Genfer Gastrokönig Luigi Guarnaccia: Dieser Pizza-Unternehmer hat globalen Expansionshunger

Das Interieur des Restaurants Luigia in Zürich ist ausgefallen. Überall leuchten Lampen, blinken Schriftzüge. Die Bilder: bunt. Luigi Guarnaccia fällt dennoch auf, wenn er das Lokal nahe der Zürcher Bahnhofstrasse betritt. Klein, in einem blauen Veston gekleidet, mit rötlich getöntem, gewelltem Haar. In der Brusttasche steckt ein farbiges Taschentuch, der Pin am Revers zeigt den Kopf der Mona Lisa. Der 59-Jährige ist elegant und verströmt Italianità. Er ist in der Toskana geboren, zugleich aber ein Weltenbummler. Seine Mission: die italienische Küche noch bekannter zu machen. Mailand, Monaco, Genf, Wollerau sind seine bisherigen Stationen. Die nächste könnte London heissen. Wer ist dieser Mann, den nördlich des Röstigrabens niemand kennt, der aber mittlerweile zu den 30 grössten Schweizer Gastrounternehmer zählt, mit zehn Restaurants und schweizweit 300 Angestellten? Er ist ein gastronomischer Serienunternehmer. Die Serie begann 1985 in Mailand – mit einem Flop. Die Zeit war noch nicht reif für einen Lieferservice 22 Jahre alt ist er, die Schule hat er abgebrochen. Der junge Mann will lieber arbeiten als studieren. Ein Pizzalieferservice, so heisst die Geschäftsidee: Pizza Express. Das ist im Mutterland der Pizza damals noch fast unbekannt. Guarnaccia klopft bei Investoren an, Coca-Cola Italia und die Bierbrauerin Peroni werden seine Partner. Sie schicken ihn in die USA zur Pizza-Kette Domino’s. Bei den Amerikanern soll er lernen, wie das Delivery Business funktioniert. Zurück in Mailand, baut Guarnaccia ein Netzwerk auf. Die Pizzen werden an sechs Lieferstationen, über die Stadt verteilt, gebacken. Den Pizzaboden erhalten sie von einer Zentrale, wo ein Pizzaiolo mit Teig wirbelt. Das Konzept ist ausgeklügelt, doch nach eineinhalb Jahren ist das Experiment bereits vorbei. «Wir waren zu früh damit, Italien war noch nicht bereit dafür», erzählt heute Guarnaccia in seinem Zürcher Lokal, vor sich auf dem Tisch eine Tasse Espresso. Der junge Mann liess sich nicht entmutigen. Nach dem Ende von Pizza Express baut Guarnaccia für Investoren eine Kette mit acht mexikanischen Restaurants auf. Später entwirft er sein eigenes Gastrokonzept, «Capocaccia». Auf dem Menu stehen edle Panini, das erste Lokal öffnet in Monaco, das zweite in Turin, das dritte in Jakarta. Indonesiens Hauptstadt ist Tausende von Flugkilometern vom Fürstentum an der Côte d’Azur entfernt. Es ist ein sehr grosser Expansionsschritt, den Guarnaccia da macht. Wieso? Indonesische Geschäftsleute waren mit der Idee an den Jungunternehmer herangetreten. Senkrechtstarter aus der Westschweiz Capomondo gehört zu den grössten Anbietern von italienischer Gastronomie in der Schweiz – und doch ist die Genfer Gastrogruppe von Luigi Guarnaccia und Enrico Coppola in der Deutschschweiz kaum bekannt. Die Unternehmer betreiben unter der Marke «Luigia» neun Restaurants in der Schweiz und eines in Dubai. Zur Gruppe gehört auch das Restaurant «ByLÙ» in Genf sowie das interne Schulungszentrum «Luigia Academy» in Meyrin. Capomondo kommt auf einen Jahresumsatz von 50 Millionen Franken und zählt 300 Angestellte. Das Unternehmen gehört zu 70 Prozent den beiden Gründern, 30 Prozent kontrolliert die Genfer Investmentgesellschaft ACE. Capomondo ist auf Expansionskurs: In London, Riad (Saudi-Arabien) und Doha (Katar) sollen Luigia-Restaurants entstehen, in der Schweiz will Capomondo drei Lokale in Basel, Genf und Zürich eröffnen. In Basel unter dem Namen «ByLÙ» (römische Pizza), in Genf und Zürich unter dem Brand Capocaccia (Fleisch und Gemüse). Die Pizzerien tragen den Namen der Nonna Das zeichnet Luigi Guarnaccia aus: Seine Geschäfte entstehen über die Beziehungen, die er mit anderen Leuten knüpft, «Menschen motivieren mich, nicht das Geld», sagt der Restaurantbetreiber. Die wichtigste Beziehung ist die zu Enrico Coppola. 