Die Villa von Patrick Firmenich steht im noblen Genfer Vorort Cologny, fünf Kilometer entfernt vom Zentrum der Rhonestadt. Ein grosser Garten schmückt das Haus. Gegen Norden grenzt es an den 18-Loch-Golfplatz, der im Ruf steht, Spielwiese der Milliardäre zu sein.

Der 56-jährige Präsident des gleichnamigen Familienkonzerns hat momentan aber kaum Zeit, das Handicap zu verbessern. Firmenich brütet über Akten und Kaufoptionen. Sein Unternehmen hat innert Kürze sieben neue Fabriken eröffnet und ein halbes Dutzend Firmen übernommen, mehrheitlich auf dem amerikanischen Markt.

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Mit der Expansion will Firmenich die Duftmarke des Genfer Milliarden-Imperiums stärken. Gleichzeitig reagiert er auf die Politik der Konkurrenz: Der ebenfalls in Genf beheimatete Duftkonzern Givaudan, die Nummer eins im Markt, hat in den vergangenen Jahren Milliardensummen in den Zukauf von Firmen gesteckt. Gleiches gilt für die New Yorker Firma IFF, die Nummer drei im Markt.

Firmenich ist die Nummer zwei. Der Umsatz beläuft sich auf 3,7 Milliarden Franken im Jahr. Patrick Firmenich führte das Unternehmen als Chef während zwölf Jahren. Vor vier Jahren stieg er in den Verwaltungsrat auf, seit 2016 amtet er als Präsident des strategischen Gremiums, dem auch Lonza-Chef Richard Ridinger angehört.

Klagen wegen Senomyx

Setzte Firmenich als Konzernchef auf organisches Wachstum, forciert er als Präsident den Ausbau mit millionenschweren Übernahmen. Sein jüngster Deal endet nun aber im Rechtsstreit. Firmenich bot den Aktionären von Senomyx 1,50 Dollar je Aktie oder insgesamt 55 Millionen Dollar. 83 Prozent der Aktionäre nahmen das Angebot an. Zwei Aktionäre, die laut Gerichtsunterlagen gemeinsam über 9000 Aktien halten, haben mit einer rechtlichen Gegenoffensive reagiert.

Es handelt sich um Sammelklagen, denen sich noch weitere Aktionäre anschliessen könnten. Das Unternehmen will sich dazu nicht äussern. Firmenich wickelt die Übernahme von Senomyx über die Tochtergesellschaft Sentry Merger Sub ab. Sentry ist in einem Fall als beklagte Partei selbst involviert. Im anderen Fall wird nur gegen Senomyx und deren Manager geklagt.

In beiden Rechtsfällen wird der Vorwurf erhoben, Senomyx habe gegenüber der US-Börsenaufsicht «falsche oder zumindest irreführende» Angaben gemacht. Die Kläger vermuten einen Interessenkonflikt bei den involvierten Investmentbanken, bemängeln die Transparenz bei der Berechnung des Firmenwerts und sprechen von «goldenen Fallschirmen» für die Manager. Sie kritisieren die Senomyx-Verantwortlichen dafür, dass die Amerikaner 3 Millionen Dollar an Firmenich hätten zählen müssen, falls der Deal nicht zustande gekommen wäre. Dies habe einen effektiven Bieterwettstreit verhindert.

Sieben Monate Verhandlungszeit 

Firmenich forderte ursprünglich sogar eine Ausstiegsklausel in der Höhe von 4 Millionen Dollar. Das geht hervor aus den Unterlagen, die Senomyx im Oktober für die US-Börsenaufsicht SEC zusammengestellt hat. Diese zeichnen minutiös nach, wie der Verkaufsprozess ablief, wann Firmenich das erste Angebot einreichte und wer die Genfer dabei beraten hat. 

Der erste Kontakt in dieser Angelegenheit datiert demnach auf Oktober 2017. Firmenich reichte seinerzeit gleich zwei Angebote ein, um die Amerikaner zu kaufen. Die Genfer boten zunächst 1,10 Dollar je Aktie und besserten dann innert sieben Tagen nach. Nunmehr bot Firmenich 1,20 Dollar je Aktie. Senomyx winkte ab. 

