Langweilt es Sie nicht, seit Ihrem Amtsantritt vor drei Jahren als CEO von Publigroupe immer dieselbe Frage beantworten zu müssen: Wann denn im Werbemarkt die Krise endlich zu Ende sei?

Hans-Peter Rohner: Für uns ist die Krise vorbei.

Das müssen Sie aber näher erklären.

Rohner: Bei der Analyse des vergangenen Geschäftsjahres kamen wir zum Schluss, 2004 als das Jahr eins einer neuen wirtschaftlichen Realität in der Kommunikations-, Medien- und Werbebranche zu sehen, die in der nahen Zukunft den Gang der Dinge bestimmen wird.

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Wie sieht diese Realität aus?

Rohner: Wesentlich scheint mir, dass die Werbeausgaben weniger ausgeprägt als bisher analog zum Konjunkturverlauf steigen oder sinken.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung?

Rohner: Eine Rolle spielt sicher der Strukturwandel im Bereich der Rubrikenanzeigen, wo sich parallel zur konjunkturbedingten Erholung eine Verlagerung in Richtung Internet abzeichnet. Als zweites Merkmal der neuen Realität stellen wir fest, dass die kommerziellen Anzeigen von börsenkotierten Unternehmen immer mehr je nach Geschäftsgang zur Kostenoptimierung geschaltet werden.

Wird also kurzfristiger entschieden, ob Werbung gemacht wird?

Rohner: Ja. Werbe- und Kommunikationskosten sind in der Regel der Ausgabenposten, den man bis kurz vor dem Quartals- oder Semesterabschluss direkt beeinflussen kann.

Sind diese neuen Trends bereits in den Zahlen ablesbar?

Rohner: Ja. So lassen sich einheitliche Trends, die für eine gesamte Branche gelten, kaum mehr feststellen. Es gibt innerhalb der Branchen riesige Unterschiede von Firma zu Firma. So gibt es in der Autobranche eine Marke, die im Printbereich einen Zuwachs von über 40% verzeichnet, während eine andere ein Minus von fast 20% hat. Aus diesem Grund lassen sich heute generelle Aussagen zu einzelnen Branchen nicht mehr machen, wie das vor einigen Jahren noch möglich war.

Diese Realität muss Anleger, die in Ihr Unternehmen, das von Anzeigen lebt, investieren wollen, zur Verzweiflung bringen.

Rohner: So schlimm ist es nicht. Insgesamt sind wir ja auf stabilem, leicht nach oben weisenden Kurs. Mit Blick auf den inländischen Printmedienmarkt spreche ich von nervöser Stabilität. Zudem haben wir bewiesen, dass wir die Kosten im Griff haben.

Können Sie Ihre Aussagen ein wenig konkretisieren?

Rohner: Per Ende Mai 2005 sind wir bei den Immobilien- und Stellenanzeigen kumuliert um je 10% über dem Ergebnis des Vorjahres, ungefähr in der gleichen Grössenordnung bewegt sich die Zunahme bei den beigelegten Werbemitteln wie Prospekten, Postkarten, Flyern. Der Rückgang bei der kommerziellen Werbung betrifft vor allem Autos und Grossverteiler, während die Banken, der Tourismus und der gesamte Gesundheits- und Wellnessbereich steigende Zahlen verzeichnen, die Banken sogar markant.

Wie sieht das Jahr drei der neuen wirtschaftlichen Realität aus?

Rohner: Es wird weder dramatisch schlechter, noch viel besser sein als die Jahre eins und zwei.

Wollen Sie mit Ihrem Begriff «Jahr eins einer neuen Realität» diese eher trüben Aussichten nicht einfach verschleiern?

Rohner: Überhaupt nicht. Es steckt sogar sehr viel Ehrlichkeit drin, indem wir von der Illusion, der Aufschwung werde wie in früheren Konjunkturzyklen einfach wieder kommen, Abschied nehmen. Das sind tempi passati, daran ändert sich nichts, auch wenn wir noch so lange jammern. Jetzt haben wir uns der neuen Realität mit ihren spannenden neuen Herausforderungen zu stellen.

So sieht also die Realität aus: Es wird verlagert, schneller und innerhalb der einzelnen Branchen je nach Unternehmen differenzierter entschieden. Das sieht schlecht aus für Ihre Publigroupe, die 90% ihres Geschäftes mit dem Vermarkten von Anzeigen im Printbereich macht.

Rohner: Pessimismus bringt uns gar nicht weiter. Hingegen müssen wir versuchen, unsere Kernvision von einer schweizbasierten, printbasierten, internationalen Multimediavermarktungsgruppe rasch und gut umzusetzen. Unterschätzen Sie die Anpassungsfähigkeit der Printmedien und der P! nicht.

Erstes Stichwort: Schweiz.

