Zwar scheint das Spendenvolumen trotz Rezession nicht zu sinken (siehe Grafik S. 34), doch immer mehr Institutionen streiten sich um den stagnierenden Spendenkuchen: «Vor allem Sachprojekte haben es schwieriger. Menschen sind spendierfreudiger, wenn es um Menschen geht», analysiert der Fundraising-Experte Gerhard Grossglauser von der Schweizerischen Stiftung für das cerebral gelähmte Kind. Und die Caritas stellt fest, dass die «Spendertreue» sinkt. Pressesprecher Odilo Noti: «Spender entscheiden heute situativer, wechseln ab.»

Der Kampf werde auch härter, weil immer mehr ausländische Werke auf den Schweizer Spendenmarkt drängten, ergänzt Seta Thakur vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz HEKS. HEKS stellt fest, dass projektbezogene Spenden zunähmen - auf Kosten von Spenden, über die das Hilfswerk frei verfügen kann. Vermehrt würden auch kommerzielle Anbieter um Leistungsaufträge des Staates wetteifern, die früher den Hilfswerken vorbehalten waren, fügt Pressesprecher Beat Wagner vom Schweizerischen Roten Kreuz an. HEKS bereitet ein weiterer Trend Sorgen: «Stiftungen gehen vermehrt dazu über, nur noch kleinere Werke zu unterstützen.»

Die Hoffnung vieler Hilfswerke, das Spendenvolumen weiter steigern zu können, beruht aber gerade auf den Stiftungen. Diese sowie Banken und Vermögensverwalter möchte man in Zukunft stärker anzapfen. Stiftungen verfügten tatsächlich über Geld in Hülle und Fülle, weiss der langjährige IKRK-Mitarbeiter Fredi Isler, der heute als Vermittler zwischen Geldgebern und Projekten tätig ist. Er bezweifelt aber, dass es den Hilfswerken gelingen wird, mehr Geld von Stiftungen zu erhalten: «Stiftungen wollen heute vermehrt direkt in Auslandprojekte investieren. Das ist sehr kosteneffizient, und man weiss, wo das Geld hinfliesst.» Ins gleiche Horn bläst Rolf Leutert, Geschäftsführer der Jubiläumsstiftung Georg Fischer, die 2002 1,4 Mio Fr. in 15 Projekte investiert hat: «Bei uns fliesst das Geld zu 100% in die Projekte.» Das sei nicht nur kostengünstig, sondern helfe auch, sich mit der Sache zu identifizieren. Doch auch GF arbeite mit Hilfswerken zusammen, nur «beteiligen wir uns nicht an deren Unkosten», so Leutert.

Wo der Kampf um die Mittel härter wird, ist die Gefahr gross, dass immer mehr Geld dazu aufgewendet werden muss, um überhaupt an das Spendengeld heranzukommen. Versickert also immer mehr Geld in der Verwaltung und im Fundraising?

*Effiziente Schweizer Organisationen*

Wer für einen guten Zweck spendet, will wissen, wie haushälterisch das Hilfswerk mit dem Spendenfranken umgeht. Eine Umfrage der «HandelsZeitung» zeigt, dass an vielen Orten der Aufwand für das Fundraising gegenüber dem letzten Jahr nicht zugenommen hat. «Das Fundraising ist professioneller geworden, aber nicht unbedingt teurer», urteilt Grossglauser. Wende ein Hilfswerk rund 15% für Verwaltung und Fundraising auf, sei dies vernünftig; bei mehr als 30% sei Vorsicht angesagt.

Für Walter Fust, Direktor der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit Deza, gilt als Faustregel, dass nicht mehr als 12 bis 14% der gespendeten Gelder für Fundraising und Administration aufgewendet werden dürfen. «Humanitäre Projekte sollten eher darunter liegen», differenziert er.

Damit sind die Schweizer Hilfswerke effizienter als die grossen internationalen Institutionen, die im Durchschnitt 15 bis 20% der Spenden für die Organisation selbst abzweigen. In Deutschland beispielsweise erhalten auch jene Hilfsorganisationen das Spendensiegel vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen DZI, die bis zu 35% des Geldes für Verwaltung und Werbung einsetzen.

*Auch bei den Hilfswerken gibt es Schlaumeier*

Doch die Geister scheiden sich ob der Frage, wie aussagekräftig solche Zahlen letztlich sind. Entscheidend sei nicht der absolute Betrag, der für das Fundraising aufgewendet werde, sondern was dabei herausschaue, ist Seta Thakur vom HEKS der Meinung. So stecke HEKS zwar 5% der Spenden in die Kommunikation, doch mit jedem Franken generiere man acht neue Spendenfranken.