Patrick Firmenich

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Quelle: Vimeo

Alles neu macht der Frühling, hiess es im März 2018. Die Amerikaner reaktivierten die Standleitung zu Firmenich-Chef Gilbert Ghostine. Sie informierten den gebürtigen Libanesen darüber, dass Senomyx «strategische Optionen» prüfen wolle. Man werde anlässlich der Jahreszahlen verkünden, dass die Firma einen Finanzberater engagiert habe, der prüfen solle, welche Unternehmensteile allenfalls abgespalten würden. Ein Verkauf des ganzen Unternehmens sei auch denkbar.

Piper Jaffray als Berater

Firmenich reagierte sofort. Noch im gleichen Monat meldeten sich Vertreter der US-Investmentbank Piper Jaffray im Auftrag von Firmenich bei den Beratern von Senomyx, «um den strategischen Prozess» zu besprechen, wie es in den Unterlagen heisst. Im April wurde ein Vorvertrag unterzeichnet, der beide Parteien zur Geheimhaltung verpflichtete. Im Mai startete die erste Bieterrunde, bei der auch andere Firmen eingeladen waren, ein Kaufangebot vorzulegen.

Firmenich bot nun 1,40 Dollar je Aktie. Dem Verwaltungsrat von Senomyx war das Angebot angesichts der Produktepipeline zu tief. Die Firma experimentierte seinerzeit mit Siratose, dem Süssstoff der Mönchsfrucht. Das Produkt ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin und soll Eigenschaften haben, die selbst den Süssstoff Stevia übertreffen. Unter dem Strich heisst das: Siratose könnte Profite im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich einfahren.

Firmenich: Stiller Riese in Genf

  • Firmenich machte im Ende Juni abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,7 Milliarden Franken. Damit ist der Familienkonzern hinter der ebenfalls in Genf domizilierten Givaudan die Nummer zwei im weltweiten Markt für Düfte und Aromen.
     
  • Die Firma wurde 1895 gegründet. In den 1930er Jahren folgten Ableger in Paris und New York. 1939 erhielt der schweizerisch-kroatische Chemiker Leopold Ružička den Nobelpreis. Er pflegte enge Bande zum Firmenich-Vorläufer Chuit & Naef.
     
  • Der Duftkonzern ist voll im Besitz der Familie Firmenich. Der 56-jährige Patrick Firmenich, Vertreter der vierten Firmenich-Generation, führte die Gruppe von 2002 bis 2014 als operativer Chef und ist heute Präsident des Unternehmens.
     
  • Das Vermögen der Familie Firmenich wird von der «Bilanz» auf 6 bis 7 Milliarden Franken geschätzt. Neben Patrick Firmenich sitzen auch Michel Firmenich, Antoine Firmenich und André Pometta als Familienvertreter im neunköpfigen Verwaltungsrat.

Firmenich zuckerte nach. Im Juni lancierten die Genfer ein neuerliches Angebot. Sie boten neu 1,45 Dollar je Aktie, forderten Exklusivität bei den Gesprächen und Einsicht in Unternehmensgeheimnisse der Amerikaner. Die Genfer standen seinerzeit fast täglich in Kontakt mit den Amerikanern, die immer noch mit anderen Firmen verhandelten.

Süsse Warenprobe

Im August übergab Senomyx dann eine Siratose-Warenprobe an Firmenich. Das Muster traf offenbar den Geschmack der Westschweizer, denn Anfang September lieferte Firmenich das finale Angebot. Der Verwaltungsrat des Familienkonzerns hat erneut einer Erhöhung zugestimmt. 1,50 Dollar je Aktie bot der Givaudan-Rivale. Der Senomyx-Verwaltungsrat stimmte dem Angebot zehn Tage später «einstimmig» zu, wie die SEC-Unterlagen zeigen. Firmenich erhielt den Zuschlag, mindestens sechs Firmen gingen als Verlierer vom Platz oder hatten sich bereits früher vom Bieterstreit zurückgezogen. 

Es folgten zwei Communiqués von Firmenich: Eines kündigte den Kauf an und eines das Zustandekommen der Offerte. Die klagenden Aktionäre blieben unerwähnt. Firmenich hielt trotz der Opposition einiger Unwilliger am Plan fest, das Unternehmen von der Börse zu nehmen.

Hat Patrick Firmenich nun mehr Zeit fürs Golfen? Unwahrscheinlich. Konkurrent Givaudan legte unlängst starke Wachstumszahlen vor. Firmenich muss nachziehen und dürfte, bleibt das Tempo so hoch, schon bald die Umsatzmarke von 4 Milliarden Franken im Jahr erreichen. Affaire à suivre.