Immobilienunternehmer Thomas Domenig senior spricht über den Hochhausbau und bezahlbares Wohnen

Die «Handelszeitung» stellt die Immobilienwirtschaft ins Schaufenster: Jeden Freitag kommt eine spannende Persönlichkeit aus der Branche zu Wort und schildert ihre Sicht auf den Markt. Diese Woche lesen Sie die Einschätzungen von Thomas Domenig senior. Der Architekt und Unternehmer ist Verwaltungsratspräsident von Domenig Immobilien in Chur. Die Schwestergesellschaft Domenig Architekten wird durch seine beiden Söhne Jon Domenig und Thomas Domenig junior geführt. Sie sind seit den 1960er Jahren in der Baubranche tätig. Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den damaligen Verhältnissen und heute? Bauen war früher viel einfacher. Projekte, die ich in den 1960ern und 1970ern entwickelt habe, sind heute schlicht unvorstellbar – oder sie wären nur unter erheblich grösserem Zeitaufwand realisierbar. Das ist das Ergebnis der gestiegenen Ansprüche der Nutzerinnen und Nutzer, der Nachbarn und von Verbänden und Behörden. Früher gab es mehr Entscheidungsträger, welche die notwendige Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und den Mut mitbrachten, sich für Projekte einzusetzen. Der Einfluss der öffentlichen Hand auf den privaten Bauprozess hat sich verstärkt. Dies hat nur in Ausnahmefällen zu besseren Resultaten geführt. Ferienimmobilien in den Bergen waren in der Pandemie stark gefragt. Wie werden sich die Preise nun entwickeln? Die Pandemie hat die Nachfrage nach Ferienimmobilien angekurbelt, ja. Der eigentliche Schock wurde durch die Annahme der Zweitwohnungsinitiative ausgelöst. Die Umsetzung der Initiative hat die Ausweitung des Angebots von Eigentumswohnungen als Zweitwohnsitz in gewissen Destinationen faktisch verunmöglicht. Zunächst stagnierten die Preise, weil noch altrechtliche Projekte auf den Markt kamen. Die Preisrally begann erst 2020. Einheimische, die heute eine erschwingliche Wohnung als Erstwohnsitz suchen, bekommen die Auswirkungen schmerzhaft zu spüren. Wir beobachten, dass die hohe Zahlungsbereitschaft für Zweitwohnungen vermehrt Angebote auf den Markt bringt, während die Nachfrage aufgrund der höheren Preise und der höheren Finanzierungskosten gedämpft wird. Ich rechne damit, dass sich die Preissteigerungen nicht im bisherigen Tempo fortsetzen. Der Aufschwung von Homeoffice macht auch schlechter erschlossene Gebiete zum Wohnen attraktiv. Wird Graubünden von dieser Entwicklung profitieren? Treiber der Entwicklung ist die Digitalisierung. Arbeitnehmende haben vielfach die Möglichkeit, den Arbeitsplatz im Betrieb nicht mehr jeden Tag aufzusuchen. Standortfaktoren werden wichtig, die in Graubünden gut ausgeprägt sind. Der Kanton punktet mit hoher Lebensqualität und der Nähe zur Natur. Er kann von dieser Entwicklung profitieren, wenn alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen und die weiteren wichtigen Faktoren der Wohnattraktivität vermehrt und intensiv pflegen. Wie werden sich die Preise für Wohnimmobilien entwickeln – und welche Prognose machen Sie für die Preise von Büroräumlichkeiten und Detailhandelsflächen? Unser Angebot an Wohn- und Geschäftsräumen zeichnet sich aus durch marktgerechte und erschwingliche Preise. Im Bestand sind die kurzfristigen Preisschwankungen weniger relevant. Die Wohnungsmieten haben jüngst eher etwas angezogen und der Leerstand ist rückläufig. Es besteht ein gewisser Druck nach oben. Es ist auch bekannt, dass die Nebenkosten in nächster Zeit zulegen werden. Bei den Büroimmobilien und Detailhandelsflächen muss man die Situation differenziert und abhängig von der Lage beurteilen. Hier sind die Mieten eher unter Druck. Als Gegenbewegung stellen wir in unseren Einkaufszentren in Chur fest, dass viele Kundinnen und Kunden froh sind, wenn sie wieder das physische Erlebnis des Einkaufs geniessen können. Die Besucherinnen und Besucher werden im Einkaufszentrum kompetent beraten und können sich zwischendurch mit Freundinnen und Freunden zu einem gemeinsamen Kaffee treffen. Sie haben in Ihrer Karriere verschiedene Hochhäuser erstellt. Welche Vorteile bieten solche grosse Bauten? Hochhäuser sind ein städtebauliches Gestaltungsmittel, und sie lassen mit ihrer Gebäudehöhe Raum für mehr Freiflächen, die eine attraktive und lebenswerte Umgebung ermöglichen. Sie erfüllen eine breite Palette von Bedürfnissen verschiedener Anspruchsgruppen und bieten einen Mehrwert für Bewohnerinnen und Bewohner und das umliegende Quartier. Ich habe in Chur in den 1960er Jahren die ersten Wohnblock- und Hochhausüberbauungen Solaria und Lacuna geplant und realisiert. Machen Sie einen Spaziergang durch das Lacuna-Quartier, und Sie werden verstehen, was ich meine. Hochhäuser sind jedoch keine Geldmaschinen. Sie weisen erst ab einer gewissen Höhe (etwa 50 Meter) eine höhere Wirtschaftlichkeit auf als andere Strukturen in der heute üblichen Regelbauweise mit vergleichbarer Dichte in vielen Städten. Wo findet eine Familie mit durchschnittlichem Einkommen heute bezahlbares Wohneigentum in Ihrer Grossregion? Im Churer und Bündner Rheintal und im Domleschg gibt es durchaus Chancen. Sie finden in diesen Regionen mehrere Angebote für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser ab 4,5 Zimmern für unter 800’000 Franken. In Pendeldistanz zu Chur kann man beispielsweise im Schanfigg oder im Prättigau in diesem Rahmen auch ein Grundstück kaufen und das eigene Heim nach eigenen Vorstellungen realisieren. Die Zinsen steigen. Was wird sich durch den Zinsanstieg im Immobilienmarkt verändern? Die im Juli eingeleitete Normalisierung der Zinssituation begrüsse ich. Geld darf und soll etwas kosten. Auch für uns werden zunächst die Hypotheken teurer. Als risikofähiger Investor lösen wir unsere auslaufenden Festhypotheken mit Geldmarkthypotheken ab. So können wir die Kostenentwicklung zumindest vorübergehend etwas bremsen. Ich gehe davon aus, dass der Leitzins noch weiter steigt. Damit werden auch die Geldmarkthypotheken allmählich teurer. Dies wird sich mittelfristig auf den Referenzzinssatz auswirken und damit auch auf die Wohnungsmieten. Mit den steigenden Zinsen finden institutionelle Investoren wieder Renditen ausserhalb des Immobilienmarktes; das könnte sich dämpfend auf die Landpreise und die Bautätigkeit auswirken. Thomas Domenig sen. beantwortete die Fragen schriftlich.

Immobilienunternehmer Thomas Domenig senior spricht über den Hochhausbau und bezahlbares Wohnen

Immobilienunternehmer zu höheren Zinsen: «Geld darf und soll etwas kosten»