Bei der Bankeninformatik vollzieht sich ein Generationenwechsel. Die al-ten Mainframe-Applikationen werden abgelöst durch Anwendungen auf Basis aktuellerer Technologien, die mehr Flexibilität und tiefere Kosten versprechen. Diese neuen Anwendungen für das Kernbankgeschäft werden aber im Unterschied zum früheren Generationenwechsel nicht von den Banken selbst gefertigt, sondern von spezialisierten Softwarefirmen mal abgesehen von den grossen drei Schweizer Finanzinstituten UBS, CS und ZKB, die ihre zentralen Bankprozesse auch in Zukunft weit gehend mit Lösungen der Marke Eigenbau steuern werden.

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Die Paketlösungen der Zürcher Softwareschmiede Avaloq und der Lenzburger Finnova befinden sich derzeit hoch oben in der Gunst von Kantonal-, Regional- und Privatbanken. So hat Avaloq in den letzten Monaten Ausschreibungen für Bank Bär und Pictet gewonnen sowie ihre Lösung bei der Bank Linth zum Laufen gebracht. Finnova wiederum setzte sich bei den Kantonalbanken Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nid- und Obwalden durch. Beide Softwarehäuser treten derzeit gegeneinander bei der Graubündner Kantonalbank an, wo auch der US-Computerkonzern CSC mit seiner «Swiss Banking Platform» im Rennen ist. Bei den Kantonalbanken von St.Gallen, Thurgau, Freiburg, Luzern wiederum wird es zum Showdown zwischen Avaloq und CSC kommen.

Besonders hohe Aufmerksamkeit schenken die Banken-IT-Vertreter derzeit der Graubündner Kantonalbank, die ihre selbst entwickelte IT-Plattform durch ein Standardprodukt ersetzen will. Sämtliche Branchenkenner glauben, dass der Entscheid der Bündner, der vor Ende November erwartet wird, grosse Signalwirkung haben wird. Über mangelndes Interesse kann sich Alois Vinzenz, der Vorsitzende der Geschäftsleitung, derzeit jedenfalls nicht beklagen. «Graubünden ist ein Randkanton momentan kommt es mir vor, als stünden wir im Zentrum», sagt er mit einem Augenzwinkern.

Die hohe Anspannung erklärt sich bei näherer Betrachtung durch die zur Auswahl stehenden Bankenpakete:

Kandidat Avaloq

Die Firma ist der eindeutige Star der Schweizer Bank-IT-Szene. Nach dem Gewinn mehrerer grosser Privatbanken ist es dem Unternehmen gelungen, das Gesamtbankenpaket auch der Zürcher Kantonalbank und der Bank Linth zu verkaufen. Ausserdem das pfeifen die Spatzen längst vom Dach soll die Software bei der Bank Vontobel eingesetzt werden. Doch Avaloq hat das Problem, möglicherweise Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden. Zwar stellt CEO Francisco Fernandez am Laufmeter frisches Personal an die Mitarbeiterzahl liegt inzwischen bei 150 Personen , doch der riesige Berg an Arbeit, der sich bei jeder Neuakquisition weiter auftürmt, wird kaum kleiner.

Mit ganz anderen Problemen kämpft der US-Computerkonzern CSC, der sich ebenfalls um die Graubündner Kantonalbank bemüht. Denn seine «Swiss Banking Platform» genannte Software läuft derzeit einzig bei der Zuger Kantonalbank. Die Lösung ist im Unterschied zu Avaloq kein integriertes Bankenpaket, sondern, wie es der Name andeutet, eine Plattform, auf der Banken-Module von SAP aufgesteckt sind. Weil der grosse deutsche Softwarekonzern aber kein Wertschriftenmodul im Programm hat, ist das CSC-Angebot nicht komplett.

Die gesamte Wertschriftenabwicklung wird im Fall der Zuger Kantonalbank im Rahmen eines Business Process Outsourcings (BPO) von Maerki Baumann erbracht. Eine andere Variante wäre der Einbau eines Moduls von einem Dritthersteller wie der Österreicher Softwarefirma SDS, die mit Geos ein Programm anbietet, das beispielsweise bei den AGI-Banken im Einsatz steht. Aus Kostengründen haben sich die Zuger gegen diese Variante ausgesprochen. Dennoch bleibt die Zahl der Schnittstellen bei der CSC-Lösung hoch. Dies nicht nur auf Programmebene, sondern auch zwischen den verschiedenen Partnern, also zwischen CSC, SAP und dem Wertschriftenabwickler. Ein weiteres Problem dürfte sein, dass CSC ein in den USA gelenktes Unternehmen ist.

