Wer im niedersächsischen Niemandsland zwischen Meppen und Lohne übernachten muss, kann die Nacht nicht nur im Hotel oder einer Pension, sondern mittlerweile auch in einem umgebauten Schiffscontainer verbringen. Der bietet am Rande eines Industriegebiets in der Kleinstadt Löningen Platz für vier etwa 7,5 Quadratmeter grosse Einzelzimmer. Darin: Bett, Dusche, Fernseher und WC. Zudem sind die Zimmer mit Internet ausgestattet. Mittelklassekomfort auf kleinstem Raum. „Wir nennen es auch das kleinste Hotel der Welt“, sagt Christian Theisen.
Er ist einer der Gründer von Roatel. Gemeinsam mit seinen Partnern Ralf-Peter Kals und Martin Swats hat er mittlerweile 29 Container-Hotels an deutschen Landstrassen und Autobahnen installiert: in grösseren Städten wie Bremen und Magdeburg, aber auch in Kleinstädten wie Homberg, Wörrstadt oder Schkeuditz – verteilt im ganzen Land. Und der Aufbau geht weiter. Mehr als 50 weitere Mini-Unterkünfte sollen in den kommenden beiden Jahren folgen.
Aus Containern werden Hotelzimmer
Mithilfe von Investoren und Franchisenehmern wollen die Gründer mit ihren Mikro-Unterkünften die Hotelbranche aufmischen. Bis zum Jahr 2027 sollen etwa 80 bis 100 der möblierten Schiffscontainer in Deutschland stehen. Langfristig planen die Gründer die Expansion auf europäische Landstrassen und Autobahnen. Dann spricht das Trio sogar von hunderten Roatels mit tausenden Zimmern. „Wenn wir im Ausland einen guten Partner finden, sind wir sofort dabei“, sagt Theisen. Und nicht nur das: Sogar ein Börsengang ist angedacht.
Ehrgeizige Ziele für ein junges Unternehmen. Doch wie realistisch sind diese in einer Zeit, in der Hotellerie und Gastwirtschaft über Gästemangel und Branchenvertreter über die angespannte wirtschaftliche Lage klagen?
Um über ihr Geschäft zu sprechen, bitten die Gründer in ein italienisches Restaurant in Düsseldorf. Es gibt Pizza und Pasta. Das Trio wirkt vertraut. Kals, Theisen und Swart sind nicht nur Geschäftspartner, die lange Zeit in verschiedenen Branchen wie der Logistik zusammenarbeiteten, sondern auch so etwas wie Freunde. 2005 hatten sie Freesort gegründet. Das Brief-Startup kümmerte sich um die Abholung, Erfassung und Abrechnung der Geschäftspost grosser Firmen. Nur zwei Jahre später verkauften sie das Unternehmen für etwa 20 Millionen Euro an die börsennotierte Berliner Softwarefirma Francotyp Postalia. Der Erfolg schweisst zusammen.
Dann kam das Trio, das zuvor wenig mit der Hotelbranche zu tun hatte, vor der Pandemie auf die Idee, Schiffscontainer in Hotelzimmer umzubauen. „Wir haben uns schon immer mit Geschäftsideen auseinandergesetzt, in denen Gesetzesänderungen eine Veränderung brachten“, sagt Kals. Konkret ging es diesmal um das Kabinenschlafverbot für Lkw-Fahrer.
Bussgelder für Lkw-Fahrer waren der Antrieb
Das Gesetz sieht mittlerweile vor, dass Lkw-Fahrer zwar in ihrer Kabine schlafen, die wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden aber nicht mehr im Lkw verbringen dürfen. Bei Verstössen drohen empfindliche Strafen – für das Unternehmen wie den Fahrer. Der politische Vorstoss mag gut gemeint sein, doch in der Realität gibt es an den Autobahnen und Landstrassen oft kaum ausreichend Hotels oder Pensionen mit Lkw-Stellplätzen. Daher die Idee, den Fahrern mit einem Roatel eine günstige Alternative zum Schlafen zu bieten.
Die Gründer steckten die Köpfe zusammen und entwickelten ein Konzept. Ihr Plan sah vor, alte Schiffscontainer mit einer Grösse von 45 Fuss so umzubauen, dass vier Einzelzimmer hineinpassen. „Da hat die berufliche Erfahrung mitgespielt, da wir mit Lkw und Containern gross geworden sind“, sagt Swart. Gemeinsam mit Geschäftspartner Karl machte er einst den Abschluss als Verkehrsfachwirt. Die Container-Idee war schnell entwickelt, doch wie sollte der Ausbau erfolgen?
