Noch ein europäisches Startup, das dem Schlachten von mehr als 70 Milliarden Tieren jedes Jahr ein Ende bereiten will. Diesmal geht es um die 3018 Millionen Enten und die 657 Millionen Gänse, die getötet werden – viele von ihnen, nachdem sie zuvor während Wochen mit Mais zwangsgefüttert worden waren, damit ihre Lebern verfetten und als Foie Gras im Supermarkt verkauft und im Luxusrestaurant serviert werden können.

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Peace of Meat mit Mitgründer David Brandes, einem Ex-McKinsey- und Ex-Migros-Mann aus Genf, ist nach dem holländischen Mosa Meat (mit der Coop-Tochter Bell als Partner) und der israelischen Aleph Farms (bei der die Industriebetriebe der Migros im Boot sitzen) ein weiterer Spieler ausserhalb der USA, der sich aufmacht, Fleisch im Labor zu züchten.

Das Team um den 35-jährigen David Brandes, ehemals Chief Commercial Officer bei Le Shop, dem Online-Supermarkt der Migros, und seine beiden Co-Gründer Dirk von Heinrichshorst aus dem belgischen Gent sowie die österreichische Biotechnologin Eva Sommer tüfteln an der ersten kultivierten Foie gras. 

Die Enten und Gänse werden zwangsgefüttert, damit ihre Lebern verfetten

Die Herstellung der vor allem in Frankreich, aber auch in den USA beliebten Delikatesse gilt als besonders grausame Tierquälerei. Das Stopfen der Enten und Gänse mehrmals am Tag mit Stahlrohren ist traumatisch für die Tiere und führt immer wieder zu schlimmen Verletzungen. Heimlich aufgenommene Bilder von Tierschutzorganisationen zeigen Tiere, die nach der Fütterung desorientiert sind und taumeln. Viele Gänse und Enten werden in engen Käfigen im Dunkeln gehalten und verbringen ihr kurzes Leben auf Gitterstäben stehend, was zu Krankheiten und Verletzungen führt. Zudem leiden die Tiere unter Atembeschwerden, weil die bis um das Zehnfache vergrösserte Leber auf Luftröhre und Lunge drückt.

Ziel des europäischen Trios ist es, bis 2023 die erste Entenleber auf den Markt zu bringen, die  man «ohne Schuldgefühle» essen kann. Genauer: die erste kultivierte Pâté de Fois Gras, also ein streichbares Produkt mit Entenleber aus dem Labor und veganen Zusatzprodukten. Pâté sei wegen sei von der Textur her einfacher herzustellen als die reine Entenleber, sagt David Brandes. Zudem werde der Preis tiefer liegen als für herkömmlich hergestellte Pâté mit Entenleber.

Gearbeitet wird dazu mit pluripotenten Stammzellen, das heisst mit Zellen, aus denen jedes Organ entstehen kann – also auch eine Leber. 

Konkret: Für die Entenleber aus dem Labor braucht es ein befruchtetes Entenei mit einem Entenembryo, um die Biomasse herzustellen, die als Basis für das Endprodukt dient; beim Rindfleisch kommen die Tüftler aus Kalifornien, Israel und Holland mittlerweile mit einer Biopsie aus; das heisst, den Tieren werden, wie bei einer Gewebeprobe in der Medizin, unter Betäubung Muskelzellen entnommen, die dann im Labor vermehrt werden. 

Anders als bei Rindfleisch sei es bei Foie gras nicht möglich, mit Muskelzellen zu arbeiten, sagt David Brandes. Dafür sei es bei Foie gras, anders als bei Fleischprodukten aus Muskelzellen, mit den verfügbaren wissenschaftlichen Methoden bereits heute möglich, die Produktion zu skalieren und Biomasse in grossem Umfang herzustellen, so Eva Sommer.

Partnerschaften mit Universitäten und Unternehmen

Das Team von Peace of Meat arbeitet dazu mit Catherine Verfaillie zusammen, Stammzellenspezialistin an der katholischen Universität Löwen, Belgien. Ebenfalls als Partner mit im Boot: der belgische Pâté-Hersteller Nauta als Spezialist für streichbare Fleischprodukte und ein «weltweit führender Parfüm- und Aromenhersteller aus der Schweiz», der das nötige Know-how in Sachen Geschmack in die Partnerschaft einbringen soll. 

«Wir arbeiten in Konsortien», sagt der 35-jährige Managing Director Brandes aus Genf. «Das heisst, wir suchen uns für jedes Projekt Partner, die auf ihrem jeweiligen Gebiet führend sind.» Andere versuchten, die ganze Wertschöpfungskette aus eigener Kraft abzudecken, «doch wir glauben, dass der Schlüssel zum Erfolg in einer Partnerschaft mit führenden Experten und Expertinnen liegt», sagt David Brandes.

Es geht um Design und Kreation

Die Herstellung von Biomasse sei das eine, sagt David Brandes, doch «unsere Stärke ist das Design von Lebensmitteln und die Kreation von Geschmacksmustern», sagt David Brandes

Und wie sieht es bei der Finanzierung aus? Eine erfolgreiche erste private Finanzierungsrunde über «einige Hunderttausend Franken» habe man hinter sich, sagt Brandes. Zudem darf das Startup, das sich in diesen Tagen an «The Alternative Portein & Dairy Show» in Amsterdam erstmals öffentlich präsentierte, auf eine substanzielle Unterstützung der Regierung von Flandern hoffen. 

Nächste Station ist die Gründung eines weiteren Konsortiums für ein nächstes Fleischprodukt im Raumdreieck zwischen der Schweiz, Deutschland und Österreich. Entsprechende Gespräche mit möglichen universitären und industriellen Partnern sind im Gang – auch mit solchen in der Schweiz