Rohner: Unser Hauptsitz ist und bleibt in Lausanne, unser Hauptmarkt die Schweiz.

Zweites Stichwort: Print.

Rohner: Der Schweizer Printmedienmarkt ist heute national, regional und lokal gegliedert. Ich gehe davon aus, dass wir auf allen drei Ebenen Vermarktungspartner der jeweiligen Akteure bleiben, vor allem dann, wenn aus den Verlegern Multimediaservice-Provider werden. Gerade in den regionalen Märkten wie zum Beispiel in Luzern, Bern, dem Aargau, Chur, St. Gallen ist diese Entwicklung heute schon in vollem Gang, indem sich die dortigen Verleger schon in den verschiedensten Medienbereichen engagieren.

Ist diese Entwicklung interessant für Sie?

Rohner: Ja. Es gibt uns die Chance, den Kunden, die für ihre Produkte die jeweils besten Werbekanäle suchen, massgeschneiderte Angebote zu machen. Das heisst, dass wir nicht mehr nur Inserate verkaufen, sondern Werbewirkung. Ein Detailhändler in Morges beispielsweise muss, um erfolgreich zu sein, 70% seiner möglichen Kunden ansprechen, egal ob das nun über Inserate, Flyer, Plakate oder Radiowerbung erfolgt. Dementsprechend haben Verleger die verschiedensten Werbekanäle anzubieten, damit sie bei jenen Werbekunden zum Zug kommen, die möglichst viele Schichten von Konsumenten gezielt ansprechen wollen.

Verfügt die Publigroupe über das erforderliche Know-how, um bei allen Distributionskanälen als kompetenter Partner auftreten zu können?

Rohner: Der Printbereich ist unser angestammtes Geschäft. Da macht uns wohl kaum jemand etwas vor. Was uns noch fehlt, ist Vermarktungskompetenz in der Radio-, Fernseh-, Internet- und Mobilkommunikationsindustrie. Daran arbeiten wir und haben vermutlich die Hälfte des Weges, den wir beschreiten müssen, hinter uns.

Kommen wir zum dritten Stichwort: Internationalität. Was ist geplant, zumal der schweizerische Markt, auf dem Publigroupe 80% ihres Geschäftes realisiert, einfach seine Grenzen hat?

Rohner: Was wir planen? Nach diesem Interview steht in meiner Agenda die wöchentliche Chinesisch-Lektion.

Ist also China der kommende Markt für Sie?

Rohner: Das ist ein Markt, auf dem wir uns seit fünf Jahren mit grosser Geduld Schritt für Schritt entwickeln. Dieses Jahr werden wir dort mit 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwa 20 Mio Fr. Umsatz machen. Heute beschränken wir uns noch auf den Zeitschriften- und TV-Markt, aber denkbar ist auch eine Ausweitung auf die Zeitungen. China kann für uns ein wichtiger Markt werden in fünf bis zehn Jahren, allerdings nicht ohne Risiken.

Und Europa?

Rohner: Ich denke, dass wir uns mit unserer Erfahrung überall anbieten können, wo Verleger beim Outsourcing von gewissen Anzeigenbereichen Unterstützung suchen. Wir sind bereits mit einigen möglichen Partnern im Gespräch und denken, dass wir bald Erfolge vermelden können. Printmedien stehen innovativen Vermarktungskonzepten offener gegenüber als auch schon.

Kommen wir nun zum gesamten Multimediabereich. Im vergangenen Jahr sagten Sie in einem «HandelsZeitung»-Interview, die Schweizer Verleger seien zu wenig innovativ ...

Rohner: ... was mir nicht nur freundliche Kommentare eingetragen hat.

Was Sie nun im Multimediabereich planen, setzt einen innovativen Verleger voraus, der bereit ist, sich der neuen Wirtschafts- und Kommunikationsrealität anzupassen. Gibt es diese Verleger?

Rohner: Ich denke schon. Die regional führenden Verlagshäuser konzentrieren sich nicht mehr nur auf ein Medium. Schauen Sie einmal nach Luzern, St. Gallen, Bern, wo die Verleger veritable Plurimedia-Unternehmer sind und unsere Vision heute zum Teil schon Realität ist.

Publigroupe und Internet: Weckt das nicht ungute Erinnerungen an das überstürzte Engagement vor ein paar Jahren, das Ihrem Unternehmen einige 100 Mio Fr. kostete?

Rohner: Vorerst einmal zur Klarstellung: Etwas mehr als 100 Mio Fr. sind nicht einige 100 Mio Fr. Und unsere initiale Strategie war auch aus heutiger Sicht gut, in der Hype-Phase einfach zu euphorisch. Abgesehen davon, dass sich unser neues Engagement in viel geringeren Dimensionen abspielt, haben wir gelernt und werden die Fehler kein zweites Mal mehr machen. Kommt hinzu, dass sich das Internet in den vergangenen fünf Jahren enorm entwickelt und konsolidiert hat, sodass erfolgreiche Geschäftsmodelle heute möglich sind.