Und Für Andreas Zehnder von der Winterhilfe bedeuten hohe Personalkosten noch lange nicht, dass ein Hilfswerk ineffizient sei: «Gesuche um Direkthilfe zum Beispiel sind arbeitsintensiv, denn sie müssen seriös bearbeitet werden.» Auch Deza-Direktor Fust macht klar: «Aufwand und Nutzen müssen projektbezogen beurteilt werden.»

Doch gerade das ist für einzelne Spender ein schwieriges Unterfangen. Zumal es auch keine allgemein anerkannte Definition gibt, was als Projekt gilt. «So können Informationskosten beispielsweise in die Projekt- oder in die allgemeinen Unkosten eingeschlossen werden. Ein fairer Vergleich der Effizienz ist sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich», sagt Primus Fellmann, Rechnungsprüfer von PricewaterhouseCoopers. Er prüft seit 20 Jahren auch Rechnungen von Hilfswerken.

Bei der Wahl eines Hilfswerkes alleine auf den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand abzustellen, greift also zu kurz. Odilo Noti von der Helvetas hält die Kooperationsfähigkeit mit der Deza und der Glückskette für ein weiteres verlässliches, positives Gütezeichen: «Wer da mittun will, muss über ein gewisses Mass an Eigenmitteln verfügen.» Auch für Deza-Chef Fust ist der «Eigenfinanzierungsgrad» wichtig: «Für viele Projekte der Deza erhalten die Werke nur Bundesbeiträge, wenn sie selbst einen bestimmten Prozentsatz des Budgets beisteuern.»

Zusätzliche Orientierungshilfen bieten ISO-Zertifizierungen oder das Gütesiegel der Zewo, die gemeinnützige Organisationen zertifiziert. Die Zewo vergibt das Gütesiegel seit 1940 an jene Institutionen, die sich an gewisse Qualitätsstandards halten. Doch die Zertifizierung durch die Zewo ist nicht gratis - und wird inskünftig teurer. Eine Erstzertifizierung kostet durchschnittlich 4000 Fr. Neu muss diese Zertifizierung alle fünf Jahre erneuert werden. Zudem fallen Lizenzgebühren an - jährlich zwischen 500 und 11 000 Fr, abhängig vom Umsatz einer Organisation. «Das können sich kleinere Hilfswerke kaum leisten», glaubt Grossglauser. Von den rund 3000 in der Zewo-Datenbank aufgelisteten Hilfswerken sind denn auch nur gut 300 zertifiziert. Es sind dies vor allem die Grossen der Branche.

*Zewo-Gütesiegel nicht das Mass aller Dinge*

Hilfswerke ohne Zewo-Gütesiegel zu verschmähen, wäre aber sowieso falsch. Denn auch grundsätzliche Überlegungen können dazu führen, dass sich ein Hilfswerk nicht zertifizieren lässt. Médecins sans Frontières oder World Vision beispielsweise sind bekannte Hilfswerke, die beide nicht Zewo-zertifiziert sind. World Vision hat das Spendenvolumen im letzten Jahr um 26% steigern können - auch ohne Gütesiegel. Die Organisation profitiert dabei vom Trend, dass Spender den Einthemen-Hilfswerken immer mehr Priorität einräumen. Man halte eine Mitgliedschaft bei der Zewo zwar für wünschenswert, doch werde die Idee der Kinderpatenschaften, mit welchen World Vision Hilfe leiste, von der Zewo als «Werbegag» abgetan, erklärt Daniel Schindler von World Vision. «Für unsere eigentliche Arbeit ist die Zewo-Mitgliedschaft aber nicht so wichtig. Wir halten uns freiwillig an die Zewo-Regeln und werden auch vom Bund unterstützt», relativiert er die Bedeutung des Zewo-Siegels.

Während die Kantone die Zewo-Auszeichnung immer noch als relevant betrachten, stellt die Deza also nicht nur auf das Zewo-Siegel ab. Die Erfahrung zeige, so Direktor Fust, dass gerade kleinere Hilfswerke nicht weniger effizient seien als grosse.

Immerhin werden die Hilfswerke dank neuen Rechnungslegungsstandards inskünftig besser vergleichbar sein. Letztlich bietet aber nur ein Augenschein vor Ort Aufschluss darüber, wie zielgerecht Spendengelder eingesetzt werden.

Partner-Inhalte