2005 lernen sich die beiden kennen, Coppola, ein Pizzabäcker, führt ein erfolgreiches Restaurant in Turin. Fünf Jahre später schlägt ihm Guarnaccia vor, gemeinsam eine Pizzeria in Genf zu eröffnen, wo Guarnaccia inzwischen lebt. Die Pizzeria soll wie ihre Grossmütter heissen, die Nonnas tragen den gleichen Namen: Luigia. Zehn «Luigias» gibt es inzwischen, neun davon in der Schweiz, eines in Dubai, das jüngste ging diesen Herbst im Glattpark bei Zürich auf. Es ist eine Pizza-Kette – wobei Luigia Guarnaccia diese Bezeichnung nicht gerne hört: «Es ist keine Kette, jeder der Betriebe ist eine Partnerschaft.» Das ist das Erfolgsmodell der beiden Socios: Guarnaccia und Coppola suchen immer einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin, der oder die sich auch am Lokal beteiligt. In den meisten Fällen ist es jemand aus der Equipe, der besonders viel Geschäftssinn zeigt, die Köchin, der Pizzaiolo oder die Kellnerin. Menschen sind die wichtigste Zutat für den Gastronomen. «Ich teile alles mit dem Team», sagte er am Tisch. In jedem Betrieb darf der höchste Lohn nur das Zehnfache vom tiefsten betragen. Das Sagen haben aber überall Guarnaccia und Coppola. Das Gastroimperium kontrollieren sie über ihre Firma Capomondo, den beiden Männern gehören 70 Prozent, zu 30 Prozent ist die Finanzgesellschaft ACE vom Genfer Milliardär Adam Said beteiligt. Das jüngste Projekt heisst «ByLÙ». Das Genfer Restaurant ist auf quadratische Pizzen in der römischen Tradition spezialisiert. Ein zweites «ByLÙ» will Guarnaccia in Basel eröffnen. Zudem spielt er mit der Idee, seine inzwischen stillgelegte Panini-Marke Capocaccia mit einem Fleisch-und-Gemüse-Konzept neu zu erfinden, in Genf und Zürich wird je ein Lokal entstehen. Expansion in den Nahen Osten Guarnaccias Schweizer Gastroimperium soll also um weitere drei Betriebe wachsen. Aber eigentlich sieht er zwischen Genf und Romanshorn nicht mehr viele Möglichkeiten, in diesem umkämpften Markt, wo Konkurrenten wie Bindella (Santa Lucia, Più, Spaghetti Factory) oder Migros (Molino) auch erfolgreich italienische Restaurantketten betreiben. «Bei uns steht hinter jedem Betrieb eine Person. Mit dieser Philosophie können wir nicht unbeschränkt wachsen, ohne an Qualität zu verlieren.» Der ruhelose Gastronom denkt deshalb über die Landesgrenzen hinaus: Für ein Luigia-Restaurant in Riad (Saudi-Arabien) sind die Verträge schon unterschrieben, über eines in Doha (Katar) wird noch verhandelt. Weitere Ableger sollen in Grossbritannien folgen, derzeit ist der Manager von Luigia UK noch zur Schulung in der Schweiz. Gut möglich, dass Guarnaccia selber bald nach London zieht. «Das müssen sie meine Tochter fragen», sagt der Unternehmer am Restauranttisch. Der 17-Jährigen zuliebe sind er und seine Frau, eine Französin, ins dörfliche Wollerau gezogen. Die tiefen Steuern im steuergünstigen Schwyz spielten allerdings bei dem Umzug auch eine Rolle. Der Gastronom ist sich gewohnt, die Zahlen im Blick zu behalten. Und den Wind: Guarnaccia segelt, ist Mitglied des Yacht Club de Genève, für den einst Ernesto Bertarelli mit seinem Team Alinghi den America's Cup gewonnen hat. Und ja, getroffen habe er Bertarelli auch mal. Der Espresso ist längst ausgetrunken, Luigi Guarnaccia will weiter. «Gründer und Inspirator» steht auf der Visitenkarte, die er auf dem Restauranttisch lässt.

Genfer Gastrokönig Luigi Guarnaccia: Dieser Pizza-Unternehmer hat globalen Expansionshunger

Genfer Gastrokönig macht den Sprung nach Saudi-Arabien