Da das Trio sich im Hotelgeschäft kaum auskannte, suchten sie das Gespräch mit Experten. Viele rieten ihnen ab, wie sich die Gründer heute erinnern. „Man hat uns gesagt, dass wir es mit unserer Idee nicht schaffen werden“, sagt Swart. Das Geschäft würde sich aufgrund der Kosten nicht rechnen. Oft hörten die Gründer auch, dass die Zimmer schnell verdreckt oder durch Sachbeschädigung zerstört werden würden. Zudem müssten sie mit Diebstahl rechnen. Abschrecken liess sich das Trio davon aber nicht.
Das Gründer-Trio: Christian Theisen, Ralf-Peter Kals und Martin Swart (von links).
Da das Trio sich im Hotelgeschäft kaum auskannte, suchten sie das Gespräch mit Experten. Viele rieten ihnen ab, wie sich die Gründer heute erinnern. „Man hat uns gesagt, dass wir es mit unserer Idee nicht schaffen werden“, sagt Swart. Das Geschäft würde sich aufgrund der Kosten nicht rechnen. Oft hörten die Gründer auch, dass die Zimmer schnell verdreckt oder durch Sachbeschädigung zerstört werden würden. Zudem müssten sie mit Diebstahl rechnen. Abschrecken liess sich das Trio davon aber nicht.
Da das Trio sich im Hotelgeschäft kaum auskannte, suchten sie das Gespräch mit Experten. Viele rieten ihnen ab, wie sich die Gründer heute erinnern. „Man hat uns gesagt, dass wir es mit unserer Idee nicht schaffen werden“, sagt Swart. Das Geschäft würde sich aufgrund der Kosten nicht rechnen. Oft hörten die Gründer auch, dass die Zimmer schnell verdreckt oder durch Sachbeschädigung zerstört werden würden. Zudem müssten sie mit Diebstahl rechnen. Abschrecken liess sich das Trio davon aber nicht.
In Löningen, wo heute das erste Roatel steht, fanden sie mit dem Unternehmen Imbusch schnell einen passenden Partner für den Containerausbau. Die Mitarbeiter stehen gewöhnlich vor der Herausforderung, Pferdetransporter und Wohnmobile mit Möbeln auszustatten. Nun galt es, Einzelzimmer in einem Schiffscontainer zu installieren. Dabei müssen die Zimmer so gestaltet werden, dass Gäste einen komfortablen Schlafplatz haben, der mit allem ausgestattet ist, was ein Standard-Hotelzimmer bietet. Zudem sollen möglichst alle Abläufe – von der Buchung bis zum Einchecken – digital gestaltet werden.
Nur jeder 5. Gast ist Lkw-Fahrer
Die erste theoretische Gestaltung der Zimmer beginnt an einem Sonntagnachmittag im Haus von Ralf-Peter Kals. Mit Mülltüten legt er eine Fläche von 7,5 Quadratmetern auf dem Boden aus. Anschliessend platziert er Gegenstände, um die Ausstattung des Zimmers zu markieren. „Ein Stuhl diente in diesem Fall als Toilette“, erinnert sich Kals. Mit weiteren Haushaltsartikeln markiert er das Bett, den Tisch, die Dusche, das WC, die Klimaanlage und den Fernseher – und ist erst einmal zufrieden.
Die erste Version präsentiert Kals einen Tag später seinen beiden Partnern – und immer wieder werden die Gegenstände umgestellt. „Das war ein bisschen wie Tetris spielen“, erinnert sich Swart. Gemeinsam mit einem Architekten entsteht wenig später die erste Version des Roatel-Zimmers, dessen Design seither nur marginal verändert wurde. Inzwischen gibt es mehr als 100 solcher Zimmer an bundesweit 22 Standorten.
Angeboten werden ausschliesslich Einzelzimmer. Der Durchschnittspreis liegt nach Aussage der Gründer bei 49 Euro pro Nacht. „Je nach Auslastung und Standort nehmen wir auch mal 99 Euro – wie am Lausitzring, wenn dort ein Event ist“, sagt Theisen. Wichtigste Zielgruppe sind neben Lkw-Fahrern auch Handwerker und Vertreter. Beim Blick auf die Gästestatistik stellten die Gründer aber schnell fest, dass der klassische Lkw-Fahrer mittlerweile sogar eher die Ausnahme ist. Nur etwa jeder fünfte Gast ist Trucker. Auch viele Privatpersonen übernachten im Roatel. Doch rechnet sich das Geschäft?
Das Roatel wird mithilfe eines Krans aufgestellt.
