Hinter der Mister Cool AG steckt als Geschäftsführer Daniel Jüni. Er ist so etwas wie der Reinhold Messner des Schweizer Glacemarktes. Vor drei Jahren ist er im solothurnischen Zuchwil gestartet, um die Monotonie einer mehr kulinarisch als geografisch lokalisierbaren Eiswüste zu durchbrechen. Und das tut er erfolgreich, nicht mit Gewaltmärschen durch Arktis oder Antarktis, sondern mit neuen Produkten: Zum Beispiel mit der «Glace Latte Macchiato», dem Kinderdessert «Tazzina di Pierino» oder mit gefrorenen Orangina-Sorbets. Mister Cool importiert und vertreibt aus Italien, Spanien, Belgien und Deutschland Glacemarken wie Michielan, La Ibensa Bonary, Ijsboerke Orangina und Eisbär.

Darüber hinaus produziert er in der eigenen Fabrik in Zuchwil Spezialitäten, etwa Bioglacen für die «Gelateria Luna Llena» in Bern, Gauch?s Schafmilchglace für Allergiker sowie Glacen mit speziellen Aromen wie Kürbis, Mais oder Basilikum. Laufend lanciert Mister Cool neue Artikel, hauptsächlich für die Gastronomie in der ganzen Schweiz. Konsumenten können die Produkte in den Carrefour- oder den Manor-Läden sowie beim Hauslieferer Bofrost kaufen. Jüni möchte die Glaceszene neu beleben und «kreativ, flexibel und schnell auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren.»

*NestLé ist die Nummer Eins*

Obwohl Mister Cool seit dem Start jedes Jahr kräftig wächst, ist die Firma immer noch ein David auf dem Glacemarkt. Sie ist aber mindestens so innovativ wie jene vier Goliaths zusammen, die den auf 450 Mio Fr. geschätzten Markt beherrschen. Es sind dies die beiden Global Players Nestlé (Frisco, Mövenpick) und Unilever (Lusso) mit Marktanteilen von rund 32% und 23% sowie die beiden Grossverteiler Migros (Midor) mit 27% sowie Coop (Eigenmarken) mit 12,5% (siehe Grafik).

Die grossen Hersteller werfen jedes Jahr rund 140 Glace-Neuheiten auf den Markt. Die Sortimentsbreite umfasst ein paar hundert Artikel. Trotzdem stagniert der Markt seit Jahren bei rund 50 Mio Litern. Der Pro-Kopf-Konsum ist gar deutlich rückläufig. 7 bis 8 Liter sind es noch pro Jahr. Die Amerikaner verschlingen mehr als dreimal so viel wie die Eidgenossen. Und auch im hohen Norden wird deutlich mehr Eis geschleckt als in der Schweiz. Das alles deutet darauf hin, dass das Potenzial an der Glacefront bei uns auf keinen Fall ausgereizt sein kann.

Es kann spekuliert werden, ob dafür neue Ernährungsgewohnheiten verantwortlich sind oder ob es die Branche mehr und mehr verpasst, den Gaumen des Konsumenten kühl zu kitzeln. Tatsache ist, dass der Konzentrationsprozess in der Produktion weit fortgeschritten ist, und die drei grossen Glaceköche haben sich schnell gegenseitig in die Glacetrommeln geguckt. Walter Diethelm, Gesamtleiter Glace bei Emmi in Ostermundigen, wo die Lusso-Produkte und die Coop-Eigenmarken auf den gleichen Anlagen fabriziert werden, räumt ein: «Gewisse Neuheiten sind eigentlich bloss Kopien.» Mit dem kürzlich lancierten Cheese Cake Lemon weist er aber auf eine Aroma-Exklusivität aus der Ostermundiger Glaceküche hin, die bald Nachahmer finden könnte.

