Der deutsche Unternehmensberater Matthias Lowin lässt an der Schweizer Hotellerie kaum ein gutes Haar. Die hiesige Stadthotellerie sei zum grossen Teil veraltet, es seien in den vergangenen Jahren zu wenig Investitionen für Renovationen oder Neueröffnungen getätigt worden, sagt der Geschäftsführer der Feuring Hotelconsulting GmbH in Mainz. Und: «Auch die Schweizer Ferienhotellerie hinkt der Konkurrenz, etwa in Österreich, hinterher, es fehlen hier erstklassige Resorts und Appartement-Hotels.»

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Lowin bietet der Schweiz Entwicklungshilfe an und hat unlängst an einer Veranstaltung der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) über die Voraussetzungen für erfolgreiche Hotelprojektentwicklungen referiert. Er selbst hat mit seiner Beratungsfirma in Davos das Mega-Projekt Stilli Park initiiert. Geplant ist, im Jahr 2010 das höchstgelegene Fünfstern-Konferenzhotel der Welt mit 180 Zimmern und 60 Luxusappartements zu eröffnen. Betreiberin wird die britische Intercontinental Hotels Group sein. Über den Verkauf von Privatresidenzen will sich das Hotelprojekt selber finanzieren können.

Gute Ideen ohne finanzielle Basis

Für Guglielmo Brentel, Präsident von Hotelleriesuisse, sind solche Finanzierungsprojekte ein möglicher Weg in eine erfolgreiche Zukunft der Schweizer Hotellerie. «Wenn ein Betrieb verschiedene Leistungen der Wertschöpfungskette ins Angebot integrieren kann, erreicht er eine Umwegrentabilität.» Ein gutes Beispiel für solche hybriden Betriebe seien auch die erfolgreichen Grand Hotels Bad Ragaz, welche das Kerngeschäft Logement über ihre Thermen und das Spielcasino alimentieren. Das Andermatter Tourismusprojekt des ägyptischen Grossinvestors Samih Sawiris mit integrierten Hotels, Ferienwohnungen und Sportstätten basiert ebenfalls auf dem Prinzip der Umwegrentabilität.

Der Grossteil der Schweizer Hotelbetriebe kann indes nicht auf superreiche Mäzene wie Sawiris oder Thomas Schmidheiny (Bad Ragaz) zurückgreifen. Sie müssen über die Schaffung eines einzigartigen Angebots ihre Rendite sicherstellen. Brentel ruft deshalb die Hoteliers auf, nur im Sinne des Gastes zu investieren. Ein Ausbruch aus der Mittelklasse sei für die meisten Betriebe mit relativ geringen Mitteln machbar. Dennoch fehle guten Ideen von Hoteliers oft die finanzielle Basis zur Umsetzung. Der Verbandspräsident ruft deshalb Banken und SGH auf, auch kleinere Hotelbetriebe mit innovativen Erneuerungskonzepten finanziell zu unterstützen. Zur Klärung auch dieser Frage hat die Grossbank UBS, die beim Projekt Stilli Park als Finanzberaterin engagiert ist, mit Unterstützung namhafter Hoteliers und Verbände jüngst eine «Outlook»-Studie zur Wettbewerbsfähigkeit von Hotels erarbeitet. Für Jürg Stucki, Tourismusverantwortlicher bei der UBS, haben Häuser mit guten Betriebskonzepten und einem kompetenten Management die besten Chancen, Fremdkapital zu erhalten: «Entscheidend ist, dass Investitionsprojekte attraktive und nachhaltige Ertragspotenziale versprechen.»

Für Andreas Deuber, Geschäftsführer der SGH, ist klar, dass eine Unterstützung von Hotels, die bereits «bis unters Dach verschuldet sind», ökonomisch nicht vertretbar sei und auch aus Sicht der Wirtschaftsförderung keinen Sinn mache. «Finanzielle Leistungen unsererseits setzen wertsteigernde Investitionen voraus oder müssen zumindest im Rahmen der Verschuldungskapazitäten eines Betriebes liegen.» Die Strategie des Davoser Stilli-Park-Projekts, mit Hilfe von Privatwohnungen den Hotelbetrieb zu stützen, trägt Deuber mit. Eine neue Hotelanlage müsse in der Regel zu 60% ausgelastet sein, um die Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten zu decken, sagte er der Fachzeitung «hotel+tourismus revue». In der Schweizer Hotellerie betrug die mittlere Auslastung 2006 indes gerade mal 43%.