Ein durch und durch schweizerisches Unternehmen ist die Lenzburger Finnova. Sie wird von den Kantonalbanken von Schaffhausen und Schwyz kontrolliert was gleichzeitig auch ihr grösstes Problem ist. Für Brancheninsider ist der Fall klar, dass Charlie Matter, der CEO von Finnova, von den Stakeholdern zurückgepfiffen wurde, als er sich um die Einführung einer neuen Lösung bei den vier grossen AGI-Banken bemühte. Matter bestätigt, dass bei den jüngsten Ausschreibungen das Thema Governance immer im Spiel war. Das werde momentan intern stark diskutiert. Es kann bedeuten, dass die beiden Investoren ihre Anteile veräussern und Finnova in die Freiheit entlassen.

Wenn Banken an den Schalthebeln der IT sitzen, kann das auch schief gehen. Niemand hat dies mit grösserer Bitterkeit erfahren als die Swisscom IT Services, die 2004 den Ausstieg sämtlicher acht Kantonalbanken des AGI-Verbunds hinnehmen musste und für welche die Swisscom-Tochter die gemeinsame Kernbankenlösung Agis betreibt und wartet. Den Anfang vom Ende von Jens Alders Bankingplänen läuteten die vier kleinen Bündnispartner (Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden, Obwalden) im Frühling 2004 ein, als sie völlig überraschend den Übertritt zu Finnova per Ende 2006 verkündeten. Erst vor wenigen Wochen folgte dann der zweite, vernichtende Schlag mit dem Entscheid der grossen AGI-Kooperationsbanken (Luzern, St.Gallen, Thurgau, Freiburg), der gemeinsamen IT-Plattform den Rücken zu kehren und stattdessen auf eine Lösung ab Stange zu setzen.

Die Swisscom steht damit vor einem Scherbenhaufen: Die Finanzbranche, das zweitwichtigste Standbein, ist innerhalb weniger Monate völlig weggebrochen. Die IT-Tochter der Swisscom muss sich neu orientieren und gezwungenermassen von einem Bankensoftwarelieferanten und -Betreiber zu einem reinen Hosting-Unternehmen mit allfälligen Integrationsfunktionen umsatteln. So steht die Swisscom-Tochter in der Endausscheidung um den Betrieb der Finnova-Lösung für die vier kleinen AGI-Banken. Noch im Rennen um diesen Job ist auch der Rechenzentrumsbetreiber RTC, der nach dem Ausstieg von 13 Regionalbanken ebenfalls mit Erosionsproblemen zu kämpfen hat. Ein Entscheid wird in diesen Tagen erwartet.

Nur wenn die Swisscom diesen Deal gewinnt, kann sie einen kleinen Teil der ab 2007 verschwindenden Umsätze wieder gutmachen. Trotzdem wird der Umwandlungsprozess ein schmerzvoller sein und womöglich zahlreichen Programmierern den Job kosten. Rund 300 Entwickler bei Swisscom IT Services kümmern sich um die Pflege der nun kalt gestellten Agis-Plattform.

Bank-Kooperationen: Weniger Produktion - dafür mehr Kommunikation

Eines der grössten Probleme der IT-Kooperationen besteht darin, dass die Banken gleichzeitig Kunden und Besitzer der Gemeinschaftswerke sind. Das führt unweigerlich zu Governance-Problemen, die sich unter anderem in endlosen Diskussionen über Wünsch- und Machbares der Bankenapplikation und deren Preis bemerkbar machen. Zum anderen sind den Kooperationswerken häufig die Hände gebunden, weil sie an erster Stelle ihren Herren zu dienen haben. Je mehr Herren dies sind, desto schwieriger wird es für das Gemeinschaftswerk, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das war auch gerade im Fall der AGI ein Problem: Die kleineren Banken konnten sich stets zu wenig Gehör verschaffen und mussten Funktionalitäten mitfinanzieren, die sie kaum benötigten.

Reine IT-Gemeinschaftswerke werden dadurch zu Auslaufmodellen. «Sie werden ersetzt durch Netzwerkstrukturen, in denen unterschiedliche Provider unterschiedlichen Kunden unterschiedliche Leistungen zur Verfügung stellen», sagt Bankenprofessor Beat Bernet. Das heisst aber nicht, dass Banken in Zukunft nicht mehr kooperieren werden. Es gebe nach wie vor Aufgaben, in denen ein koordiniertes oder gar gemeinschaftliches Vorgehen für alle Partner Synergien schaffe. Als Beispiele nennt Bernet das Risikomanagement, Bereiche der Compliance, die Kreditadministration, Produktentwicklung, Fondsmanagement sowie Wertschriftenverarbeitung. Das bedeutet einen Umbau bzw. eine Neudefinition der Wertschöpfungs- und Geschäftsmodelle. «Banken werden von produktions- zu kommunikationsorientierten Institutionen.» (bs)