Hinter dem Firmensitz von Forster Rohner ist ein Bauprojekt ausgesteckt. Der Hauptsitz des St. Galler Stickereiunternehmens soll abermals erweitert werden, nachdem bereits in den letzten Jahrzehnten mehrfach an- und umgebaut wurde. Das Bewilligungsverfahren läuft. 

Der Neubau ist Symbol für eine wechselvolle Zeit im Familienunternehmen. Anfang des Jahres verliess der langjährige Leiter der Abteilung für innovative Textilien die Firma, er ging zur ETH Zürich. Forster-Rohner-Chefin Caroline Forster hat übernommen.

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Gleichzeitig forcierte Emanuel Forster – die beiden leiten die Firma gemeinsam – den Aufbau des neuen Standortes in Bosnien, änderte die Statuten, löschte jahrzehntealte Bestimmungen und die Zeichnungsberechtigung von Erika Forster.

Die Alt-Ständerätin und Wegbereiterin der FDP-Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter hat nach sechs Jahren den Rücktritt aus dem Verwaltungsrat beantragt. Sie war die letzte Vertreterin der dritten Familiengeneration.

Mekka der Stickerei 

Nunmehr ist Forster Rohner voll in der Hand der vierten Generation. Der 42-jährige Jurist Matthias Forster präsidiert das Unternehmen. Seine beiden Geschwister, der 44-jährige Emanuel Forster und die 38-jährige Caroline Forster, sitzen ebenfalls für die Familie im fünfköpfigen Gremium. Ihr bislang grösster Coup ist der Zukauf der St. Galler Traditionsfirma Jakob Schlaepfer vor fast drei Jahren. 

Lange Tradition

  • Um 1910 war die Stickereiproduktion mit 18 Prozent der grösste Exportzweig der Schweizer Wirtschaft. Über 50 Prozent der Weltproduktion kam aus St. Gallen. Die Stadt in der Ostschweiz war eine der reichsten in ganz Europa. Dann kam der erste Weltkrieg.
     
  • Die Firma Forster Rohner geht zurück auf das Jahr 1904 – die Blütezeit der Stickerei. In den 1930er-Jahren begann die Zusammenarbeit mit den Haute-Couture-Häusern in Paris, Mailand und New York. Mitten im Zweiten Weltkrieg, Anfang der 1940er-Jahre, übernahm die zweite Forster-Generation das Steuer beim Stickereiunternehmen.
     
  • 1965 übernahm die dritte Generation. Bekanntester Vertreter: Ueli Forster. Zwei seiner vier Kinder sind heute operativ im Unternehmen, ein drittes im Verwaltungsrat. Die Firma gehört voll dem Familienzweig von Ueli Forster. Die in der Firma engagierten sind massgeblich beteiligt am Unternehmen.
     
  • Zu den prominenten Kunden zählen: Pippa Middleton, Amal Clooney, Michelle Obama, Beyoncé.
     
  • Die berühmten Rohner-Socken stammen nicht mehr von der Firma Forster Rohner, sondern von der Jacob Rohner Socks AG in Balgach. Das Unternehmen gehört über ein Firmengeflecht seit 2000 der Kreuzlinger Familie Lion. Seit diesem Jahr gehört auch die Badehosemarke Lahco zur Sockenfirma.

Die Edelstickerei ist in den Bereichen Pailletten, Druck und Laser eine Firma mit Weltruf. Der Grossteil der rund fünfzig St. Galler Mitarbeiter von Jakob Schlaepfer zügelte wenige Monate nach Vollzug des Kaufs in ein Provisorium am anderen Ende der Stadt. Der Forster-Rohner-Neubau soll ihr neues Büro werden.

Der Kauf von Jakob Schlaepfer war auch Grund für den dritten internationalen Ableger von Forster Rohner. Vergangenes Jahr startete die Firma den Betrieb einer neuen Produktionsstätte in einem Vorort Sarajevos. Über vierzig Personen sind mittlerweile bereits in Bosnien angestellt, wie Emanuel Forster sagt. 

Der 44-Jährige trägt ein modisches blaues Jackett, darunter einen Rollkragenpullover. Auf Hemd und Krawatte, wie Vater Ueli Forster als Präsident von Economiesuisse täglich trug, verzichtet er. Emanuel Forster ist hochgewachsen, spricht ruhig, duzt die Angestellten und zeigt nicht ohne Stolz das Archiv der Firma.

Audrey Hepburn im Givenchy-Kleid

Dort lagern sämtliche Kreationen seit Ende der vierziger Jahre in Bildbänden. Forster greift zufällig ins Regal, erwischt das Jahr 1953 und schlägt das Buch in der Mitte auf. Auf der linken Seite ist eine Fotografie von Audrey Hepburn in einem Kleid der ersten Givenchy-Generation, auf der rechten Seite ein Stoffmuster: Schneeglöckchen auf grünem Grund. Gestickt in St. Gallen

Bildband aus dem Forster-Rohner-Archiv

Bildband aus dem Forster-Rohner-Archiv: Das Kleid stammt aus der ersten Givenchy-Kollektion.

Quelle: Marc Iseli

Das Archiv ist historisches Gewissen und Quelle der Inspiration für Designer aus Italien, Frankreich, Grossbritannien oder Japan. Direkt daneben rattern die Maschinen. 24 Stunden am Tag produzieren die lautstarken Geräte Spezialanfertigungen für Kunden wie Dior, Calvin Klein oder Tommy Hilfiger.

In industriellen Dimensionen wird nur im Ausland produziert. Neben Bosnien führt Forster Rohner einen Ableger in China und Rumänien. Osteuropa steht unter der Leitung von Caroline Forster. Sie übernahm bereits mit 26 Jahren die erste Chefposition im Familienimperium und sitzt seit einiger Zeit auch im Vorstandsausschuss von Economiesuisse.

Fünfte Generation 

Stimmen aus dem Wirtschaftsverband loben ihr politisches Auftreten. Für sie selbst ist es ein Fortführen der Familientradition. Sie versteht sich als weibliche Stimme und als Fürsprecherin der kleinen und mittleren Unternehmen im Land – trotz der Grösse und der Internationalität von Forster Rohner. «Wir leben die Kultur eines KMU», sagt die Urenkelin des Firmengründers. «Wir sind Unternehmer.» 

Das meint sie ernst. Im Sommer hat Caroline Forster ihr erstes Kind zur Welt gebracht. «Und ich habe es fertiggebracht, die Geburt genau auf den ersten Betriebsferientag zu legen», witzelt die 38-Jährige.