Heute entsteht rund ein Drittel der anfallenden Kosten einer Bank im IT-Bereich. Wenn es um Kostensenkung geht, bietet sich in der Informatik somit ein idealer Hebel. Reorganisationen erfolgen jedoch nicht ausschliesslich wegen der Kosten. Eine kurze Umfrage unter Kaderleuten im Bankenumfeld ergibt eine Vielzahl von möglichen Faktoren, welche zu Reorganisationen führen. «Das Unternehmen befindet sich in der Krise», eine andere Ursache sind mehr oder weniger lästige Visionäre. «Die Wettbewerbssituation hat sich verändert», auch neue Hardware und Software lösen oftmals eine Reorganisation aus, begleitet durch eine zunehmende Automation aber auch Äusserungen wie «Die Qualität und die Kundenorientierung werden immer wichtiger, deshalb müssen wir uns reorganisieren», sowie neue Gesetze und hohe Lohnkosten resp. die Senkung der Lohnkosten werden genannt.

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Credit Suisse mit Erfolgsrezept

Das erfolgreiche Management von Reorganisationen ist für Unternehmen eine wichtige Voraussetzung, um sich dauerhaft Wettbewerbsvorteile zu sichern. Reorganisationsprozesse scheitern allerdings häufig, sodass die in Hinsicht auf Qualität sowie Zeit- und Kosteneinsparung gesetzten Ziele nicht erreicht werden.

Auf eine erfolgreich durchgeführte Reorganisation kann die Credit Suisse zurückblicken. Dabei wurde sie in einem gemeinsamen Projekt im Rahmen eines Kompetenzzentrums des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen während dieser Phase begleitet. Konkret ging es darum, die bisher divisionsbezogene, dezentrale Informationstechnik sukzessive in eine zentrale Organisationseinheit zusammenzufassen.

Die Zeit vor der Reorganisation fiel durch zwei Problemkreise auf. Einerseits führte die Betreuung durch dezentrale Informatikbereiche zu einer Zersplitterung grundlegender Informatikprozesse und dem Verlust von Skalen- und Synergieeffekten. Grosse Teile der Problemlösungskapazitäten existierten nur in informellen Beziehungen zwischen spezifischen Personen.

Andererseits wies die Systemlandschaft Mängel auf. Für viele Aufgaben kamen schon innerhalb einer Division mehrere Systemlösungen zum Einsatz. Selbst für nicht fachbezogene Applikationen, wie beispielsweise E-Mail, wurden in den einzelnen Divisionen unterschiedliche Systeme verwendet.

IT-CRM-Einheit als Mediator

«Zur Unterstützung der Koordination der Beziehungen zwischen der neuen, zentralen IT-Abteilung und den Fachabteilungen erfolgte der Aufbau einer eigenen IT-CRM Gruppe», so Henning Gebert, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik St. Gallen und Co-Autor der Studie, heute bei IMG als Senior Consultant tätig. «Diese Abteilung ermöglichte es, grosse Teile der bei Reorganisationen auftretenden Konflikte auf den operativen Bereich abzufedern. Die Mitarbeiter konnten zudem durch ihre neutrale Position konstruktiv zur konkreten Umgestaltung von Infrastruktur und bei der Schlichtung von eskalierenden Konflikten beitragen.»

Die Erkenntnisse der IT-CRM-Einheit fallen dementsprechend positiv aus. Im Schlussbericht wird u.a. festgestellt, dass IT ein Prozess mit eigener Wertschöpfung ist, den IT-CRM als Kernaufgabe moderner Informatik direkt unterstützt, indem es deren Prozesse auf das Wertschöpfungsnetzwerk ausrichtet.

Stolperfallen und Grundsatzfragen

Bevor jedoch ein IT-Reorganisations-Projekt in Angriff genommen wird, erscheint es wie das «Jahr-2000»- bzw. das «Millenium»-Problem: Entweder wird die Bedeutung unterschätzt oder es stellt die grösste Herausforderung dar.

