Zählen David Beckham und Queen Elizabeth noch immer zu den Kunden von Coutts?

Hans Peter Brunner: Glaubt man der englischen Presse, dann sieht es so aus, als gehörten sie zu unseren Kunden. Als eingefleischter Schweizer Privatbanker gebe ich Ihnen diesbezüglich natürlich keine Auskunft. Überdies findet kein Informationsaustausch zwischen Coutts in Grossbritannien und der Coutts Bank von Ernst in der Schweiz statt. Aber wir haben in Grossbritannien ein starkes Team, das prominente Leute betreut, das ist richtig.

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Als Leiter von Coutts International und somit Chef des grössten Teils des internationalen Private Banking der Muttergesellschaft Royal Bank of Scotland (RBS) interessiert Sie aber wohl vielmehr der Wachstumsmarkt Asien.

Brunner: Im Vermögensverwaltungsgeschäft wird in Asien noch Geld verdient. China, Indien und Indonesien machen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Diese Länder sind noch immer auf einem relativ tiefen Stand der Entwicklung. Das Potenzial ist aber riesengross, auch dank der Investitionen von aussen. Im Vergleich dazu ist Europa relativ langweilig und ausgereizt.

Das Wachstum in Asien kann ja nicht ewig weitergehen wie etwa jenes in China.

Brunner: Das ist die grosse Herausforderung. Ein gewisses Potenzial für Konflikte ist sicher vorhanden. Aber es ist bewundernswert, wie es die Regierung geschafft hat, den Lebensstandard jedes Jahr leicht anzuheben, ohne dass es zu grösseren Spannungen kam.

Singapur ist ein harter Konkurrent für den Bankenplatz Schweiz in Sachen Off-shore-Gelder, also für die grenzüberschreitenden Vermögen. Welche Vorzüge bietet denn Singapur, die die Schweiz nicht hat?

Brunner: Singapur hat einmal den Vorteil, dass es sich nicht mitten in Europa befindet und von Staaten der Europäischen Union umgeben ist wie die Schweiz. Als Finanzplatz ist Singapur allerdings viel kleiner als die Schweiz. Prognosen, wonach Singapur die Schweiz volumenmässig im Jahre 2007 überholt haben könnte, sind unrealistisch. Singapur wird sicher schneller wachsen als die Schweiz, aber wegen des asiatischen Geldes und nicht aufgrund von Vermögen, die aus der Schweiz transferiert werden. Es gibt allerdings ein paar grosse Banken in der Schweiz, die das aktiv promoten.

Und der regulatorische Druck? Ist der in Singapur nicht so gross wie in Europa?

Brunner: Das würde ich glattweg zurückweisen. Die Monetary Authority in Singapur ist eine sehr grosse Organisation. Ein Beispiel: Die waren im letzten Jahr während sechs Wochen bei Coutts in Singapur mit etwa sechs Leuten. Sie haben jedes Blatt umgekehrt und alle Prozesse analysiert. Das daraus entstandene Buch mit dem Rating war sehr gut für uns. Ich würde sagen: Singapur ist fast ebenso gut wenn nicht gar aggressiver reguliert wie die Schweiz.

Die Royal Bank of Scotland baut in Asien wie die UBS oder die Credit Suisse Group massiv aus. Welche Chancen geben Sie denn kleineren und mittelgrossen Schweizer Vermögensverwaltungsbanken, die in Asien ebenfalls wachsen wollen, aber die internationale Vernetzung nicht haben?

Brunner: In Asien gibt es keine lokalen Privatbanken, ausser vielleicht die HSBC. Unter diesen Umständen haben diese Institute eine Chance, denn im asiatische Private-Banking-Geschäft ist die Bindung zwischen Kunden und Berater sehr gross. Die Banken jagen sich allerdings gegenseitig Mitarbeiterteams ab. Das ist ein Karussell, das ziemlich ungesund ist.

Werden Sie das Zentrum des internationalen Private Banking der RBS von Zürich nach Asien verlegen?

Brunner: Wenn unser Asien-Busi-ness so weiter wächst wie in den letzten drei bis vier Jahren, dann werde ich mir als Chef dieses Geschäfts überlegen müssen, wo ich sitzen muss. Im Moment haben wir aber keine konkreten Pläne. Die Credit Suisse hat übrigens diesen Schritt bereits vollzogen.

Wie entwickelten sich die verwalteten Vermögen der Coutts Bank von Ernst im 1. Halbjahr 2005?

Brunner: Das kommunizieren wir nicht. Wir sind aber zufrieden mit dem Wachstum der Assets. Sie wachsen allerdings dank einigen wenigen Märkten, das sind Osteuropa und eben Asien.

Wie weit sind Sie mit der Integration der Bank von Ernst?

Brunner: Im Dezember 2003 kauften wir die Aktien der Bank von Ernst für 500 Mio Fr., im September 2004 erfolgte der Zusammenschluss der Banken. Seither sind wir eine Bank. Wir haben viel weniger Kunden verloren, als wir vermutet hatten.

Können Sie das in Zahlen festmachen?

Brunner: Wir rechneten mit ungefähr 10% Verlusten an verwalteten Vermögen. Wir sind unter dieser Marke geblieben.

Mit dem Kauf der Bank von Ernst «erbten» Sie auch etwas exotische Private-Banking-Standorte wie Brig oder Solothurn. Gibt es Pläne, das Netz zu straffen?

Brunner: Den Standort Frankfurt haben wir geschlossen und Monaco wurde verkauft. Brig oder Solothurn sind vielleicht nicht die wichtigsten Private-Banking-Standorte in der Schweiz, aber wir geben unseren Mitarbeitern eine faire Chance und klare Vorgaben.

Sehen Sie weiteres Wachstum via Akquisitionen in der Schweiz?

