Die Vakzine sind eigentlich ein wenig aufregender Teilmarkt der Pharmaindustrie: Natürlich, das Volumen des Impfstoffmarktes soll in den nächsten sieben Jahren von heute 10 auf 22 bis 25 Mrd Dollar anwachsen, wenn man den Experten Glauben schenken will. Doch weil mit Prävention nie so gute Gewinne erzielt werden wie mit der Therapie von (Zivilisations-)Krankheiten, können sich die grossen Pharmafirmen nicht so richtig für das Impfstoffgeschäft erwärmen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Doch seit das Vogelgrippe-Virus H5N1 sich von Vietnam bis nach Sibirien ausgebreitet hat, sind die sonst links liegen gelassenen Impfstofffirmen en vogue. Denn jeder Vakzineproduzent, der Grippeimpfstoffe herstellt, könnte einen der Regierungsaufträge zur Pandemievorsorge gewinnen. Und nur zu dramatisch tönen die Einschätzungen der diversen Gesundheitsbehörden, etwa jener von New York: Sie vermutet, dass von 10000 Bürgern der Metropole im Falle einer Influenza-Pandemie 1500 bis 3500 erkranken würden.

Ausschreibung des Bundes

Auch der Bund hat einen Auftrag für 100000 Dosen Impfstoffe gegen den Vogelgrippevirus H5N1 ausgeschrieben. Das, obwohl der einzige Impfstoffhersteller der Schweiz, Berna Biotech, das Angebot gemacht hatte, für eine Entschädigung von 10 bis 15 Mio Fr. eine Anlage zu bauen. Mit dieser könne die Firma innert weniger Wochen, Impfstoffe für die ganze Schweizer Bevölkerung herstellen.

Die Berücksichtigung eines inländischen Anbieters hätte den Vorteil, dass die Impfstoffe auch dann zur Verfügung stünden, wenn die Landesgrenzen für Produkte geschlossen würden. Die Eidgenossenschaft aber ist der Ansicht, dass mit griffigen Verträgen eine Lieferung aus dem Ausland auf jeden Fall sichergestellt werden kann. Bis am 22. September 2005 haben die Unternehmen Berna ist einer von vier Impfstoffverkäufern in der Schweiz Zeit, ihre Angebote einzureichen. «Wir werden sicher einen Vorschlag machen», sagt Berna-Chef Kuno Sommer.

Ob Berna als kleiner Fisch im Teich mit den grossen Impfstoffherstellern überhaupt etwas vom Vogelgrippe-Kuchen ergattern kann, ist aber fraglich. Auch die amerikanische Chiron, die zu 40% Novartis gehört, könnte leer ausgehen: Noch immer wartet sie auf grünes Licht von den amerikanischen Gesundheitsbehörden FDA für die Wiederzulassung ihres Grippeimpfstoffs Fluvirin. Dessen Produktion in Grossbritannien musste letztes Jahr wegen Qualitätsmängeln eingestellt werden. Keine gute Empfehlung, wenn man einen Schönheitswettbewerb um Staatsaufträge gewinnen will. Profitieren dürfte in der Schweiz folglich vor allem Roche mit dem Grippemittel Tamiflu.

Trotz der Aufregung um die Vogelgrippe bleibt das Impfstoffgeschäft ein hartes Brot. Berna Biotech hat diese Woche ihre Halbjahreszahlen veröffentlicht. Obwohl der Verlust halbiert werden konnte und die Firma vielversprechende Produkte in der Pipeline hat: Berna muss erst noch beweisen, dass sie eine attraktive Nische findet in einem Impfmarkt, der von fünf grossen Anbietern dominiert wird. Das Umfeld ist schwierig: Für die Impfstoffherstellung benötigt man lange Vorlaufzeiten, die Fixkosten betragen hohe 60%, die Absatzmenge ist schlecht planbar und die in aller Regel staatlichen Abnehmer drücken auf die Preise.

