Nestlé kauft Startup Ankerkraut: Influencer schiessen gegen Schweizer Konzern

Da ist es wieder, das Nestlé-Bashing. Eben erst musste sich Mark Schneider anblaffen lassen, sein Konzern würde ungerührt vom Krieg mit Putins Russland weiter hochprofitable Geschäfte betreiben. Und nun, vier Wochen später, dröhnt ein nächstes «So nicht!» aus Facebook, Instagram und Twitter – diesmal steht der Weltkonzern in Deutschland am Pranger, wo er eben die Übernahme des Startups Ankerkraut annoncierte. Shitstorm gegen Ankerkraut Es sind die hippen Grossstädter, die im Kochtopf rühren und gerne zum Schwarzen Hawaii-Salz oder zum Holy Bolognese aus der Gewürz-Manufaktur greifen. Für sie ist klar, die exklusive Foodfirma aus Hamburg hat seine Seele verkauft – an den gefrässigen Multi aus der Schweiz. Das Echo ist entsprechend giftig: «Habe heute mein Ankerkraut-Regal zu Hause in die Tonne geworfen», schreibt einer. Und «Lefloid», der umtriebigste Ankerkraut-Influencer in den sozialen Medien, der einst Angela Merkel interviewte und es mit seinen Auftritten mit Baseball-Cap auf eine Million Follower bringt, verkündete kurz nach dem Signing des Deals: «Eine Kooperation mit Nestlé kommt für uns nicht infrage», weil moralisch nicht tragbar. Die Kritik auf allen Kanälen ist mittlerweile derart schrill, dass das Ankerkraut-Gründerpaar Anne und Stefan Lemcke über Ostern zu Anstand und Fairness aufrufen musste. Doch die Lästerei ist nicht verstummt, auch an den Lemckes nicht, denen Verrat und Geldgier vorgeworfen wird, nachdem sie gemeinsam mit Investmentfirmen die Mehrheit an Ankerkraut an Nestlé verkauft haben. Der Preis für die 80 Prozent an der Firma dürfte den Verkäufern 150 Millionen Franken in die Kasse spülen, ziemlich genau das Dreifache des Umsatzes. Ausgestiegen mit Lemckes sind auch die Investfirmen EMZ Partners aus Paris, Freigeist Capital aus Bonn und Knälmann Ventures aus Bochum. Sie kauften sich vor ein paar Jahren mit eine paar Millionen ein und vollziehen nun den lukrativen Exit. Jubel über Ankerkraut-Deal bei Venture Capitalisten Unter den Venture Capitalisten ist die Stimmung freilich ganz anders als in den sozialen Medien, da gibts keine Kapitalismus-Kritik, keinen Boykott-Aufruf. Stattdessen wird gejubelt, gratuliert und gefeiert. Insgeheim dürfte man auch auf der Chefetage in Vevey zufrieden sein; in ein paar Wochen, so lautet wohl das Kalkül, sollten sich die Wogen in der Ankerkraut-Community gelegt haben. Dann kann man sich endlich der Expansion in einem hochattraktiven Foodmarkt widmen, wo grad die Karten neu verteilt werden. Allerweltsmarke Maggi reicht nicht im Gewürzmarkt Nestlé hat in der Vergangenheit dieses Premium-Gewürzgeschäft sträflich vernachlässigt. Ihre Allerweltsmarke Maggi, im 19. Jahrhundert gegründet, kann mit Brühwürfeln oder Würzpaste Curry Thai aus dem Plastikbeutel gerade bei der nächsten Generation kaum punkten. Dabei ist der Kampf ums Kraut längst lanciert. Ende 2021 schnappte Kraft Heinz die deutsche Edelmarke Just Spices und legte für Gewürzmischungen wie Ingwer Shot oder Texas BBQ Mix angeblich 500 Millionen auf den Tisch – was einem Umsatzmultiple von Faktor 4 entspricht. Der Liebhaberpreis, den die Amerikaner zahlten, dürfte sich langfristig rechnen, denn die Produkte werden vorab übers Internet vertrieben, und zwar europaweit. Das garantiert Marge und Wachstum. Und da hat Ankerkraut mit der Marktmacht Nestlé im Rücken einiges nachzuholen. Bislang wird noch immer die Hälfte des Umsatzes in Reformhäusern und Delikatessafilialen vorab in Deutschland, Österreich und der Schweiz generiert. Kauf von Blue Bottle Coffee als Vorbild Nestlé wird sich bei dieser Reise in die Zukunft an Blue Bottle Coffee orientieren. Vor fünf Jahren schnappten die Viviser vom Genfersee den hippen Kaffeebrauer aus Oakland in Kalifornien; und zwar zum stolzen Preis von rund 450 Millionen Franken für 70 Prozent an einer regionalen Kaffeemarke mit einem Dutzend Coffee-Shops. Auch damals gingen die Wogen unter den Millennials mit Flair für Organic und Soja hoch. «Gratuliere zum Verkauf eurer Seele», hiess es auf Facebook – und tönt exakt gleich wie nach dem Ankerkraut-Deal in Germany. Doch der Widerstand, der macht erfinderisch: Um den Spirit des kalifornischen Startups nicht zu lädieren und die junge Kundschaft nicht vor den Kopf zu stossen, röstet und braut Blue Bottle ihren exklusiven Kaffee fernab vom Corporate Spirit vom Schweizer Milliardenkonzern. Auf der Blue-Bottle-Website wird der nimmersatte Eigentümer partout verschwiegen, auch das Management blieb im Sattel. Mittlerweile ist die Kritik am Riesen, der sich den Kleinen, Feinen einverleibte, ohnehin verstummt. Dafür ist die Expansion nach Japan, Südkorea und China angelaufen. So wird es auch bei Ankerkraut sein – ja kein Nestlé-Logo auf Website oder Produkten, dafür wird das an den Unterarmen bunt tätowierte Gründerpaar Lemcke als Markenbotschafter in den sozialen Medien wie eh und je verkünden: «Ankerkraut will Verantwortung gegenüber der Welt und Lebewesen, die sie bewohnen, übernehmen.» Und Nestlé-Chef Mark Schneider wird zufrieden sein. Ein nächster gut gewürzter Deal.

Nestlé kauft Startup Ankerkraut: Influencer schiessen gegen Schweizer Konzern

Guter Influencer gegen böse Nestlé