Der Start eines Mikro-Hotels ist schliesslich nicht billig. Etwa 8.000 Euro zahlte das Trio zuletzt für einen gebrauchten Container. Der Ausbau selbst verschlingt noch einmal etwa 90.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für den Anschluss am jeweiligen Standort. Strom, Wasser, Abwasser, die Genehmigungen und das Fundament schlagen mit weiteren 25.000 Euro zu Buche. Immerhin: Ist der Container fertig und sind die Anschlüsse alle gelegt, vergehen für den Aufbau nur wenige Stunden. „Das ist dann nur noch Plug-and-play. Der Container wird an einem Tag angeschlossen und wir brauchen nur noch die Pflasterarbeiten“, sagt Swart. Danach können die ersten Gäste einchecken.
Start-up schreibt noch rote Zahlen
Das Geschäft laufe bisher gut, sagen die Gründer. Die Nachfrage sei da. Laut Roatel lag die Auslastung im August 2025 bei etwa 60 Prozent. Von Januar bis Juli 2025 seien es 50 Prozent gewesen. Das sei mehr als in gewöhnlichen Hotels, behaupten sie. Und schon ab 40 Prozent lohne sich das Ganze, auch wenn Roatel insgesamt noch nicht profitabel sei. „Wir schreiben noch keine schwarzen Zahlen“, sagt Kals. Im ersten Quartal 2025 fuhr das Unternehmen einen Verlust von etwa 380.000 Euro ein. Für das gesamte Jahr 2025 rechnet Roatel mit einem Verlust von etwa 1,2 Millionen Euro.
Läuft alles nach Plan, soll sich das bald ändern. „Ende 2027 rechnen wir mit dem Breakeven“, sagt Theisen. Um am Ende rentabel zu sein, müssen laut den eigenen Berechnungen etwa 84 Roatels betrieben werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, doch der Ausbau geht voran. Als einer der nächsten Standorte sollen Container im Skigebiet im nordrhein-westfälischen Winterberg errichtet werden.
Läuft alles nach Plan, soll sich das bald ändern. „Ende 2027 rechnen wir mit dem Breakeven“, sagt Theisen. Um am Ende rentabel zu sein, müssen laut den eigenen Berechnungen etwa 84 Roatels betrieben werden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, doch der Ausbau geht voran. Als einer der nächsten Standorte sollen Container im Skigebiet im nordrhein-westfälischen Winterberg errichtet werden.
Um die angestrebte Expansion zu finanzieren, wurden nach Roatel-Angaben bisher etwa 10 Millionen Euro Kapital eingesammelt. Zu den ersten Investoren gehörten neben den Gründern auch Peter Prange, früheres Mitglied der Geschäftsführung eines Wuppertaler Schuhhauses und von Salamander Deutschland. Zusätzlich zeichneten etwa 500 Anleger eine Anleihe des Unternehmens und investierten so rund 790.000 Euro. Eine aktuelle Kapitalerhöhung, an der sich private und institutionelle Anleger beteiligen können, läuft über die Crowdinvesting-Plattform Conda.
Börsengang ist langfristiges Ziel
2019 als GmbH gegründet, firmierte Roatel vor einem Jahr in eine Aktiengesellschaft um. Laut Angaben der Gründer hat das Unternehmen derzeit etwa 500 Aktionäre. Künftig soll die Zahl auf etwa 1000 steigen. Die Aktien sind bereits handelbar, allerdings nicht an der Börse. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. „Langfristig ist der Börsengang das Ziel“, sagt Theisen. Ehrgeizige Pläne, und noch Zukunftsmusik.
Die Gründer sind jedenfalls weiter optimistisch, auch weil es bislang kaum zu Beschädigungen oder Diebstählen kam. Ab und an verschwinde zwar mal ein Handtuch. Aber das sei auch schon alles, berichten sie. Und auch mit Vandalismus gebe es – bis auf ein Graffiti von Fussballfans an einem Standort – keine Probleme.
Im Gegenteil. „Es gibt Kunden, die machen das Bett wie zu Hause. Dann ruft uns auch schon mal eine Reinigungskraft an und fragt, ob das Zimmer wirklich vermietet gewesen sei“, berichtet Kals. Ein anderer Gast habe einmal selbst den Spülkasten der Toilette repariert und dann eine Nachricht hinterlassen. Eher ungewöhnlich war dagegen ein hoher Wasserverbrauch in einem Roatel. „Da hat ein Gast im Sommer eine Bierkiste unter die kalte Dusche gestellt“, sagt Kals. Mit Blick auf die Kosten für Wasser und Abwasser ärgerlich. Aber Anekdoten wie diese kennt wohl jeder Hotelier.
Dieser Test ist zuerst hier in der deutschen WirtschaftsWoche erschienen