Ende Juni war es so weit: Antramups, das Medikament gegen Magenerkrankungen, verlor in der Schweiz den Patentschutz. Das Präparat von AstraZeneca erzielte im letzten Jahr einen Umsatz von 82 Mio Fr; das bedeutet Rang eins unter den Medikamenten. Mindestens sechs Generikafirmen standen in den Startlöchern, um mit einem deutlich günstigeren Nachahmerpräparat auf Umsatzjagd zu gehen: Medika, Ecosol, Schönenberger, Mepha, Spirig und Helvepharm.

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Und die ersten Zahlen zeigen: Die Generika haben dem Originalpräparat schon im Juli über 20% Umsatz weggenommen. So etwas hat die Pharmaindustrie in der Schweiz noch nicht erlebt. In der Regel gelingt es einem Generikum, im ersten Jahr einen Marktanteil von 10% zu gewinnen. Und dann dies: Über 20% im ersten Monat!

AstraZeneca bestätigt die Entwicklung: «Seit Juni stellen wir eine spürbare Zurückhaltung bei den Grossisteneinkäufen fest», sagt Rolf Zwygart, Sprecher des Pharmaunternehmens. Die neu lancierten Generika sind allesamt zwischen 30 und 60% günstiger als das Originalpräparat Antramups (siehe Grafik).

Den grössten Launch in der Firmengeschichte erlebte die Baselbieter Generikafirma Mepha, die Nummer eins in der Schweiz. Auf Anhieb eroberte ihr Generikum Omezol einen Marktanteil von 16,6%. Die Verkaufszahlen betrugen im Juli knapp 2,4 Mio Fr. Selbst wenn zu Beginn primär die Lager der Grossisten, Apotheker und Ärzte mit den günstigen Generika aufgestockt werden und deshalb die Grössenverhältnisse nur bedingt aussagekräftig sind, lässt sich eines mit Sicherheit sagen: Der Wettbewerb unter den Nachahmerfirmen ist voll entbrannt.

Tatsächlich gab es in der Schweiz noch nie einen derart fulminanten Launch eines Generikums. Für die grösste Konkurrentin von Mepha, Ecosol, waren die ersten Zahlen «ein Schock», wie Marketingleiterin Patrizia Peghini Henkel gesteht. Ecosol kam nicht einmal auf einen Viertel des Mepha-Umsatzes. Die übrigen Firmen mussten sich im ersten Monat mit Brosamen abfinden. Nun sind sie entsprechend sauer. Und ihre Vorwürfe an die Adresse der Mepha sind hart: «Es ist uns bekannt, dass Mepha im grossen Stil illegale Konditionen gewährt hat», sagt Peter Huber, Marketingleiter von Spirig. Die Pharmaverkäufer der Mepha hätten den Apothekern und selbstdispensierenden Ärzten Warenboni von 30 bis 100% offeriert, behauptet Huber.

Zum Schaden der gesamten Branche

Ins gleiche Horn bläst sein Konkurrent Reto Brändli, Geschäftsführer von Schönenberger Pharma, der Novartis-Tochter. «Der Aussendienst der Mepha hat die Marktmacht mit illegalen Mitteln erkauft.» Ein solches Vorgehen schade der gesamten Branche der Generikahersteller, sagt Brändli. Nachdem die Pharmaindustrie während Jahren Ärzte und Apotheker mit Boni und Rabatten bei Laune gehalten hat, sind es nun offenbar die Generikahersteller, welche das gleiche fragwürdige Unterfangen praktizieren. Der Unterschied zu früher ist der, dass heute das Heilmittelgesetz diese Praktiken ausdrücklich untersagt.

