Privat esse ich sehr gerne Salami», sagt Bruno De Gennaro, Chef der Salamifabrikantin Rapelli, im Tessiner Grenzdorf Stabio. Der Beruf verderbe ihm den Appetit gar nicht.

Trotzdem, der Veredelungsprozess in der Fleischindustrie, dem grössten Zweig der Schweizer Nahrungsmittelindustrie mit 7849 Angestellten und einem Volumen von 1,6 Mrd Fr., ist nicht gerade edel für die Sinne. Auch bei Rapelli gibt es nichts zu beschönigen: Am Anfang steht das Schwein und am Ende der Salami. Doch wer dazwischen wild hackende Metzger und eine Maschinenkette, die am Ende fertige Salami ausspuckt, vermutet, sieht sich bei einem Rundgang durch die Produktionsstätte getäuscht. Die heutige Salamiproduktion ist ein hochautomatisierter Industrieprozess, verbunden mit flinkem Handwerk. Und wären nicht alle Produktionshallen von beissendem Fermentierungsgeruch der trocknenden Salami durchdrungen, könnten gar Vegetarier dieser Metamorphose eine gewisse Ästhetik abgewinnen.

Die Rapelli SA zeigt, wie sich eine mittelgrosse Traditionsfirma neben den grossen Fleischkonzernen Bell und Micarna behaupten kann (siehe Tabelle). Und wie Schweizer Nahrungsmittelfabrikanten trotz hoher Schweizer Rohstoffpreise der ausländischen Konkurrenz trotzen können, ohne die familiäre Identität zu verlieren. Rapelli gilt mit 400 Angestellten und einem Umsatz von 147,8 Mio Fr. im letzten Jahr - rund die Hälfte des Charcuterieumsatzes von Branchenleader Bell - als Marktführerin in der heimischen Produktion von Tessiner und italienischen Charcuterieprodukten.

Bei den Salamiverkäufen in der Schweiz hält die zur Orior-Gruppe gehörende Firma einen Anteil von 40%, bei Mortadella sind es gar über 70%.

*Klevere Markenstrategie*

Grund für den hohen Marktanteil ist unter anderem eine geschickte Markenstrategie, die Rapelli eine starke Präsenz bei Migros und auch bei Coop erlaubt: Seit der Lancierung der Zweitmarke Ticinella 1999 fährt das Unternehmen eine Dualstrategie. Die Salami- und Charcuterieprodukte werden bei Migros unter der Dachmarke Rapelli und bei Coop unter Ticinella vertrieben. Zwar gibt es auch andere Nahrungsmittelfabrikanten, die wie Deliciel beide Grossverteiler beliefern. Doch Rapelli verkauft den Grossen die eigenen Marken, während andere Fabrikanten die Eigenmarken für die Grossverteiler produzieren. «Neben der Produktion der M-Budget-Salami stellt Rapelli keine Eigenmarken mehr her», so De Gennaro.

Mit den zwei starken Hausmarken ist die Traditionsfirma nicht an Migros und Coop gebunden. Zudem hat De Gennaro Denner bereits im Visier und plant, auch die neuen Kanäle des deutschen Aldi und Lidl in der Schweiz zu nutzen.

Die 1929 vom Italiener Salumiere Mario Rapelli in Stabio gegründete Firma ist mit einer Produktion von jährlich 8000 t Salami, Rohpökelware, Mortadella und anderen Spezialitäten weit entfernt von einem überschaubaren Familienbetrieb. Ähnlich den Fabrikanten anderer Traditionsprodukte wie Bündnerfleisch, Lindt & Sprüngli-Schokolade und Kambly-Guetzli versucht sie den Homemade-Charakter trotz modernster Industriestandards zu bewahren. So finden einige Produktionsschritte in Reinräumen statt, die den Hygienestandards von medizinischen Operationssälen entsprechen. Die Salumieri, für die es in Italien eine spezielle Ausbildung gibt, binden die Hälfte der Salamis aber nach wie vor von Hand - 70% der Angestellten Rapellis kommen aus Italien.

Die nostalgischen Reminiszenzen in der Fabrik stehen im Kontrast zum harten Umfeld. De Gennaro nennt das grösste Handicap der Schweizer Fleischfabrikanten: «Unsere Rohstoffpreise sind doppelt so hoch wie im umliegenden Ausland.»

Doch er hat keine Wahl, als den Schweizer Produzenten treu zu bleiben: Denn die Importmengen, die in den abgeschotteten Schweizer Markt zugelassen werden, sind verschwindend klein und zudem mit Zöllen belastet. Beim Schweinefleisch macht der Importanteil am Inlandkonsum gerade mal 5% aus.