Brunner: Akquisitionen sind ganz klar ein Teil der Wachstumsstrategie. Wenn sich eine Kaufmöglichkeit bietet, die zu unserem Geschäft passt, dann bin ich überzeugt, dass die RBS das Geld zur Verfügung stellen wird. Die Dimension ist eigentlich irrelevant: Ein Haus mit 10 bis 20 Mrd Fr. an verwalteten Vermögen oder sogar eine Bank in unserer Grösse falls ein Kauf einen positiven Business Case ergibt, dann werden wir das Geld kriegen.

In dieser Liga spielen etwa Banca del Gottardo bis zur Bank Sarasin sonst gibt es nicht viel Auswahl.

Brunner: Das Problem ist, dass es im Moment keine Objekte gibt, die zu kaufen sind. Alle wollen kaufen, nicht verkaufen. Viele sind wieder total euphorisch, die Profite wachsen wieder. Wir haben aber eine langfristige Perspektive. Wenn wir dieses oder nächstes Jahr nicht kaufen, dann halt übernächstes. Wir müssen uns vorerst auf organisches Wachstum konzentrieren.

Die viel zitierte bevorstehende Konsolidierung in der Branche bleibt also vorerst aus?

Brunner: Der Leidensdruck ist nicht gross genug. Er wird allerdings wachsen. Das Private Banking wird immer mehr auch zu einem Business der kritischen Masse. Eine Bank mit 5 Mrd Fr. an verwalteten Vermögen müsste angesichts steigender Anforderungen an die EDV, Risk Management oder neuer Regulierung vieles auslagern. Aber schauen Sie mal an, was wirklich schon ausgelagert worden ist. Wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses. IT, Operations, Investment Management sind alles Kostenfaktoren, die man nicht mehr alleine tragen kann.

Stichwort Schweizer Bankgeheimnis: Ein ranghoher Privatbankier aus Genf sagte, falls die Schweiz das Bankgeheimnis abschaffe, werde der Grossteil der Auslandsbanken am nächsten Tag abziehen. Darunter würde auch die Coutts Bank von Ernst fallen.

Brunner: Das Bankkundengeheimnis spielt sicher eine grosse Rolle für die Auslandsbanken. Wenn die Regelung nicht mehr existieren würde, dann bekämen indes auch einheimische Banken massive Probleme. Etwa 70% oder 80% der Vermögen, die in der Schweiz verwaltet werden, kommen aus anderen Ländern. Ein Teil davon ist möglicherweise nicht versteuert. Wenn dann ausländische Administrationen Zugriff hätten zu Daten von Kundenvermögen in der Schweiz, gäbe das mit Sicherheit einen massiven Exodus.

Seit dem 1. Juli 2005 gilt in der Schweiz das Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU, und der Druck des Auslands auf das Schweizer Bankgeheimnis dauert an. Zeigen sich bei Ihrer Kundschaft Zeichen von Verunsicherung?

Brunner: Ich würde sagen, 99% der Kunden sind ruhig. Sie sind informiert über die Zinsbesteuerung. Wir machen uns keine Illusionen: Die Zinsbesteuerung wird ein Misserfolg werden. «Brüssel» wird nicht zu den Verrechnungssteuern kommen, die man eingerechnet hatte. Der Druck auf die Schweiz wird aber bleiben. Ebenso der Trend zu mehr Transparenz, was auch richtig ist. Aber die Schweizer Banken dürfen nicht zu Filialen der Steuerämter werden.

Sie sind Schweizer und Vertreter einer britischen Bank in Zürich. Aus London kommt aber beissende Kritik am Bankenplatz Schweiz. Fühlen Sie sich wohl in Ihrer Haut?

Brunner: Absolut. Diese Debatte fand eher auf einer politischen Ebene statt im Zusammenhang mit der EU-Zinsbesteuerung. Man vergleicht überdies Äpfel mit Birnen: London ist dem Bankenplatz Schweiz im Wertschriftenhandel und im Investmentbanking meilenweit voraus, die Schweiz hingegen hat ihre Stärken im Vermögensverwaltungsgeschäft. London wird meines Erachtens nie ein Zentrum für grenzüberschreitende Vermögensverwaltung werden, weil es zu fest in Europa eingebunden ist. Die Schweiz wird ihre komfortable Situation im Private Banking noch über viele Jahre behalten können, ausser unsere Politiker leisten sich einen Ausrutscher und geben etwas preis, was sie nicht sollten.



Der Asienkenner bei den Briten: Steckbrief

Name: Hans Peter Brunner

Funktion: CEO Coutts Bank von Ernst

Alter: 53

Wohnort: Rüschlikon

Familie: Verheiratet, zwei Söhne

Karriere

1971-1997 Banklehre, Chefrepräsentant Peking und Managing Director Hongkong bei Credit Suisse

1997-2004 COO Coutts Bank (Schweiz) in Singapur und CEO Coutts Bank (Switzerland) in Zürich

Seit 2002 CEO Coutts International

Seit 2004 CEO Coutts Bank v. Ernst

Die Bank

Als die Coutts Bank (Switzerland) im Jahr 2003 die Bank von Ernst von der HVBGroup übernahm, stieg die neu formierte Coutts Bank von Ernst zur Nummer neun unter den Schweizer Vermögensverwaltungs- und Privatbanken empor. Sie verwaltete Ende 2004 38,5 Mrd Fr. an Kundenvermögen. Die Coutts Bank von Ernst ist eine Tochtergesellschaft der Privatbank Coutts, die ihrerseits zur Royal Bank of Scotland (RBS) gehört, der zweitgrössten Bank Europas nach Marktwert. Hans Peter Brunner ist Leiter von Coutts International, dem internationalen Private-Banking-Arm der RBS.