Erstklassige Lage, grosszügige Schaufensterfläche, opulente Entfaltungsmöglichkeiten auf vier Etagen: Die Zürcher Retail-Liegenschaft an der Ecke Bahnhofstrasse/Sihlstrasse müsste eigentlich eine Traumlage für jeden Detailhändler sein. 

So war es einst auch: Lange Jahre siedelte Charles Vögele in dem Bau. Als der Schweizer Modehändler ins Trudeln kam, streckte die Migros-Tochter SportXX ihre Fühler aus – und wurde dann von der Charles-Vögele-Nachfolgerin OVS ausgebootet.

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Over. Vorbei. Schluss

Tempi passati. Aktuell ist diese 1A-Lage ein Retail-Trockendock. Das Portal: geschlossen. Die Verkaufsflächen in dem Haus, das einem italienischen Modehändler als stolzes Flagship galt: verwaist. Die Schaufenster: mit Packpapier abgedichtet. 

Wo der Blick durchs Packpapier dringen darf, siehts traurig aus. Alle Decken-Spots erloschen, Verkaufsflächen leergefegt: Mehr Tristesse pro Quadratmeter geht nicht. Der Firmenbriefkasten draussen, immer noch auf OVS lautend: zugemüllt. Einst stand hier OVS für junge italienische Fashion. Heute heisst das: Over. Vorbei. Schluss.

Home24 öffnet Showroom Ende September

Jetzt soll wieder Leben in die Bude kommen. Wie ein Schild am einstigen OVS-Schaufenster verkündet, wird an dieser Lage ein Showroom des deutschen Online-Möbelhändlers Home24 einziehen. Eine Sprecherin der Firma bestätigt dies und nennt als Öffnungsdatum Ende September.

Ob das Unternehmen alle vier Etagen beziehen wird und ob es sich bei dem Engagement um ein zeitlich begrenztes «Pop-up» oder um eine feste Installation handelt, kann oder will man bei Home24 aktuell noch nicht sagen. Beobachter gehen davon aus, dass sich der Onliner kaum auf allen vier Etagen verbreiten wird, sondern hauptsächlich das Erdgeschoss mit seinen rund 800 Quadratmetern Verkaufsfläche bespielen wird.

Offline raus, online rein

Neben der Tatsache, dass eine erstklassige Adresse in Monatsfrist wieder ins Retail-Leben zurückgeholt wird, ist auch die unterschiedliche Ausrichtung von Vor- und Nachmieterin interessant: offline raus, online rein.

Davon werde man in Innenstädten künftig mehr sehen, sagt Michael Dressen. Der Retailprofi ist beim Immobiliendienstleister CBRE Schweiz zuständig für den Bereich High-Street Retail und verfolgt den jungen Trend seit Beginn: Bisher habe man im stationären Handel ein «Sterben auf Raten» gesehen, jetzt aber zeige sich mit der Online-Offline-Wechselwirkung das Zeichen der Transformation: «Während stationäre Retailer wie beispielsweise H&M und C&A nun deutlich in ihre E-Commerce-Plattformen investieren, versuchen Online-Händler immer stärker, sich mit einem Offline-Standort von ihrer Konkurrenz zu differenzieren und die Produkte und Marken erlebbar zu machen.»

Home24 in der realen Welt: Zwei Outlets, sieben Showrooms

Tatsächlich öffnen einstige Pure-Player wie Zalando und Amazon da und dort stationäre Ableger; von Suchmaschinen-Riese Google wird demnächst ein erster Offline-Auftritt in Chicago erwartet. About You, die Online-Modetochter des Otto-Versandes, besetzt in Berlin, Hamburg und München eigene Flächen.

Home24 ist heute schon mit je einem Outlet in Berlin und Bottrop vertreten; an beiden Orten breitet sich die Firma auf rund 1000 Quadratmetern aus. Dazu kommen sieben Showrooms in Deutschland.

«Zalandos kleiner Bruder»

Das Unternehmen Home24 wurde im Jahr 2009 gegründet und kam später unter die Fittiche der deutschen Internet-Schmiede Rocket Internet. In diesem Verbund wurden die Online-Möbler auch als «Zalandos kleiner Bruder» bekannt. Mitte 2018 ging Home24 an die Börse.

Die Firma setzte 2017 etwas über 300 Millionen Franken um. In der Schweiz ist Home24 seit dem Jahr 2014 aktiv. Bisher ausschliesslich im Internet – und nun also bald auch erstmals mit einem Showroom an bester Lage.