Der Begriff Crossmedia taucht immer wieder als beinahe magisches Stichwort auf. Was ist das?

Rohner: Es ist im Moment leider zu einem Modebegriff verkommen. Ich verstehe darunter einen Werbekunden, der in der Absicht, eine maximale Werbewirkung zu erzielen, ganz bewusst verschiedene Medien zu einem Gesamtplan verknüpft, der auf dem Zusammenspiel und der Komplementarität der einzelnen Medien aufbaut.

Kann man solche Angebote bei Ihnen schon buchen?

Rohner: Das ist heute schon möglich, aber damit Crossmedia-Werbung voll zum Tragen kommt, brauchen wir eine voll digitalisierte Produktion der Werbemittel, die uns die Möglichkeit gibt, die Werbung flexibel, zeitgerecht und kostengünstig in die verschiedenen Kanäle fliessen zu lassen. So weit sind wir heute jedoch noch nicht.

Sie geben sich äusserst experimentierfreudig. Können Sie das alles finanzieren?

Rohner: Ja. Vor allem auch deshalb, weil wir uns in einem Markt bewegen, den wir bis ins kleinste Detail kennen und der mit unseren Standardaktivitäten aufs engste verbunden ist. Niemals aber würde ich in einem fremden, osteuropäischen Markt mit Werbevermarktung im Mobilkommunikationsbereich beginnen. Wenn wir im Ausland einsteigen, dann über ein Business, das wir kennen und beherrschen. Das ist eine der Lektionen, die wir in den vergangenen Jahren gelernt haben.



Steckbrief

Name: Hans-Peter Rohner

Funktion: CEO Publigroupe

Geboren: 6. Juni 1953, Reute AR

Zivilstand: Verheiratet, eine Tochter

Wohnort: La Conversion s/Lutry VD

Ausbildung: Werbekaufmann

Karriere

1972-1976 Publicitas, St. Gallen 19761982 Anzeigenabteilung «Tages-Anzeiger», Zürich 19821985 Verlagsleiter Zeitschriften «Tages-Anzeiger»

1985-1993 Mitglied der Generaldirektion Publicitas, Lausanne

1994-2002 Mitglied Generaldirektion Publigroupe,verantwortlich für strategisches Marketing

Seit 1. Juli 2002 CEO Publigroupe

Die Firma

Mit einem Umsatz von 1,981 Mrd Fr. (2004) ist die in Lausanne domizilierte Publigroupe der grösste Werbevermarkter in der Schweiz. Die Gruppe ist vor allem in den Bereichen Presse (PubliPresse), Directories (PubliDirect), Internet (PubliConnect), in zunehmendem Mass aber auch in der Fernseh- und Kinowerbung (Cinecom) tätig. Daneben ist sie an Schweizer Printmedien beteiligt, so am «Bund» (20%), der «Südostschweiz» (20%), am «St. Galler Tagblatt» (25%) und der «Basler Zeitung» (37%). In den letzten Monaten hat die Publigroupe sich jedoch aus mehreren verlegerischen Aktivitäten zurückgezogen und Beteiligungen gegen die Übernahme von Inserateregie getauscht. (syn)



Zürich und Mittelland: Neue Strategie

Mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit baut CEO Hans-Peter Rohner die Vermarktungsstrategie der Publigroupe aus. Sein jüngster Coup ist die Übernahme der gesamten Anzeigenregie der «Mittelland Zeitung». Gleichzeitig verkauft Publigroupe ihren bisherigen Anteil von 35% an der Vogt-Schild («Solothurner Zeitung») an die AZ Medien Gruppe. Mit dieser Aktion ist es der Publigroupe auf einen Schlag gelungen, sowohl die eigene als auch die Position der «Mittelland Zeitung» zu verstärken. Rohner hält den Konsolidierungsprozess im Marktbereich zwischen Zürich und Bern für noch nicht abgeschlossen.

Dank der engeren Zusammenarbeit mit der NZZ-Gruppe verstärkte Publigroupe ihren Einfluss auch im Raum Zürich. Sie reduzierte dabei ihr verlegerisches Engagement und baute ihre Position als Vermarkter aus. Seit Anfang 2005 sind die Lausanner für die Anzeigenregie der «NZZ»zuständig. Verkauft haben sie hingegen eine Minderheitsbeteiligung von 40% an der Akeret Druck und Verlag (bisher 100% bei der Publigroupe) sowie die Hälfte (20%) ihrer Minderheitsbeteiligung an der Zürichsee Presse AG an die NZZ-Tochter Freie Presse Holding AG (FPH). Im Gegenzug beteiligte sich die Publigroupe zu 11% an der FPH. (syn)