Trotz aller Bemühungen um mehr Personal geht der Flughafenbetreiber Fraport kurzfristig nicht von einer Besserung der angespannten Lage am grössten deutschen Flughafen Frankfurt aus. «Das Problem wird nach vorne, obwohl wir einstellen, nicht kleiner werden. Das sage ich sehr offen», sagte Fraport-Chef Stefan Schulte.

Die zurzeit massive Störung des Betriebs wegen fehlender Arbeitskräfte werde die nächsten zwei, drei Monate anhalten. Vermutlich müssten nach den Streichungen, die vor allem die Lufthansa als Hauptanbieter in Frankfurt vorgenommen hat, weitere Flüge aus dem Programm genommen werden.

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Fraport hat nach dem Abbau von rund 4000 Beschäftigten in der Pandemie schon fast 1000 neue Mitarbeiter für Bodendienste wieder eingestellt. Selbst wenn einige Hundert neue Mitarbeiter oder Aushilfskräfte aus dem Ausland zum Einsatz kämen, bessert sich die Lage Schulte zufolge nicht. Denn wegen der hohen Belastung durch Überstunden, Sonder- und Nachtschichten sei mit einem steigenden Krankenstand im Sommer zu rechnen.

Davon abgesehen macht sich die Corona-Infektionswelle bemerkbar. Die Krankenquote bei den Bodenverkehrsdiensten liege derzeit mit 15 Prozent einige Prozentpunkte höher als gewöhnlich. Zugleich liegen die ganz starken Reisemonate mit dem Ferienbeginn in Hessen und Rheinland-Pfalz Ende Juli noch vor dem Frankfurter Flughafen.

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Reisenachfrage hat Erwartungen übertroffen

Dort kommt es vor allem bei der Gepäckausgabe zu Wartezweiten von zwei Stunden mehr. Denn Fraport priorisiere die Abfertigung für abfliegende und umsteigende Passagiere. «Uns ärgert das am meisten selbst», sagte Schulte, der wie andere Vorstandsmitglieder und rund 150 Verwaltungsbeschäftigte von Fraport derzeit bei der Arbeit auf dem Flughafen-Vorfeld mithilft.

«Wir entschuldigen uns dafür, weil es für viele Passagiere sehr schwierig zurzeit ist.» Es sei aber nun mal schwer, das sehr komplexe arbeitsteilige System Flughafen in so kurzer Zeit wieder hochzufahren. Die Stärke der Reisenachfrage habe die optimistischen Erwartungen von Fraport und vielen anderen noch übertroffen.

Statt der erwarteten 70 bis 75 Prozent des Vorkrisenniveaus seien es derzeit 80 bis 85 Prozent zum Teil. Zu Spitzenzeiten sei der Andrang so hoch wie vor der Pandemie. «Das hat uns schon überrascht. Da gebe ich offen zu, dass wir falsch gelegen haben.»

Ende des Sparkurses

Die Personalvertretungen der Lufthansa haben in einem Brandbrief an den Aufsichtsrat ein Ende des Sparkurses und des aus ihrer Sicht herrschenden Missmanagements gefordert. Der Aufsichtsrat müsse auf eine konstruktive Personalführung hinwirken, bei der Wertschätzung «nicht in Floskeln endet, sondern auch so gemeint und gelebt wird», heisst es in einem Brief an das Gremium, der Reuters am Mittwoch vorlag.

Die Geschäftsführung müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit alle Mitarbeiter der Fluggesellschaft wieder zu maximaler Leistung bereit wären. Der Aufsichtsrat tagt auf Antrag der Arbeitnehmerseite in einer Sondersitzung, um über die angespannte Lage mit Personalmangel, Streichungen oder Verspätungen von Flügen zu beraten.

Die Personalräte von Beschäftigten am Boden, in Cockpit und Kabine werfen dem Management vor, ein imageschädigendes Flugchaos durch zu harten Personalabbau selbst mit verursacht zu haben. Die Lufthansa wollte zu dem Brief keine Stellung nehmen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr verweist als Ursachen für das derzeit herrschende Flugchaos in erster Linie auf Probleme der Flughäfen und Bodendienste. Er entschuldigte sich kürzlich dafür, dass die Lufthansa selbst an der ein oder anderen Stelle zu viel gespart habe. Die Mitarbeitervertretungen zeichnen derweil ein verheerendes Bild der Lage bei der Airline.

Verhältnis zu Mitarbeitenden stark belastet

Fast überall sei nach dem Stellenabbau, zu dem sich die Lufthansa wegen des Geschäftseinbruchs in der Corona-Krise gezwungen sah, zu wenig Personal an Bord für die starke Geschäftserholung in diesem Sommer.

Der Ärger über das Management ist dem Schreiben zufolge gross: Seit Jahren sei das Verhältnis des Konzernvorstandes zu seinen Beschäftigten belastet und nach Kündigungsdrohungen nachhaltig beschädigt.

In dem Brief lehnen sich die Repräsentanten der Beschäftigten gegen den Sparkurs auf, den das Management mit Blick auf ein Renditeziel von mindestens acht Prozent bis 2024 verfolgt. Dafür sollen 1,8 Milliarden Euro Personalkosten eingespart werden, wovon ein Grossteil schon umgesetzt ist.

Personalvertreter und Gewerkschaften sollten «zur Kapitulation gezwungen werden», um die Kosten zu drücken, warfen die Personalvertreter dem Management vor. «Gerade das angeblich viel zu teure Personal hat in der Vergangenheit alle durch den Sparwahn hervorgerufenen Missstände ausgebügelt und vor dem Kunden kaschiert», hiess es in dem Brief weiter.

Dazu sei das Personal nicht mehr in der Lage. «Ein Dienstleistungsunternehmen, welches in dieser Art und Weise gegen das eigene Personal geführt wird, hat keine Zukunft.»

(reuters/ske)