Der grösste Betrugsfall des Kantons Schwyz könnte die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma noch teuer zu stehen kommen: Am Montag reichten Dutzende Geschädigte der Schwyzer Investmentfirma Ipco eine Staatshaftungsklage gegen die Finma in Bern ein. Sie verlangen Schadenersatz in noch unbekannter Höhe von den Martkaufsehern, weil diese ihre Aufsichtspflichten grob verletzt hätten. Der Klage ging eine Betreibung in der Höhe von 67 Millionen Franken gegen die Finma voraus.

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Die Investmentfirma Ipco hat von 1997 bis 2004 von rund 650 Kunden mindestens 125 Millionen Franken eingesammelt, um sie angeblich in Devisengeschäfte zu investieren. Solche Geschäfte fanden aber nie statt. Auch Firmen wie Victorinox oder Biella versenkten bei Ipco Millionen Franken.

Finma schweigt

Der Betrugsfall beschäftigt die Justiz seit über zehn Jahren – das Verfahren wurde immer wieder verzögert, auch darum kam es zu Anzeigen Geschädigter gegen die Staatsanwaltschaft Schwyz. Das Treiben der Ipco hätte schon früh unterbunden werden können, wäre die Vorgängerin der Finma – die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) – ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, heisst es in der Haftungsklage. Diese liegt der Redaktion vor. 

Die Finma gibt sich dünnlippig: Sprecher Tobias Lux sagte gegenüber handelszeitung.ch: «Wir nehmen zu möglichen laufenden Verfahren keine Stellung.»

Von Anfang an kriminell

Der Hintermann der Devisenhändler von Ipco heisst Santiago Villarejo Lopez, kam aus Spanien und war schon zum Zeitpunkt der Ipco-Gründung 1996 wegen Raubes, Gewaltanwendung, Drogenhandels, Hehlerei und Betrugs mehrfach vorbestraft, moniert der Klageanwalt.

Als faktischer Geschäftsführer fungierte der Schweizer Mike Niggli, der in einem ähnlichen Fall 2004 wegen gewerbsmässigen Betrugs rechtskräftig zu Zuchthaus verurteilt wurde. Im zweiten Verfahren im Fall Ipco hat er sich seiner Gerichtsverhandlung bis heute entzogen.

Brief vom Firmenanwalt genügte Finma

Bereits 1998 wandte sich die EBK an die Ipco und wollte wissen, ob ihr Geschäft unter das Börsengesetz und damit unter die Aufsicht der EBK fiel. Den Beamten genügten offenbar zwei einfache Antwortschreiben von Ipco-Anwalt Christoph Bertisch. Gestützt auf diese Aussagen schlossen die EBK-Beamten ihre «Abklärungen» ab.

Im August 2002 warnte die spanische Finanzmarktaufsicht die EBK und schilderte ihre Erkenntnisse über die spanische Tochtergesellschaft der Ipco in Madrid. Die EBK erhielt Hinweise auf den Transfer «riesiger Geldmengen» sowie «merkwürdiger Geldflüsse» von einem Konto der Schwyzer Kantonalbank nach Spanien von mehr als 37 Millionen Euro. Die spanischen Finanzaufseher äusserten gegenüber Bern die Vermutung, das Geld stamme aus betrügerischen Geschäften. Die Spanier wollten weitere Informationen zur Ipco.

Akten angefordert, die nicht vorhanden sein können

Daraufhin eröffnete die EBK ein Verfahren gegen die Ipco «wegen Verdachts auf die unbewilligte Entgegennahme von Publikumseinlagen». Die Behörde schrieb auch an den Hauptsitz Schwyzer Kantonalbank und wollte von ihr Unterlagen – aber erst «seit 1. August 2001».

Doch die Schwyzer Kantonalbank hatte die Geschäftsbeziehungen zur Ipco bereits am 12. Dezember 2000 gekündigt, weil sie keinen Einblick in die Bilanzen erhielt. Also fast zwei Jahre vor der Warnung der spanischen Aufseher an die EBK. Dies teilte die Kantonalbank der EBK auch mit.

Ominöse fehlende Akten

Dieser Sachverhalt dürfte in der Antwort auf ein Schreiben der EBK vom 8. August 2002 vermerkt worden sein. Doch weil nur die Seite 2 dieser Antwort in den Strafuntersuchungsakten enthalten ist und die erste Seite fehlt, fehlen auch Datum und eine allfällige Bezugnahme auf vorhergehende Korrespondenz.

Die Finma weigert sich bis heute, dieses Schreiben den Ipco-Gläubigern auszuhändigen – aus Angst vor weiteren Klagen? Diesem Dokument kommt aus Sicht der Kläger grosse Bedeutung zu, denn es könnte belegen, dass die EBK wusste, dass die Ipco untersucht werden müsse – aber trotzdem nichts unternahm.

Laut Klageschrift erfolgten nach der Warnung der Spanier im August 2002 keine Massnahmen der EBK gegen Ipco. Die Devisenfirma arbeitete zwei weitere Jahre weiter und sammelte bei den Kunden Gelder ein.

Widersprüchliche Aussagen gegenüber Ermittlern

Als die Ipco 2004 endgültig auf dem Tisch der EBK landete, weil die Schwyzer Behörden im März des gleichen Jahres eine Strafuntersuchung gegen die Firma eröffnete, teilte die EBK dem federführenden Justizbeamten aus Schwyz mit: Die Ipco übe nach ihren Untersuchungen keine unterstellungspflichtige Tätigkeit aus und darum habe man sie als für nicht beaufsichtigungspflichtig gehalten.

Weiter gab die EBK an, die Unterstellungspflicht der Ipco unter das Banken-, Börsen und Anlagefondsgesetz geprüft zu haben. In der Klageschrift hingegen heisst es dazu: «Weil die EBK am 8. August 2002 ein Verfahren wegen des Verdachts auf die unbewilligte Entgegennahme von Publikumseinlagen führte, widerspricht diese Aussage den Tatsachen. Sie ist als Falschaussage gegenüber den Strafuntersuchungsbehörden zu qualifizieren.»

Erst am 22. August 2005 legte die EBK Ipco mit einer superprovisorischen Verfügung auf Eis. Die Kläger glauben, wäre die EBK pflichtgemäss vorgegangen, so hätte sie bereits im Oktober 2002 einschreiten müssen und dies hätte spätestens dann weitere Investitionen der Geschädigten in die Ipco verhindert.