Ausweg aus dem Teufelskreis

Für Deuber ist die Entwicklung der Hotellerie nicht von der Standortfrage zu trennen. Er geht auch dort von einem Konzentrationsprozess zuungunsten von peripheren Regionen aus. «Die Schweizer Ferienhotellerie braucht Destinationen mit einer ausreichenden Grundauslastung.»

Guglielmo Brentel unterstreicht diese Aussage und wünscht sich vor allem mehr rentable Hotels in Destinationen, die in den vergangenen Jahrzehnten vom Zweitwohnungsbau und sogenannten kalten Betten überwuchert wurden. «Wo leere Ferienwohnungen Überhand nehmen, verschwindet das Geschäft rundherum, was die Attraktivität des Standorts massiv schmälert.» Aus diesem Teufelskreis finde der Tourismus nur mit Hilfe von rentablen Hotelbetrieben heraus.

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Nachgefragt Guglielmo Brentel, Präsident von Hotelleriesuisse: «Unser Land ist heute massiv überreguliert»

Sie beklagen immer wieder Standortnachteile für die Schweizer Hotellierie. Was meinen Sie genau damit?

Guglielmo Brentel: Die Politik bringt dem Tourismus respektive der Hotellerie hierzulande zu wenig Interesse entgegen. Während etwa die Landwirtschaft kräftig subventioniert wird, müssen die Hotels als ebenfalls standortbezogene Branche mit allen Nachteilen der Hochpreis- und Hochkosteninsel Schweiz alleine zurechtkommen. Wenn bei den Rahmenbedingungen keine Verbesserungen eintreten, dann werden die Schweizer Hotels bei den Preisen international nie konkurrenzfähig sein.

Welche Rahmenbedingungen sprechen Sie an?

Brentel: Den Hotels müssen bessere Ausnutzungsziffern als im Wohnungsbau gewährt und die Anschlussgebühren gesenkt werden. Die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips sowie Parallelimporte würden die Kostenunterschiede gegenüber der EU verringern. Es muss eine konsequente Liberalisierung durchgesetzt werden, die Hemmnisse abbaut, unter welchen die Schweizer Hotels heute leiden. Unser Land ist heute massiv überreguliert.

Der Krebsgang bei vielen Hotels ist aber auch selbstverschuldet.

Brentel: Auf jeden Fall. Die Forderung nach besseren Rahmenbedingungen entbindet die Hoteliers nicht von ihren eigenen Hausaufgaben. Innovative Konzepte sowohl bei Angebot als auch Finanzierung sind gefragt. Innovation statt Imitation. Wer nur passiv auf die Gäste wartet, hat im Hotelmarkt nichts verloren.

Konkurrenten wie die Österreicher verkaufen sich zudem besser.

Brentel: Auch in diesem Punkt müssen der Schweizer Tourismus und die Hotellerie zulegen. Grosse und übergreifende Destinationen können Marketinggelder äufnen und sich weltweit besser positionieren. Wir müssen unsere touristischen Mikrostrukturen aufgeben.

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Begriffe: Das ABC modernen Hotel-Managements

Umwegrentabilität

Sogenannte hybride Hotels reichern den Betrieb mit weiteren Leistungen der Wertschöpfungskette an (Wohnungsverkauf, öffentliche Wellnessanlage, Casino, Restaurant etc.) und können so das Kerngeschäft Logement ankurbeln und subventionieren.

Wettbewerbsfähigkeit

Die Zahl der Hotelbetriebe in der Schweiz nimmt kontinuierlich ab zugunsten von weniger, dafür grösseren Betriebseinheiten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Hotels innovative Leistungen für ein klar definiertes Zielpublikum erbringen.

Fremdfinanzierung:

Um kreditwürdig zu sein, fordern Grossbanken wie etwa die UBS von Hotelbetrieben Projekte, die attraktive Ertragspotenziale versprechen und langfristig sowohl die Kapitalverzinsung und Amortisation als auch die notwendigen Ersatzinvestitionen zulassen.