Wachstumsraten im zweistelligen Bereich locken Anbieter von Informationssystemen auf den Gesundheitsmarkt. Sie buhlen um die Gunst von Spitälern, Krankenversicherern und Ärzten, die sich in der komplexen Welt der IT nicht zu Hause fühlen. «Der Gesundheitsmarkt birgt ein riesiges Potenzial für die Informatikbranche», sagt Roman Hegnauer, Leiter Infrastruktur Informatik bei der Spitalgruppe Hirslanden. Die grösste Privatklinik-Gruppe der Schweiz liefert gleich selbst ein Beispiel dafür: Sie prüft in einem Testlauf, ob sich die Röntgenbilder ihrer Patienten elektronisch erfassen und archivieren lassen. Das System stammt von Swisscom IT Services, einem noch jungen, aber stark wachsenden Player im IT-Gesundheitsmarkt.

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Günstiger Software einkaufen

Ein weiteres Projekt überlegt sich Andenken: Das Klinische Informationssystem (KIS). Das System erfasst Patientendaten elektronisch und macht diese auf rasche und einfache Weise für Ärzte und Spitäler verfügbar. Die elektronische Krankengeschichte gehört bisher erst in wenigen Spitälern der Schweiz zum Standard. Das Universitätsspital Zürich arbeitet mit einer eigenen Lösung. Hirslanden würde KIS wiederum durch Swisscom IT Services betreiben lassen, in einem Outsourcing-Kontrakt.

Die Vorteile des Outsourcing im Gesundheitswesen: Informatik-Spezialisten werden konzentriert und nicht jedes noch so kleine Spital muss eigene Leute beschäftigen. Spannen mehrere Kliniken zusammen, können sie beispielsweise Software günstiger beschaffen. Auch die Patientendaten lassen sich leichter austauschen.

«Jein» im Aargau

Outsourcing ja oder nein? Diese Frage beschäftigt zurzeit manch einen Informatikleiter eines Spitals. Zu einer dritten Antwort - «jein» - kam der Kanton Aargau, der seit Anfang Jahr eine einheitliche Lösung für seine Spitäler anbietet. Die Hintag betreibt für ein Kantons- und vier Regionalspitäler ausgelagert und zentral die Informatik. Die Firma ist zwar outgesourct, die 30 Informatiker stammen aber allesamt aus den betroffenen Spitälern. So sei es möglich gewesen, die unterschiedlichen Anwendungssysteme der Kliniken zu normieren, sagt Hintag-Geschäftsführer Albert Graf. Die Spitäler hätten durch die Zusammenlegung der Informatik Mittel sparen und ihre Existenz sichern können.

Die «halbe» Outsourcing-Lösung, wie sie der Kanton Aargau betreibt, stösst aber auch auf Skepsis. Die erhofften Einsparungen würden erst durch ein komplettes Outsourcing eintreten, meint ein Fachmann, der selber in einer Outsourcing-Firma tätig ist.

Andere Spitäler bevorzugen interne statt externe Lösungen. Für die Klinik Pyramide am See würde sich ein Outsourcing nicht rechnen, sagt Christoph Müller, zuständig für die interne Informatik beim Privatspital in Zürich. «Das Know-how ist nicht im eigenen Haus, und die Response-Zeit bei Problemen ist zu hoch, deshalb verzichten wir auf ein Outsourcing», so Müller.

Unterschiedliche Strategien verfolgen auch die Krankenkassen. Die Helsana hat ein Outsourcing-Projekt verfolgt, es aber wieder abgebrochen. Es war zu teuer. «Im jetzigen Zeitpunkt besteht für uns deshalb kein Anlass für eine ausgelagerte Informatik-Lösung», sagt Helsana-Sprecher Christian Beusch. Ähnlich tönt es bei der Visana. «Wir prüfen periodisch die Frage möglicher weiterer Auslagerungen im Rahmen der laufenden Prozess- und Kostenoptimierung», sagt Peter Andres vom Ressort Informatik. Visana lässt zwar ihre Informatk von T-Systems betreiben, die Wartung und Weiterentwicklung machen aber eigene Leute.

Swisscom gibt Gas

Die KPT wiederum lässt ihre komplette Informatik seit vier Monaten von Swisscom IT Services betreiben. Der Vorteil dieser Lösung sei, dass Swisscom die Web-basierte Plattform Valsana für den Krankenversicherungsbereich übernommen habe und auch weiterentwickle, sagt KPT-Sprecher Etienne Habegger. Die Betriebskosten seien tiefer als früher, und die KPT habe die eigenen Investitionen abschreiben können. Und mit der CSS hat Swisscom eine weitere grosse Kundin gewinnen können. Swisscom betreibt den Grossrechner für die zweitgrösste Krankenversicherung. Bei zwei Kleinkassen der CSS ist sie voller Provider.

Erst vor gut einem Jahr erklärte Swisscom IT Services den Gesundheitsmarkt zum strategischen Geschäftsfeld. Die klassischen Anbieter von IT-Lösungen im Gesundheitsmarkt, T-Systems, Centris, CSC und Staefa Control, spüren die neue Konkurrenz im Nacken, die dank ihrem nationalen Leitungsnetz über Wettbewerbsvorteile verfügt.

Tarmed und seine Folgen

Ärzte sind überfordert: Ärzte werden beim Umgang mit IT-Systemen rasch zu Patienten. Ihre Abhängigkeit von einer funktionierenden Informatik ist mit dem neuen Tarifsystem Tarmed gestiegen. Viele Ärzte haben in den letzten Monaten massiv investiert in eine neue Informatik-Lösung; im Schnitt gaben sie dafür 15000 Fr. aus.

Die Krankengeschichte im Computer ist nach Einführung des Tarmed das meistdiskutierte Thema unter Hausärzten und Spezialisten. Der Tarmed verlangt von den Ärzten, dass sie bis Ende 2005 ihre Daten und Rechnungen elektronisch an die Kassen liefern. Die nächste Herausforderung, die Einführung der Patientenkarte, erfordert weitere Anpassungen in Praxen und Spitälern. Schliesslich müssen die Daten dann in der ganzen Schweiz austauschbar sein.

Viele Ärzte wollen (und können) sich nicht lange Zeit mit Informatik-Problemen herumschlagen. Spezialisierte IT-Manager kümmern sich um überforderte Ärzte. Andere lagern die Informatik aus und vertrauen sie grossen Anbietern wie Vitodata, Kern Concept oder Triamun an.