Doch derzeit ist ein Milliardenmarkt mit neuen Vakzinen am Entstehen, der aus Investorensicht viel attraktiver scheint als die klassischen Präventivimpfungen. Diese so genannten therapeutische Vakzine sollen nicht primär vorbeugen, sondern das Immunsystem befähigen, bereits vorhandene Krankheiten zu überwinden.

Bis 2010 sollen rund 20 Produkte im Markt sein, die einen Umsatz von über 4 Mrd Dollar abwerfen dürften, schätzen Branchenexperten. Die Schweizer Firma Cytos könnte am Boom partizipieren. Berna hingegen ist nur über ein Joint Venture an diesem Markt beteiligt.

Berna Biotech N

Letzter Kurs: Fr. 11

(1. Hj. in Mio Fr.)20052004%

Umsatz 66.070.8-6.8

Ebit13.920.7

Ebitmarge (in %)

Reingewinn 11.422.2

Beschäftigte74588716.0

Fazit

Berna Biotech konnte im 1. Halbjahr ihren Verlust halbieren. Dank einem Cashpolster von 169 Mio Fr und neuen Produkten hat die kleine Firma einen langen Atem. Doch der Impfmarkt ist weit weniger attraktiv als andere Pharmamärkte.

Schlummerndes Potenzial: Bernas Pockenvakzine

Das Jahr 2001 erwies sich als Glücksfall für Berna Biotech: Die Impfstofffirma hatte noch grössere Bestände an Pockenimpfstoffen eingemottet: Deren unverhoffter Verkauf an die US-Regierung bescherte Umsätze von 152 Mio Fr, denen keine Kosten gegenüber standen. Und immer noch lagerten in den Berna-Kellern Vorräte etwa gleich viele Impfstoff-Dosen, wie damals an die USA verkauft worden waren, sagt Patrik Richard, Generalsekretär von Berna Biotech. Vor kurzem hat die USA einen Auftrag zur Lieferung von bis zu 80 Mio Einheiten eines abgeschwächten Pockenimpfstoffs ausgeschrieben. Dieser basiert auf dem modifizierten Vakzinia-Virus Ankara und ist geeignet für Ältere und Menschen mit bestimmten Krankheiten. Doch diesen nun ausgeschriebenen Stamm hat Berna nicht an Lager, erklärt Richard.

Die Pocken werden als die aggressivste biologische Waffe angesehen, die Terroristen einsetzen könnten. Somit schlummert in Bernas Kellern noch immer ein grosses Gewinnpotenzial ohne Verfalldatum. (stä)

Das Grippemittel von Roche: Auch Firmen bestellen Tamiflu

Roches Grippemittel Tamiflu ist schon von 25 bis 30 Regierungen aus Angst vor einer Pandemie eingekauft worden. Mit weiteren Ländern sind die Basler im Gespräch. Tamiflu ist in der Rangfolge der meist verkauften Produkte von Roche mittlerweile auf Platz acht vorgerückt. Im 1. Halbjahr stieg der Umsatz um 357% auf 580 Mio Fr. Tamiflu ist kein Impfstoff. Es wirkt dadurch, dass es die Fähigkeit des Virus, sich im Körper zu verbreiten, verringert. So entwickelt sich die Grippe nicht zum akuten Stadium weiter. Tamiflu nimmt bei der Pandemie-Vorsorge eine zentrale Stellung ein. Denn die Bekämpfung einer durch das Vogelgrippe-Virus H5N1 verursachten Pandemie durch Impfstoffe hat einen grossen Nachteil: Das Virus könnte durch die Verschmelzung mit einer menschlichen Variante so mutieren, dass ein gegen H5N1 entwickelter Impfstoff unwirksam würde. Unter den Bestellern von Tamiflu seien mittlerweile auch grössere Firmen, sagt eine Roche-Sprecherin. Ob auch Schweizer Unternehmen das Grippemittel kaufen, verrät sie hingegen nicht. (stä)