Die Bilanzskandale um Enron und Worldcom haben in den USA nicht nur zu neuen Gesetzen (Sarbanes Oxley Act) geführt, sie schafften unter den Rechnungslegungsexperten in Übersee auch ein neues Klima für grenzüberschreitende Gespräche. Bis anhin galt der Rechnungslegungsstandard US GAAP als «die Bibel» für amerikanische Unternehmen und internationale Konzerne, die sich um eine Kotierung an der US-Börse bemühten. In den umfangreichen Werken, mit mehreren tausend Seiten, lässt sich für die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) auf alle Fragen eine exakte Antwort finden. Allerdings hat sich bei den Finanzmanipulationen gezeigt, dass gerade in der Reichhaltigkeit von Standards auch der Keim von Missbräuchen steckt. Demgegenüber richten sich die International Financial Reporting Standards (IFRS) an Prinzipien aus. Die neuen Rechnungslegungsstandards bauen auf den früheren 41 Normen der International Accounting Standard (IAS) auf.

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Skepsis bei Finanzchefs und Analysten

Seit rund drei Jahren finden nun zwischen dem International Accounting Standards Board (IASB), der für das IFRS-Regelwerk zuständig ist, und dem Financial Accounting Standard Board (FASB), der US GAAP weiterentwickelt, vertiefte Gespräche zu einzelnen Aspekten der Rechnungslegung statt. Eine Arbeitsgruppe nimmt sich derzeit intensiv des Themas der Business Combinations an. An einer kürzlich vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG veranstalteten IFRS-Konferenz waren von Mitgliedern dieser Expertengruppe durchaus optimistische Töne bezüglich einer Annäherung zu hören. Sowohl Edward Trott (FASB) als auch Tricia O'Malley (IASB) gehen davon aus, dass sich bezüglich der Business Combinations zwischen 2007 und 2009 eine Übereinkunft erzielen lasse. Dieser Ansicht ist auch Dennis Monson, der jahrelang als Berater des FASB diente. Es würden erhebliche Anstrengungen hinsichtlich einer Konvergenz der beiden Standards unternommen. Letztlich würden aber die jeweiligen Börsen-Aufsichtsbehörden darüber entscheiden, ob auch ein anderes Regelwerk als das aktuell gültige anerkannt würde.

Langer Atem bei Versicherungen

Zahlreiche europäische Chief Financial Officers (CFO) geben sich skeptisch, wenn es letztlich um die Anerkennung von IFRS durch das SEC geht. Es müsse sich erst noch weisen, ob die amerikanische Aufsichtsbehörde in kritischen Punkten das internationale Regelwerk zulasse, auch wenn keine Deckungsgleichheit bestehe. Analysten vertraten die Meinung, bei der Annäherung von US GAAP und IFRS würden einzelne technische Details ein zu grosses Gewicht erhalten. Unter anderem steht momentan zur Diskussion, wie die Minderheitsbeteiligung an einer Firma zu bewerten ist, wenn die Muttergesellschaft eine Mehrheit erwirbt. Nach dem gängigen Usus blieb der Minderheitsanteil wie bisher zum Anschaffungswert in den Büchern. Neu soll diese ursprüngliche Beteiligung zum Verkehrswert bewertet werden, wobei der Gewinn/Verlust über die Erfolgsrechnung abgebucht wird.

Sowohl die Finanzchefs wie auch die Aktienanalysten verwiesen darauf, dass dem Performance Reporting eine herausragende Bedeutung zukomme. Der Kapitalmarkt brauche eine gewisse Voraussehbarkeit bei der Rechnungslegung. Gerade die Versicherungen befürchten, dass ein künftiges Fair Value Accounting zu stärkeren Schwankungen in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung führt. Entsprechend schwer tut sich diese Branche bei der Erarbeitung eines neuen Standards. Joachim Kölschbach, Partner bei KPMG Deutschland, gab sich bezüglich der Zeitplanung sehr zurückhaltend. Erst gegen Ende 2006 würde bei den Versicherungsverträgen ein erstes Diskussionspapier für den endgültigen Standard innerhalb von IFRS vorliegen. Der Versicherungsexperte rechnet frühestens ab 2009 mit der bereinigten Version, und wenn noch eine zweijährige Übergangsphase mit einbezogen werde, sei das neue Regelwerk für die Assekuranz nicht vor 2011 zu erwarten.