Der Eintritt des grössten Schweizer Detailhandelsriesens bringt den engen Markt der Gastronomie-Zulieferer heftig ins Schwanken. Bis Ende Jahr gewinnt Scana ein umfangreiches Kundensegment: Alle 206 M-Restaurants, aber auch Migros-Klubschulen und Fitnesszentren werden von der Scana Lebensmittel AG bedient. Und in Zukunft sollen alle Grosslieferungen der Migros für Gaststätten und institutionelle Gastrobetriebe bei der Scana konzentriert werden.

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Der orange Riese hat den Grosskundenbelieferer Scana vor einem Jahr gekauft, um für seine Produktionsbetriebe neue Absatzkanäle wie Restaurants, Hotels, Spitäler, Altersheime oder Kantinen zu öffnen. Wachstumspotenziale, die Migros bisher verschlossen waren. «Schliesslich will der Hotelier einer Nobelherberge nicht, dass vor seiner Türe ein Migroswagen vorfährt, da wirkt ein Scana-Lastwagen neutraler», erklärt ein Migros-Kadermann.

Neue Kunden sind für Scana dringend nötig. Denn der Umsatz stagniert bei rund 200 Mio Fr. Anfang Jahr hatte sie einen wichtigen Absatzkanal verloren: Die SV-Group, der grösste Gemeinschaftscaterer mit rund 340 Betrieben in der Schweiz, wechselte ganz zum Konkurrenten Pistor. Dabei spielten die Preise keine Rolle, weil es keine wesentlichen Unterschiede gab, heisst es bei der SV-Group. Der Gemeinschaftsverpfleger wollte sich ab 2003 auf einen einzigen Partner konzentrieren und entschied sich für die Pistor, weil er von deren «technologischem Knowhow im Bereich der Warenbewirtschaftung beeindruckt ist», wie SV-Group-Sprecherin Silvia Schnidrig erklärt.

Einen weiteren Aderlass erlitt Scana durch die aggressive Expansionspolitik der Coop. «Nachdem sich der Migros-Konkurrent die Epa und die Waro einverleibt hatte, wechselten deren Restaurants zum Grosshändler Howeg, einer Tochter der Bon-appétit-Gruppe», sagt Scana-Unternehmensleiter Walter Hilti.

Bon-appétit-Tochter Howeg verliert Umsatz

Trotzdem wurde Howeg durch die Umwälzung am Markt am härtesten getroffen. Der zweitgrösste Gastro-Zulieferer hat den Schlüsselkunden Migros verloren. Der Umsatz reduzierte sich im ersten halben Jahr 2003 um 3% auf 124,6 Mio Fr. Aber auch der intensivere Wettbewerb durch Pistor macht Howeg zu schaffen. Als weitere Gründe für den sinkenden Umsatz führt Bon-appétit-Chef Alain Caparros den Rückgang der Übernachtungen in der Hotellerie, die tieferen Umsätze in den Restaurants und den Trend zur Heimverpflegung an.

Bereits hat Howeg erste Massnahmen zur Restrukturierung eingeleitet: Tourenplanung und Logistik sollen optimiert und der Beratung von Gastronomiebetrieben mehr Gewicht eingeräumt werden. Zur Unterstützung hat Caparros aus Frankreich seinen Kollegen Gérard Rog geholt. Rog hat zuvor mit Caparros beim französischen Belieferungsgrosshändler Aldis Service Plus gearbeitet, einem Joint Venture zwischen Bon appétit und Metro.

Pistor gewinnt

Zulegen konnte dagegen der grösste Schweizer Zustellgrosshändler: Die Pistor rechnet bis Ende Jahr mit einer Zunahme des Gesamtumsatzes von 4,5% gegenüber dem Vorjahr. Letztes Jahr betrug der Umsatz 484,3 Mio Fr. Rund 75% der Pistor-Kunden sind Bäckereien. Der Backwarenspezialist hat im laufenden Jahr sein Sortiment weiter ausgebaut und will nächstes Jahr auch im Gastro-Segment weiter Marktanteile hinzugewinnen. 2004 soll zudem das Handelsgeschäft von Patiswiss übernommen werden. Diese beliefert Confiserien.

Noch hat die neue Marktsituation Pistor nicht geschadet. Doch das könnte sich bald ändern. Pistor-Firmenleiter Jürg Waeffler meint: «Kurzfristig ist die Übernahme von Scana durch Migros für uns nicht spürbar, da der Markt noch genügend gross und dynamisch ist.» Besorgt fügt er aber an: «Mittelfristig ist die Entwicklung aus volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Gründen kritisch zu beurteilen, dass grosse Detailhändler und Produzenten nun auch im Lebensmittel-Grosshandel eingestiegen sind.»

Scana-Chef Hilti ist trotz Umsatzstagnation optimistisch: «Wir sind sehr erfolgreich und haben neben Migros andere neue Kunden wie Jugendherbergen und viele Einzelbetriebe gewonnen.» Hilti weist stolz auf eine unabhängige Umfrage bei 10 000 Wirten, 4400 Hoteliers und 2000 Entscheidungsträgern der Gemeinschaftsgastronomie hin. Dabei schnitt Scana bei den Restaurants, Stadthotels, Personalrestaurants und Heimen bei den Zulieferern vor Howeg und Pistor am besten ab.

Scana stagniert, rechnet aber für 2004 mit Wachstum

Für nächstes Jahr rechnet Hilti mit einem markanten Wachstum, denn Scana will ihr Sortiment ausweiten und in Zukunft auch tiefgekühlte Produkte anbieten. Bereits laufen dazu Testverkäufe im Grossraum Zürich.

Seit kurzem stehen in den Scana-Lagerhallen in Regensdorf und Romanel neben Hilcona-, Hero- oder Knorrprodukten und vielen anderen Markenartikeln auch Waren von Migros: Reis, Teigwaren, Kaffee und Getränke dezent verpackt ohne aufgedruckte Migroslabels. So schlägt der Trend zur Konzentration vom Detailhandel auch auf den Markt der Gastro-Zulieferanten durch ganz heimlich, still und leise.