Interhome rechnet mit bis zu 15 000 Workation-Buchungen pro Jahr

In der touristischen Welt ist «Workation» eines der grossen Trendwörter. Der Mix aus «Work» (Arbeit) und «Vacation» (Ferien) elektrisiert eine ganze Branche. Plus viele Menschen, die im Homeoffice arbeiten – und diesen Arbeitsplatz gern auch mal in den Süden oder in die Berge verschieben würden. Ob Workation aber auch zum Geschäftsmodell werden kann? Jörg Herrmann müsste es wissen. Als Chef der Hotelplan-Group-Tochter Interhome führt er einen grossen Player im Bereich der Vermittlung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern. 2021 erreichte Interhome einen verrechneten Umsatz von 275 Millionen Franken; ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2020. Waren Sie selber schon mal auf Workation? Front-Testing ist bei uns eine wichtige Sache, man muss neue Angebote auch selber ausprobieren. Ich habe schon mehrmals Workation praktiziert, mal alleine, mal mit Kollegen, mal mit der Familie. Wo haben Sie den Mix aus Arbeit und Ferien denn schon ausprobiert? Auf Mallorca, im salzburgischen Untertauern und im Schwarzwald. Workation mit der Familie – hört sich anstrengend an. Das mag so bei vielen Leuten rüberkommen. Aber so anstrengend ist das gar nicht. Es geht ja bei Workation eigentlich nur darum, dass man sein Homeoffice an einen anderen Ort zügelt. Eine Abwechslung zum Alltagstrott, an einem Ort, der Ferien-Feeling vermittelt und zum Relaxen einlädt. Und dort ist es dann, wie zu Hause auch, einfach wichtig, dass man den Tag gut plant und sich organisiert. Wie hoch stufen Sie das Wort «Workation» auf einer Trendskala von 1 bis 10 ein? Im Bereich von 8 bis 9. Und wie hoch ranken Sie Wunsch und Bedürfnis der Leute, tatsächlich eine Workation zu machen? Da stehen wir aktuell wohl bei 2 bis 3. Also viel Gerede, aber wenig Interesse beim Reisepublikum für den gehypten Ferienformel-Mix aus Urlaub und Arbeit? Workation ist eben ein noch relativ junges Phänomen. Aber die Pandemie und der Trend hin zum Homeoffice haben da einiges verändert. Früher brachte man die Mitarbeitenden zur Arbeit, jetzt bringt man die Arbeit zu den Mitarbeitenden. Das müssen Unternehmen noch besser verstehen lernen. Dürfen Ihre Angestellten auf Workation? Ja, bis zu sechs Wochen im Jahr. Dafür stellen wir unseren Mitarbeitenden pro Saison kostenlos ein Wohnobjekt zur Verfügung. Im Sommer war es eine Villa auf Zypern, jetzt im Winter ist es ein Ferienhaus im Wallis, in Nendaz. Das läuft bis März und ist schon sehr gut gebucht. Die Unterkunft ist offeriert, für Anreise und Rückreise müssen die Mitarbeitenden selber aufkommen. Wissen Sie, wie sehr Workation-Urlaub heute schon via Interhome Group gebucht wird? Momentan bin ich noch im Blindflug, denn wir fragen die Gäste bei der Buchung nicht, ob sie im Ferienhaus Workation machen. Aber bald wissen wir mehr. Wie das? Auf der Interhome-Website gibt es jetzt neu eine Filterfunktion zum Thema «Workation». Unter diesem Kriterium listen wir Objekte auf, die sich bezüglich schnellem WLAN und ergonomisch guten Arbeitsmöglichkeiten für eine Workation eignen. Zusammen mit dem Schweizer Startup Vamoz haben wir die Objekte ausgesucht. Zusätzlich spielt Vamoz bei den Themen Arbeitsrecht und Arbeitsbedingungen eine beratende Rolle. Die neue Filterfunktion «Workation» wird uns helfen, das Aufkommen besser zu tracken und zu verstehen. Interhome bietet insgesamt rund 35’000 Ferienhäuser und Ferienwohnungen. Wie viele davon zeichnen Sie nun als Workation-Objekte aus? Es handelt sich um über 500 Wohnungen und Häuser. Hauptsächlich in Frankreich, Spanien, Österreich, Deutschland und der Schweiz. In den sozialen Medien zeigen sich viele Workation-Heldinnen und Helden auf Bali, in Südafrika und Kalifornien. Warum