Guido Fluri setzt aufs Online-Gaming

Guido Fluri kämpft mit dem Anlagenotstand. Nach dem Verkauf des Grossteils seines Immobilienimperiums an den Versicherer Swiss Life im Jahr 2020 sitzt der Investor auf einem Berg von Geld. Er selbst schätzt sein Vermögen auf 350 bis 400 Millionen Franken. Seither brütet er täglich über dem «Next Big Thing», in das seine GF Group Holding investieren könnte. «Die Zeiten, in denen ich in erster Linie Immobilienunternehmer war, sind schon länger vorbei.» Seit Jahren investiere er nun schon in Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz. «Da war der Schritt zu E-Sports ein logischer.» Und die Gründung des womöglich bedeutendsten Joint Ventures der Schweizer Gaming-Geschichte nicht weit. Philanthrop mit GeschäftssinnDie Idee dazu kam ihm am Schreibtisch. Vor etwa zwei Jahren begann Fluri sich zu überlegen, wo das grosse Geld zu holen wäre. Letztlich auch, um seine karitativen Projekte zu finanzieren – ein Drittel seiner Holding-Einnahmen fliesst in eine Stiftung für wohltätige Zwecke wie den Kinderschutz. Fluri ist auch bekannt für seine politische Initiative zugunsten von Kindesmissbrauchsopfern. Jetzt sagt er offen, dass er das rasche Wachstum und den finanziellen Erfolg sucht. Und zwar im Geschäft mit sportlichen Videospiel-Wettkämpfen. Der Investor trug Zahlen zusammen, stellte Marktrecherchen an, bis die Wahl seines nächsten Investmentziels feststand: das Online-Gaming. Auf den ersten Blick also nicht unbedingt ein «logischer» Schritt, zwischen Immobilien, Robotik und Philanthropie. Mit Blick auf die Rendite schon eher. Das globale Geschäft mit Online-Gaming-Turnieren ist per 2021 in drei Jahren um 13 Prozent auf über 1 Milliarde Dollar angewachsen. Bis 2024 soll der weltweite E-Sports-Markt um knapp 50 Prozent zulegen. Und wer sich in diesem Geschäft auf Asien und die USA konzentriert, kann seinen Umsatz als europäischer Anbieter um drei Viertel steigern. 20 Millionen FrankenFür diese Wachstumsaussichten nimmt der Unternehmer nun viel Geld in die Hand und spannt mit der deutschen Gaming- und E-Sports-Gruppe 1337 zusammen. Beratungsagenturen der Gaming-Gruppe hatten Fluri bereits in den vergangenen zwei Jahren bei seinen ersten Gehversuchen in der Gaming-Welt begleitet. Fluri baute mit deren Hilfe die E-Sports-Marke Eurat auf, die seit 2020 diversen Gaming-Turnieren für Amateure Platz bietet und in Europa, Indien und Indonesien aktiv ist. Eurat und dessen Marktzugänge bringt Fluri jetzt in die neue Kooperation mit 1337 ein. Mit der Gruppe und einem Anfangsbudget von 20 Millionen Franken aus seiner Holding gründete Fluri das Schweizer Joint Venture Rush, das diesen Montag live gegangen ist. 75 Prozent hält Fluri, 25 Prozent die 1337-Gruppe. Ist das Joint Venture erfolgreich, reduziert Fluri seinen Anteil auf 60 Prozent und 1337 stockt auf 40 Prozent auf. Ein Netflix für VideospieleDas Besondere an Rush ist das offene Konzept. Es handelt sich um ein Forum, das jedes E-Sports-Turnierformat auf der Welt auf einer Plattform abbildet. «So lässt sich jedes Spiel mit jeder Liga userfreundlich darstellen und durchführen», sagt Fluris 1337-Partner und Rush-CEO Martin Wyss. Ein bisschen so wie Netflix, wo man Filme und Serien aus einem Menü auswählen und streamen kann. Bis jetzt funktionieren Gaming-Turniere und E-Sports-Events hauptsächlich über diverse Plattformen verstreut. Rush will die vielen Schauplätze zusammenführen. «Unsere Software vereint verschiedenste Funktionen zentral in einem Gaming-Ökosystem», sagt Wyss. Angeboten werden Abo- und Freemium-Modelle für User ebenso wie Werbeplätze, Sponsorings und Partnerschaften mit Turnierveranstaltern und Unternehmen. Rush verdient Geld mit Gebühren, sobald die Nutzer ihre Aktivitäten auf der Plattform kommerzialisieren. Fluri und Wyss haben eine Art Amazon der Spielewelt im Sinn – einen One-Stop-Shop für Gamer, die ein Abo lösen, sowie für plattformfremde Drittanbieter, die ihre Turnier-Produkte in einem weltumspannenden Online-Marktplatz einstellen können. Und das sowohl für Software (Games und Turniere) als auch für gebrauchte Spiele-Hardware – also auch einen Secondhand-Marktplatz für Gaming-Maschinen. Wobei es Investor Fluri klar mehr um die Amateure als um die Profis geht. Letztere machen nur 1 Prozent der User aus. «Wir zielen auf die Basis, die Amateure ab. Das sind die anderen 99 Prozent. Also nicht den FC Basel, sondern den FC Mutschellen.» 10 Millionen AufrufeErste Erfolge kann rush.gg, wie die Webplattform heisst, bereits verbuchen. In den Anfangsstunden wurden zehn Millionen Aufrufe gezählt. Und: «Einer der grössten Autobauer der Welt wird einen Kanal mit Spielen und Videos auf unsere Plattform bringen», sagt Fluri. Bekannt ist, dass die VW-Marke Audi bereits zu den Sponsoren in der 1337-Gruppe gehört. Auch einer der grössten Spiele-Publisher der Welt sei mit Rush eine Partnerschaft eingegangen. Dem Vernehmen nach handelt es sich um Riot Games, eine Tochter des chinesischen Internetkonzerns Tencent, mit einem Umsatz von knapp 1,8 Milliarden Dollar. Riot ist der Hersteller eines der weltweit beliebtesten Computerspiele, «League of Legends». Das Game soll künftig exklusiv auf Rush angeboten werden. Bestätigen wollen Wyss und Fluri diesen Deal aber nicht. Über Nasdaq zur MilliardeIn einem nächsten Schritt wird das internationale Wachstum fortgesetzt. Zu Indien, Indonesien und der DACH-Region sollen bald Südamerika und Russland dazukommen. Krönung der Expansionstour ist der US-Markt. Innert drei Jahren will Fluri mit Rush an die US-Tech-Börse Nasdaq. Das sind äusserst hochgesteckte Ziele – und wohl auch ein hohes Risiko, das er, wie Fluri betont, komplett selbst trage. Auch wenn das Unternehmen aktuell mit einem höheren zweistelligen Millionenbetrag bewertet ist, Fluri interessiert sich mehr fürs Potenzial. Mit dem Rush-Konzept und dem Wachstum im Gaming-Sektor sieht er in dem Joint Venture sogar das nächste Unicorn – ein Unternehmen mit einer Bewertung von 1 Milliarde Franken.