Der Zürcher Apotheker Peter Winkelried bestätigt die illegalen Angebote, die im Juli auf seinen Tisch flatterten. Er selbst führt die erste Generika-Apotheke und kennt die Szene entsprechend gut. Die Pharmaverkäufer von Mepha haben sich darauf berufen, dass laut ihrem Chef Andreas Bosshard das Gewähren von Boni und Rabatten im Juli zulässig war, da das Mepha-Präparat zwar von Swissmedic zugelassen war, aber vom Bundesamt für Sozialversicherung noch nicht die Kassenzulässigkeit erhalten hatte. Die Stadelhofen Apotheke in Zürich bestätigt diese Interpretation des Gesetzes und die agressiven Verkaufsmethoden des Pharmaaussendienstes. Die Kassenzulässigkeit erhielt Omezol erst am 1. August.

Mepha selbst beruft sich gegenüber der «HandelsZeitung» auf ein Rechtsgutachten, wonach «einmalig gewährte Warenrabatte bei Generika-Einführungen gemäss Heilmittelgesetz grundsätzlich zulässig sind, sofern diese noch nicht kassenzulässig sind.»

Verbot gilt für alle

Diese Interpretation des Gesetzes ist jedoch falsch. Das Gewähren von Boni und Rabatten ist gemäss Artikel 33 Heilmittelgesetz verboten. «Dieses Verbot gilt für alle Medikamente, ob sie kassenzulässig sind oder nicht», sagt Andreas Balsiger, Leiter Rechtsdienst bei Swissmedic. Im konkreten Fall ist die Sachlage klar: Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, «handelt es sich um einen klaren Verstoss gegen das Heilmittelgesetz», sagt Swissmedic-Chef Klaus-Jörg Dogwiler. «Wir werden der Sache nachgehen.»

Die im Rechtsdienst personell unterdotierte Arzneimittelbehörde ist im Moment daran, eine Auslegeordnung zum strittigen Art. 33 Heilmittelgesetz zu machen. «Das Problem bei diesem Korruptionstatbestand sind weniger die Rabatte an sich, sondern dass diese nicht an die Patienten weitergegeben werden», sagt Balsiger.

Tatsächlich sind handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte laut Gesetz zulässig; Voraussetzung ist, dass sie sich direkt auf den Preis auswirken, d. h. an den Konsumenten bzw. die Sozialversicherung weitergegeben werden. Dies ist jedoch nie der Fall. Deshalb machen sich letztlich alle Apotheker und Ärzte strafbar, die solche Warenboni annehmen und nicht weitergeben. Andreas Bosshard von Mepha sieht dies anders: «Mit dem einmaligen Warenrabatt wurde der Aufwand abgegolten, den Ärzte und Apotheker hatten, um sich und die Patienten mit Omezol vertraut zu machen und auf das günstigere Generikum umzustellen.»

Der harte Preiskampf der Generikahersteller führte im aktuellen Fall nicht nur zu illegalen Praktiken, sondern auch zu mehreren Preissenkungen seit Anfang Juli. «So etwas haben wir noch nie erlebt, es gab noch nie dagewesene Preisreduktionen», sagt Patrizia Peghini Henkel von Ecosol. Das Unternehmen mit Sitz in Cham war das erste, das mit seinem Generikum Omed eine Alternative zu Antramups auf den Markt gebracht und gleich auch die Kassenzulässigkeit erhalten hat.

Für Bosshard herrscht seither «ein Preischaos». Zum einen, weil die Generika in diversen Packungsgrössen angeboten werden; zum andern, weil mittlerweile fünf Generika zu Antramups auf dem Markt sind. Auch Mepha hat seine Preise gesenkt, um mit der Konkurrenz mithalten zu können.

Preisabsprachen?

Ganz so dramatisch ist das Preischaos allerdings nicht. Die beiden Konkurrenten Medika und Schönenberger haben für ihre Produkte «zufälligerweise» genau die gleichen Preise gewählt. «Wir haben uns an die gesetzlichen Vorgaben gehalten», rechtfertigt sich Medika-Chef Albert Fehr. Dass man sich aber ab und zu abspricht untereinander, will Reto Brändli von Schönenberger nicht in Abrede stellen. Darum ein Wink nach Bundesbern: Nach der Swissmedic sollte vielleicht auch mal die Wettbewerbskommission ein Auge auf die Generikahersteller und ihre Praktiken werfen.