*Renner wie Magnum sind wegweisend*

Denn was sich als Renner erweist, wird meistens sofort von der Konkurrenz in Rorschach (Nestlé) oder Meilen (Midor) in leicht abgewandelter Form abgekupfert: Aus «Magnum» wird so «Mega», aus «Cornetto» ein «Cornet Extreme», aus «Carte d?Or» ein «Crème d?Or». Und in Ostermundigen selber dürften die Eis-Kreateure nicht minder aufmerksam ostwärts schielen.

Allerdings sind weder Diethelm noch Philipp Mathys, Firmensprecher der Lusso Foods, mit dieser Abkupferungsthese einverstanden. Als Beweis echter Innovationen lobt Mathys eine «Zeigefingerglace» namens Flutschfinger für Kinder sowie Bidonettes. Doch die Bidonform kennen wir ? wenn auch nicht als Minivariante ? seit Jahren aus dem Mövenpick-Sortiment. Beim neu lancierten Magnum-Sandwich habe sich Lusso tatsächlich vom klassischen Glace-Sandwich inspirieren lassen, gibt Mathys unumwunden zu.

Bei Midor hebt Markus Benedetter das Mini-Cornet «Globi» und das Bio-Erdbeer-Sorbet in der 0,8-Liter-Dose als Neukreationen hervor. Dies und jenes sei aber bei der Konkurrenz abgeschaut, zum Beispiel neue Varianten der Crème-d?Or-Linie. Und mit der fettreduzierten Slimline-Linie wolle man ganz einfach bei einem neuen Trend mit dabei sein. Mit solchen Lifestyle-Glacen für Schlankheitsbewusste hatte vorher Emmi (für Coop) die Nase vorn.

*Nicht alles kommt in die Kühlboxen*

Auch die Konzentration im Detailhandel ist der Glacevielfalt alles andere als förderlich. 30 Mio Liter Glace kaufen die Schweizer im Laden, um sie zu Hause zu essen. Fast zur Hälfte sind es Midor-Glacen der Migros, zu einem Viertel Coop-Eigenmarken. Von Lusso und Nestlé hingegen schaffen es längst nicht alle Kreationen in die Regale des Grossverteilers. «Wir haben in diesem Jahr unser Sortiment nicht im gewünschten Masse bei Coop platzieren können», lässt Mathys durchblicken.

Beim Strassenverkauf, der letztes Jahr um 3,25% auf 10,25 Mio Liter zurückgegangen ist, sind die Kioske für den so genannten Impulskauf der wichtigste Absatzkanal. Konzentration auch hier: Von 3000 Verkaufsstellen gehören 1250 der Kiosk AG, und die trifft eine strenge Auswahl. Aus Platzgründen hat sie nur die Renner im Sortiment.

Wie die Hersteller einmütig beteuern, sind letztlich die Konsumenten an der produktemässig ausgedünnten Glace-Landschaft mitschuldig. Geschmacklich bleiben Vanille, Erdbeer und Schokolade die beliebtesten Aromen, gegen die Exotisches wie Mango, Papaya oder gar Kürbis oder Basilikum kaum ankommen. «Der Konsument kehrt immer wieder zu seinen Lieblingen zurück, und das ist bei uns seit 15 Jahren die Magnum-Glace», so Mathys. Laut Diethelm fristet alles, was vom Mainstream abweicht, ein Nischendasein. Deshalb setzen sich etwa der Cheese-Cake-Lemon-Becher, die Naturaplan-Glacen oder die 0%-Fett-Glacen von Coop nur langsam durch.

Der Konsument hat also letztlich den Glacemarkt, den er verdient. «Die Palette ist jedenfalls breit, die Vielfalt gross», versichert Mathys. Und Benedetter betont, dass von einer Glace-Monotonie auf keinen Fall die Rede sein könne. Ganz anders sieht es Mister- Cool-Chef Daniel Jüni. Er möchte frischen Wind in die langweilige Glace-Landschaft Schweiz bringen. «Dabei segeln wir nicht einfach im Windschatten der andern mit, sondern setzen eigene Trends, die für wirkliche Abwechslung in der Branche sorgen.»

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