgebackene Chef sogleich kühn den Turnaround innert 12 bis 18 Monaten.

Heute, zwei Jahre später, scheint es, dass der Berner Betriebswirtschafter die in ihn gesetzten hohen Erwartungen erfüllen kann. Im ersten Halbjahr 2003 resultierte wieder ein kleiner Gewinn von 200000 Fr. «Die kritische Phase ist überstanden», sagt Sulzberger.

*Ruhe in die Firma bringen*

Am Anfang ging es vor allem um eines: Vertrauen bilden und Ruhe ins Unternehmen bringen. «Im Fussballjargon gesprochen, musste ich glaubhaft machen, dass ich nicht schon wieder ein neuer Trainer war, der bald ausgewechselt wird», erinnert sich Sulzberger. Als es um die Diskussion der Restrukturierungsmassnahmen ging, habe ihm eine Kaderfrau gesagt, sie hätte immer allen CEOs geglaubt, und ihn unverblümt gefragt: «Warum soll ich jetzt Ihnen glauben?» Er versuchte es mit Argumenten.

Zentral dafür sei sein Branchen-Know-how gewesen. Mit seiner Erfahrung bei Levi?s, Fruit of the Loom und als Europachef bei Reebok vermochte er viele auch fachlich zu überzeugen.

Von Anfang an ebenso wichtig waren für ihn die Detailkenntnisse. «Je kleiner ein Unternehmen ist, desto näher muss der CEO beim Detail sein. In unserer Branche ist das umso wichtiger. In einer Turnaround-Situation noch mehr», lautet Sulzbergers Credo.

Er habe zu Beginn auch seine Geschäftsleitung überrascht, wenn er sich bei Fragen nicht mit der Antwort «Ich kläre das ab» zufrieden gab. «Nein, das musst du wissen. Wir sind kein 2-Milliarden-Konzern», lautete dann seine Replik. «Von einem Finanzchef verlange ich Detailwissen zu den Finanzen. Ein Vertriebschef muss über den Auftragseingang von heute oder gestern Bescheid wissen», fordert Sulzberger.

Dass auch zuoberst viel Detail-Know-how vorhanden sein muss, diese Erkenntnis habe er aus den multinationalen US-Konzernen mitgenommen. Zwar beurteilt er vieles dort kritisch, aber «diesbezüglich können die Schweizer Betriebe noch viel lernen».

Als er feststellte, dass er sich in den US-Firmen zu wenig einbringen konnte, schien ein Wechsel in ein kleineres Unternehmen für ihn logisch. Und dass bei Calida just zu diesem Zeitpunkt das Ziel, endlich vom Familienunternehmen zu einem Unternehmen mit wirklichem Fremdmanagement zu werden, im Vordergrund stand, gab schliesslich den Ausschlag für seinen Stellenwechsel.

Die Aufgabenteilung zwischen der Mehrheitseigentümer-Familie Kellenberger, dem neuen Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung ist seither klar. Man habe bei Calida in der Vergangenheit zu vieles nach unten delegiert, befand der neue Chef rasch und arbeitet seither an einer neuen Unternehmenskultur. Dazu gehörte, dass Erich Kellenberger, Hauptaktionär und vormaliger VR-Delegierter, sein Büro in Sursee räumte und so ein Zeichen setzte, dass das neue Management das Sagen hat.

Die Eigenverantwortung zu fördern und mehr Dynamik ins leicht verstaubte Traditionsunternehmen zu bringen, war Sulzberger wichtig. «Die ganze Denkart war zu lange viel zu stark auf die Produktionsseite und zu wenig auf den Markt ausgerichtet», erkannte der 52-Jährige. «Es waren zwei Firmen: Hier die Produktion, dort der Vertrieb.»

Umso dezidierter verlangt Sulzberger heute, dass auch abteilungsübergreifend intensiv kommuniziert wird. Die Unternehmenskultur der Mitverantwortung versucht er auch zu fördern, indem er schon mal bewusst die Gegenposition vertritt, auch wenn sie gar nicht seiner Meinung entspricht. «Das Gegenüber wird gezwungen, zu argumentieren und die Position durchzudenken. Das wird zwar manchmal als unangenehm empfunden, hat aber zur Folge, dass Unklarheiten verschwinden», so Sulzberger.

*Management by Klartext*

Mit den schmerzhaften Einschnitten in Sursee - Schliessung der Strickerei und diesen Frühling auch Stillegung der Näherei - habe man erst die Voraussetzung geschaffen für den Weg zurück in die Gewinnzone. «Dieser Schritt hätte 10 bis 15 Jahre früher erfolgen sollen», kontert Sulzberger den Vorwurf, dass er bei Calida sogleich Abbau betrieben habe. Er legt grossen Wert darauf, dass das alles frühzeitig und sauber kommuniziert wurde und er selbst vor die Leute gestanden sei und die Pläne erklärt habe.

Monatlich einmal versammelt der Chef die beiden obersten Führungsstufen. «Wir 17 Leute haben es in der Hand, wie es mit dieser Firma weitergeht. Wenn der Markt sich verändert, ist es an uns 17, darauf richtig zu reagieren», sagt Sulzberger, der sich als sehr emotionaler Typ bezeichnet.

«Wenn ich etwas auf der Zunge habe, dann sage ich es. Eher etwas zu viel, als zu wenig», meint Sulzberger. Ist er unzufrieden, merkt man ihm das an - umgekehrt ebenso. Indem er zum Beispiel spontan eine kleine Party veranstaltet, wenn Ende Monat das Erreichte Anlass dazu gibt. «Die Mitarbeiter sollen durchaus auch an der Stimmungslage des Chefs merken, dass es dem Unternehmen besser geht», findet er.

Der Turnaround scheint geschafft in Sursee. Ist also auch bald die Zeit des Turnaround-Managers Sulzberger vorbei? - «Nein, das wäre fatal. Die weitere Begleitung während der nächsten Jahre ist sehr wichtig. Ich freue mich, Calida in zwei, drei Jahren zu sehen», sagt Sulzberger.

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