Die Tessiner lassen sich nicht beirren, wenn sie nach Worten De Gennaros mit kürzeren Spiessen gegen die billige ausländische Konkurrenz antreten. Sein Rezept heisst zum einen Produkteinnovationen. So stellt Rapelli etwa für den Convenience-Bereich fertiges Carpaccio her. Als Nächstes steht ein fettarmer Salami in der Pipeline. Zum anderen schwört der Rapelli-Chef auf Regionalität, Sensibilität für Kunden und Micromarketing. Ein Beispiel: Derselbe Salami wird für Migros-Filialen in Zürich mit mehr kleinen Haushalten für 250 g hergestellt, für das Wallis mit mehr Grossfamilien für 300 g. Laut De Gennaro fällt es den Menschen südlich des Gotthards leicht, Komplexität zu managen. Sie täten sich dafür schwerer mit Standardprozessen.

Rapelli legt zwar in einem schrumpfenden Markt weiter zu - letztes Jahr waren es 5% bei einem Betriebsgewinn (Ebit) von 8 Mio Fr. Die südländische Leichtigkeit kann aber nicht über das ungünstige Marktumfeld des Fleischwarenfabrikanten hinwegtäuschen. Der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch in der Schweiz ist seit 1987 rückläufig. 2003 waren es noch 52,3 kg pro Kopf. Die Chancen, neue Märkte zu erschliessen, sind praktisch gleich null.

«Den Export können Sie heute vergessen», sagt der Rapelli-Chef. In der Schweiz beträgt der Fleisch-Exportanteil mickrige 0,5% des inländischen Fleischumsatzes. Das Schweizer Exportfleisch Nummer eins bleibt das Bündnerfleisch, das fast die gesamte Fleischexportmenge von 1161 t (2003) ausmacht. Auch Rapellis Konkurrenten wie Traitafina wollen mit Fleisch schon gar nicht erst ins grenznahe Ausland expandieren. «Wir versuchen, vorerst mit Swissprim-Frischfleisch in Nobelhotels in Hongkong und Singapur Fuss zu fassen», erklärt Traitafina-Chef Hermann Bader.

Eine Ausnahme stellt die Berner Meinen AG dar; sie hat bereits erste Erfahrungen mit dem Exportgeschäft gemacht. Die Berner verkaufen seit Anfang Jahr Spezialitäten wie Berner Chämischinken und Schweizer Wienerli in drei deutschen Migros-Filialen. Laut Meinen-Geschäftsführer Hans Reutegger ist die Akzeptanz von Schweizer Fleischwaren bei den deutschen Kunden sehr hoch, sofern die Preise nur 10 bis 20% über der vergleichbaren deutschen Ware liegen. «Wenn wir morgen einen Rohmaterialausgleich fänden, könnten wir in kurzer Zeit grosse Mengen exportieren - die EU birgt ein Riesenpotenzial», sagt er. Unter den heutigen Bedingungen sei der Export ein Verlustgeschäft, das als Investition in die Zukunft betrachtet werde.

Um die Exporthindernisse der Schweizer Fleischverarbeiter abzubauen, fordert Reutegger, dass die Importkontingente für den Exportausgleich zur Verfügung stehen sollten. Heute fliesse die Abschöpfung aus der Versteigerung der Importkontingente in die Bundeskasse. Exporterleichterungen seien dringend notwendig, weil immer mehr ausländische Fleischprodukte auf den Schweizer Markt drängen.

Bündnerfleisch profitiert bereits heute von Exporterleichterungen. Heuer können 700 t Trockenfleisch in die EU exportiert werden - ohne Agrarzusatzabgaben, aber mit Zöllen behaftet. Der aktive Veredelungsverkehr erlaubt zudem, dass die Schweizer die Rohstoffmenge für die Exporte im Ausland zu Weltmarktpreisen beschaffen können - ohne dies wäre die Schweizer Ware für die Auslandmärkte schlicht zu teuer. Ab 2005 ist innerhalb der Bilateralen I ein zollfreies Kontingent von 1200 t vorgesehen, wie Andrea Mani vom Bündnerfleischverband erklärt. «Leider können die Bündnerfleischfabrikanten kaum davon profitieren, da die Verträge vorsehen, dass der Rohstoff aus dem EU-Raum stammt, wo es aber gar nicht genügend geeigneten Rohstoff gibt.»

Balz Horber, Direktor der Schweizer Fleisch-Fachverbände erklärt: «Die grösste Herausforderung für die Schweizer Fleischveredelungsindustrie sind die hohen Rohmaterialkosten.» Sie verhinderten die Expansion ins Ausland. «Wir sind durch die Schweizer Landwirtschaftspolitik gefesselt.»

Partner-Inhalte