Management

Ghostwriting Was in Deutschland längst etabliert ist, fristet in der Schweiz ein Schattendasein: Das Ghostwriting durch Redenschreiber wird noch kaum genutzt oder sehr diskret. Dabei hätte die hiesige Redekultur mehr Profis dringend nötig.

Es ist ein bisschen wie beim Geheimdienst», beschreibt der Brugger Kommunikationsberater Roland Müller die Schweizer Ghostwriter-Szene: «Keiner weiss, wer was tut.» Die Intransparenz hat Gründe: Erstens fehlt in der Schweiz ein Verband und damit auch eine professionelle Plattform der Redeschreiber, und zweitens hängt kein Auftraggeber an die grosse Glocke, dass er seine Reden schreiben lässt. Unter Politikern insbesondere Stadträten grösserer Schweizer Städte längst üblich: Fachpersonen aus dem Stab, die Daten und Hintergründe liefern, übergeben sie in Form einer fertigen Rede. In Wirtschaftskreisen werden dagegen selten externe Redenberater zugezogen. Einerseits gilt es hier zu Lande als unfein, sich mit fremden Federn zu schmücken was offensichtlich auch für Produkte aus fremden Federn gilt.

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Der Einwand, Reden wirkten unpersönlich, wenn der Redner sie nicht selbst geschrieben habe, wirkt dagegen absurd: Die allermeisten Sprechakte in Wirtschaftskreisen scheinen sich um Unpersönlichkeit geradezu zu bemühen. Insider vermuten andere Gründe für das Fehlen eines Ghostwriting-Marktes: Viele Manager haben Angst vor Klartext und die wenigsten von ihnen wissen, wie ihnen ein Berater überhaupt nützen könnte. Und die meisten unterschätzen das Potenzial einer guten Rede: Sie ist eine einzigartige Gelegenheit, seinen Zuhörern einen Beweis zu liefern für Integrität, Urteilskraft, Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit, Fachwissen, Humor kurz: Rückgrat und Charakter.

Das grosse Gähnen

Reden am Fernsehen und auf Pressekonferenzen täglich bewiesen gelten hier zu Lande als Pflichtprogramm und werden dementsprechend lieb- und fantasielos abgespult. Wo bleiben Charme, Esprit, Witz, Biss? Von Redekultur keine Spur. Mit mangelnder Übungsgelegenheit kann sich kein Firmenchef herausreden der Anlässe gibt es viele: Pressekonferenzen, interne Firmenanlässe, Kongresse, Jubiläen oder Festreden. Ein Thema wählen, ein paar Gedanken zu Blatt bringen und sie während des Sprechens mit Anekdoten anreichern dieses Rezept ist so häufig wie erfolglos.

In Texten, die Menschen wirklich anzusprechen vermögen, steckt Geist drin warum darf er nicht aus einer externen Quelle stammen? Ulrich Bollmann, Präsident des Bundes Schweizer PR-Agenturen, versteht die Zurückhaltung vieler Manager, einen freien Redeschreiber zu engagieren: «Diese Arbeit setzt intensive Kenntnisse der Person und des Umfelds voraus, es ist ein Vertrauensverhältnis keine Dienstleistung, die man irgendwo einkauft.» Ghostwriting habe als Teilbereich im Rahmen einer Gesamtberatung durchaus seinen Stellenwert, davon alleine lebe aber wohl niemand.

«Ideal für beide Seiten ist eine langjährige Zusammenarbeit», bestätigt der selbstständige Redenberater Jürg Raissig und erklärt, was einen guten Ghostwriter ausmacht: «Er hat ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, er hat sein Fachgebiet und er kennt seine Grenzen.» Ein professioneller Schreiber

-beschafft und recherchiert Hintergrundwissen;

-berät den Redner in Textdramaturgie und Rhetorik;

-hilft dem Redner, die Rede einzuüben;

-definiert das Kommunikationsziel und formuliert die passende Botschaft;

-bringt Ideen für künftige Reden und entwirft ein Konzept für die persönliche Öffentlichkeitsarbeit seines Auftraggebers;

-lektoriert Texte des Auftraggebers, rundet sie ab oder bereichert sie.

Reden ist Führen

Im Gegensatz zu hauseigenen Textlieferanten oftmals jüngere Angestellte aus dem näheren Umfeld des Chefs könne der selbstständige Schreiber freier und ungezwungener auftreten. Ein unverkrampftes Verhältnis zum Redner verbessere die Chance, tatsächlich als Berater tätig zu werden. Welcher Angestellte traut sich schon, seinem Vorgesetzten zu sagen, dass er undeutlich spricht und zu viele «Ähs» bemüht?

«Die Schweizer Redekultur in Firmen ist kein Ruhmesblatt», konstatiert Martin Zenhäusern, geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur Zenhäusern & Partner. «Insbesondere die interne Kommunikation ist ein Mauerblümchen.» Das Potenzial des direkten Dialogs innerhalb der Firma wird offensichtlich unterschätzt. Richtig eingesetzt, schafft er bei der Belegschaft einen Sympathiebonus. Nichtssagende, uninspirierte Ansprachen dagegen resultieren in Vertrauensverlust. Langsam zeige sich der Einfluss der amerikanischen Kommunikationskultur, ist Zenhäusern überzeugt. «Der Druck, eine Botschaft richtig rüberzubringen, wächst.» Führungskräften, die häufig Reden halten müssen, rät er, sich folgende Fragen zu stellen: «Was ist meine Botschaft und wie will ich sie ausdrücken? Welches Instrument ist das beste dafür?» Vielfach lohne es sich, die eigene gute Idee von einem erfahrenen Berater begutachten zu lassen. Den Mut, zur eigenen Überzeugung zu stehen, müssen sie allerdings selbst aufbringen.

Könnte es sein, dass viele Manager sich davor scheuen, Klartext zu reden, weil sie befürchten, nachher beim Wort genommen zu werden?

Seminar

Reden schreiben

Der Texterverband Script bietet im nächsten Jahr erstmals eine Ausbildungsveranstaltung an: «Redenschreiben unser Beruf». Das von Jürg Raissig geleitete, zweitägige Seminar richtet sich an Texter und andere Berufsschreiber, aber auch an Interessierte aus Konzernstäben, Verbandssekretariaten oder PR-Agenturen und an Führungskräfte, die ihre Performance als Redner verbessern möchten. Es wird an verschiedenen Orten und Terminen durchgeführt, erstmals am 6. und 7. Februar in Baden.