Der nächste Winter kommt bestimmt. Genauer: Er ist schon da! Bei Fritschi im Kandertal stapeln sich jedenfalls die Skibindungen bereits jetzt zu Türmen. Jeweils im Juli, wenn hier zu Lande die Strandbäder locken, verlassen die Hightech-Fussraster des Familienunternehmens gleich palettenweise die Lagerhalle in Richtung Übersee. Das Geschäft auf dem alten Kontinent, vorab in den Alpenländern, kommt dann mit einiger Verzögerung im September so richtig in Fahrt. Die von Fritschi vollumfänglich in der Schweiz hergestellten Bindungen gehen mittlerweile in 32 Länder, darunter in so exotische Skistationen wie den Libanon oder den Iran. Der Marktanteil des 1960 gegründeten Betriebes beläuft sich im Segment Tourenbindungen, dem eigentlichen Kerngeschäft, inzwischen auf über 70%. Was bedeutet, dass drei von vier Tourenskifahrern in Fritschi-Bindungen über Schnee und Firn stapfen. Und das weltweit.

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In der Schweiz produzieren

So sind es denn vor allem die Tiefschneefans und Skiwanderer, denen der Name Fritschi geläufig ist. Der gemeine Pistenflitzer hingegen ist nach wie vor meist in einer Bindung der grossen Hersteller wie Salomon, Tyrolia, Marker oder Rossignol/Look unterwegs. Das allerdings stört bei Fritschi niemanden wirklich. Denn im kleinen Dörfchen Reichenbach weiss man ganz genau, was man kann und wo man hingehört. «Um mit den internationalen Branchenleadern im Alpinsektor ernsthaft mithalten zu können, müssten wir wie diese in Billigländern produzieren, das aber wollen wir ganz bestimmt nicht», führt Stefan Ibach aus. Er, der Geschäftsführer, hat die operativen Geschicke des Unternehmens vor zwei Jahren übernommen. Die namengebende Familie Fritschi ist auf anderer Ebene in das Geschehen involviert; die Söhne des Firmengründers Albert Fritschi, Christian und Andreas, sitzen im Verwaltungsrat. Und dieser fokussiert die unternehmerische Tätigkeit ganz klar auf die Herstellung von qualitativ hochwertigen und innovativen Bindungssystemen für Tourenfahrer und Freerider. Allerdings: Mit dem Boom des Carvings auf den planierten Pisten hat sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auch das Berner KMU in den Alpinsektor vorgewagt. Das äusserst leichte Modell «Rave» komplettiert die ständig überarbeitete und spezifizierte Angebotspalette.

300 bis 400 Bindungen fabriziert Fritschi täglich. Die verschiedenen Einzelteile (160 davon werden benötigt) bezieht der grösste Arbeitgeber am Ort von kleinen und mittelgrossen Herstellern im Inland. «98% unserer Wertschöpfung findet in der Schweiz statt», betont Stefan Ibach, der vom Standort Berner Oberland felsenfest überzeugt ist. Die vor fünf Jahren in Reichenbach neu errichtete Firmenzentrale, in der sowohl die administrative Abteilung als auch Produktion, Planung und Qualitätskontrolle untergebracht sind, ist nicht zuletzt als Bekenntnis zum schmalen Wirtschaftsraum Kandertal zu verstehen. Der Grossteil der 50 Mitarbeiter lebt denn auch in einem Umkreis von einigen wenigen Kilometern.

Aus der Not in die Tugend

Das Aushängeschild von Fritschi trägt den Namen «Diamir», was zu Deutsch so viel bedeutet wie «König der Berge». Über 400 Fr. kostet so ein modernes Monarchenpaar, dafür besticht das Bindungssystem durch sein relativ geringes Eigengewicht (wer will schon kiloweise Ballast an den Füssen den Berg hinauf schleppen?), durch seine Stabilität, Zuverlässigkeit und den so genannten Ein-Aussteige-Komfort, der mittels Stockdruck bewerkstelligt wird. Seit 1995 auf dem Markt, gelangt «Diamir» inzwischen in vierter Generation in den Handel. Ausgelegt sind die Bindungen auf eine Gebrauchszeit von sechs bis acht Jahren wobei lediglich das Design dannzumal als veraltet gilt, nicht aber die Technik oder gar der Sicherheitsaspekt.

Dass Fritschi überhaupt auf die Tourenbindung kam, ist nicht zuletzt auf einen für das Unternehmen wenig erfreulichen und umso epochaleren Umbruch zurückzuführen. Anfang der 90er Jahre nämlich lief ein langjähriger Auftrag der Schweizer Armee über 70000 Tourenbindungen FT88 aus. Die Gebrüder Fritschi spezialisierten sich daher im Stil eines Nischenplayers auf Plattenbindungen für Snowboards (heutzutage kaum mehr anzutreffen und von Fritschi auch nicht mehr produziert), später auf «Diamir».

Innert kürzester Zeit war die damalige Weltneuheit, die sowohl mit herkömmlichen Ski- als auch mit Tourenschuhen genutzt werden konnte und bei einem allfälligen Sturz nach vorne wie nach beiden Seiten auslöste, in den Sportgeschäften ausverkauft. Die nach der Südwestflanke des Himalaya-Gebirges Naga Parbat benannte Bindung mit dem einfachen wie effektiven Vierstufen-Steigsystem bescherte ihrem Erfinder und Hersteller neuen Schwung. Mit der Bekanntgabe genauer Zahlen allerdings hält sich Stefan Ibach zurück. Schliesslich gebe es solche auch von der Konkurrenz nicht. Nur so viel: Jährlich werden weltweit rund 120000 Touren- und Freeridebindungen verkauft. Bei den drei Vierteln Marktanteil kommt da für Fritschi einiges zusammen.

Preisgekröntes Harscheisen

Auf dem Berggipfel auszuruhen angesichts des guten Geschäftsganges (15 Mio Fr. Umsatz), beabsichtigt man bei Fritschi nicht. Denn wer die Ansprüche der Kunden nicht wahrnimmt, der ist schnell weg vom Fenster. Das hat das Beispiel eines Konkurrenten gezeigt, dessen Zahlen innert weniger Jahre in den Keller gesackt sind, wohl deshalb, weil kaum Neues lanciert wurde und Fritschi genau in diese Lücke gesprungen ist.

Innovation ist das Mittel, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Nicht ohne Genugtuung verweist Ibach im Entrée des Geschäftshauses auf eine Auszeichnung, die Fritschi mit dem neuen Harscheisen «Axion» an der letztjährigen Fachmesse Ispo in München eingeheimst hat. Das praktische und ohne mühsames Aus- und wieder Einsteigen zu aktivierende Harscheisen bewährt sich laut Ibach bestens, sowohl was den Absatz als auch den Einsatz im Winter anbelangt. Und dieser, der nächste Winter, dürfte im Übrigen tipptopp werden. «Der Sportfachhandel ordert wieder vermehrt Skiartikel», weiss der Fritschi-Chef, «das bedeutet, dass es wohl genügend Schnee geben wird.»

Firmen-Profil

Name: Fritschi AG Swiss Bindings, Hauptstrasse, 3713 Reichenbach BE

Gründung: 1960 durch Albert Fritschi

Geschäftsleitung: Stefan Ibach, Geschäftsführer

Umsatz: 15 Mio Fr.

Beschäftigte: 50

Produkte: Bindungssysteme für Tourengeher, Freerider und Alpinskifahrer

Internet: www.fritschi.ch