lancieren Sie keine Übersee-Angebote? Übersee ist tatsächlich nicht im Fokus, aus zwei Gründen: Erstens erschwert die Zeitverschiebung zielgerichtetes Arbeiten im Kontakt mit dem Hauptsitz. Zweitens gehen wir davon aus, dass Schweizerinnen und Schweizer bei der Workation eher auf eine erdgebundene Anreise setzen. Man fährt wohl lieber mit dem Auto hin als mit dem Flugzeug – weil es da, gerade zusammen mit der Familie, viel zu transportieren gibt. Wie wirtschaftlich interessant kann das Thema Workation für die Interhome Group werden? Ein interessantes Geschäft ist es per Definition schon einmal. Sowohl für uns als Firma wie auch für unsere Angestellten. Vom Wirtschaftlichen her ist das heute noch schwierig abzuschätzen. Ihr Unternehmen generiert jährlich rund 300’000 Buchungen. Welches Potenzial hat Workation? Wir planen im ersten Jahr mit bis zu 15’000 Workation-Buchungen. Oder konkreter: Eine gute Zahl wird zwischen 10’000 und 15’000 Reservationen liegen. Ist das Konzept der Workation nicht zutiefst undemokratisch? Eine Busfahrerin, jemand an der Aldi-Kasse oder der Polier auf der Baustelle werden das nie machen können. Weil deren Jobs standortgebunden sind. Workation ist eher für Wissensarbeiterinnen und -arbeiter geeignet. Aber man kann doch auch Alternativen schaffen. Denkbar wäre es doch, die Dame, die im Supermarkt an der Kasse arbeitet, mal innerhalb des Unternehmens in einen anderen Landesteil auf Workation zu schicken. Aber klar: Es wird eine Randgruppe übrig bleiben, für die Workation nicht möglich ist. Ist Workation bei Ihnen ein B2C- oder ein B2B-Geschäft? Es kann beides sein. Im Direktvertrieb erreichen wir die Endkunden. Aber wir können auch stärker mit Unternehmen zusammenarbeiten, die ihren Mitarbeitenden eine Workation-Option bieten möchten. Dazu könnte Interhome auch eine Software als sogenannte White-Label-Lösung anbieten. Damit würden Partnerfirmen dann ihr Workation-Modell intern realisieren. Workation hat auch eine heikle Seite: Arbeitsrecht und Versicherung gestalten sich je nach Zielland unterschiedlich. Wichtiger Punkt. Genau deshalb arbeiten wir mit Vamoz zusammen. So können wir aus einer Hand Objekte und eben auch rechtliche Beratung bieten. Wen sehen Sie als grössten Konkurrenten auf dem Workation-Spielfeld? Als Arbeitgeber ist Airbnb mein grösster Mitbewerber. Das Unternehmen hat ausgerufen, dass seine Angestellten gar keine Büros mehr brauchen und ihre Arbeit von jeder Airbnb-Unterkunft aus erledigen können. Das ist natürlich sehr viel umfangreicher als die sechs Wochen, die wir unseren Mitarbeitenden anbieten. Von Kundenseite her sind es die Firmenchefs, die sich nicht trauen, ihre Leute auf Workation zu schicken. Ich kann das verstehen. Weil ich selber auch mal ein solcher Chef war. Warum sind Sie es nicht mehr? Weil mich spätestens die Pandemie gelehrt hat, dass die Welt komplett neu tickt. Und dass wir den Mitarbeitenden vertrauen sollen und können. Ich bin der festen Meinung, dass Angestellte mit Workation effektiver, produktiver und motivierter an der Arbeit sind. Dann sollten Sie die sechs erlaubten Workation-Wochen in Ihrem Unternehmen aber schleunigst auf 52 erhöhen, oder? Was nicht ist, kann ja noch werden (lacht) – jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass Homeoffice wie auch Workation nach wie vor ein hybrides Arbeitsmodell abbildet. Ein guter Mix zwischen Büro und Homeoffice/Workation ist die Kunst der hybriden Arbeit. Die emotionale Bindung an das Unternehmen, die Leadership-Verantwortung und der zwischenmenschliche Austausch unter Kolleginnen und Kollegen sind wichtige Merkmale einer physischen Präsenz.

Interhome rechnet mit bis zu 15 000 Workation-Buchungen pro Jahr

Interhome rechnet mit bis zu 15’000 Workation-Buchungen pro Jahr