«Die eigentliche Schwierigkeit», so Roger Wechsler, Mitglied der Geschäftsleitung, Avaloq AG, «liegt dabei im Projektmanagement.» Speziell ein effektives Change Management ist dabei gefordert. «Die Diagnose des Veränderungsvorhabens und das Entwickeln einer Veränderungsstrategie über das Management der Veränderung und der Kommunikation bis hin zur Rolle der Geschäftsleitung beinhaltet viel Konfliktpotential.»

Oft sind Reorganisationen eng mit der Frage Outsourcing vs. Eigenentwicklung gekoppelt. «Neben der erhofften Kostenreduktion wollen unsere Kunden flexibel auf Änderungen ihrer Geschäftsanforderungen reagieren können», weiss Urs Buner, CEO der Comit-Gruppe, aus der Praxis zu berichten. «Doch manchem Unternehmen bereitet es Mühe, sich zu entscheiden, welche Infrastrukturen oder Prozesse überhaupt ausgelagert werden sollen.» Doch mit RTC, AGI/Swisscom IT Services, Finnova, CSC und Avaloq bieten gleich fünf Unternehmen in der Schweiz ihre IT-Plattformen und Hilfe speziell für Banken an. Da stellt sich nur noch die Grundsatzfrage, mit welchem Partner ein Finanzinstitut die notwendigen Reorganisationen durchführen will.

Fallstudien: USA und Japan

Wenn Banken aus den Fehlern anderer lernen wollen:

Informationen zur problematischen IT-Reorganisation der Mizuho Bank in Japan, ausgelöst durch den Merger von drei Grossbanken. Jede der drei Banken verfügte über ein anderes System (Hitachi, IBM und Fujitsu) sowie verschiedene Software. http://catless.ncl.ac.uk/ Risks/22.03.html#subj1



Nachgefragt: Markus Hofer, Smart Solutions

«Die Risiken genau prüfen»

Markus Hofer (40) war nach dem Studium als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich und in verschiedenen Firmen im Bereich der Software-Entwicklung tätig. Seit knapp zehn Jahren ist er geschäftsführender Partner von Smart Solutions AG, Zug.

Worauf ist bei einer Reorganisation zu achten? Wichtig ist, dass das Potenzial einer IT-Reorganisation richtig eingeschätzt wird. Dabei sind Ehrlichkeit und gesunder Menschenverstand erforderlich: Können die prognostizierten Resultate in der Praxis überhaupt realisiert werden? Rechtfertigen die möglichen Verbesserungen das Risiko einer Reorganisation? Als Vergleich können wir hier das «Porsche-Syndrom» heranziehen: Sportwagen werden gekauft, obwohl deren Fähigkeiten gar nicht genutzt werden können. Viele IT-Manager tendieren dazu, aus Prestige-Denken oder Freude an der Technik überdimensionierte Lösungen zu bevorzugen, deren Leistungsfähigkeit nicht ausgeschöpft werden kann. Eine Reorganisation sollte nicht der Technologie wegen gemacht werden. Der effektive Nutzen steht im Mittelpunkt. Dabei muss das Risiko abschätzbar bleiben. Schon manche Reorganisation startete als technologischer Meilenstein und endete im Disaster.

Bringen IT-Reorganisationen wirklich die erhofften Kostenreduktionen? Die Frage impliziert, dass Kostenreduktionen der einzige Grund für IT-Reorganisationen sind. Viele weitere Gründe können allerdings ebenfalls für eine Reorganisation sprechen: Verbesserung der Sicherheit, der Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit, sowie bessere Antwortzeiten, also bessere Service Levels, Flexibilitätssteigerung und vieles weitere mehr.

Worauf ist speziell zu achten, wenn man ein solches Projekt in Angriff nimmt? Seien Sie ehrlich: Schätzen Sie den Nutzen einer Reorganisation nicht zu optimistisch ein. Streichen Sie beispielsweise aus dem Projektvorschlag alle technischen Fachbegriffe: Wenn nicht mehr viel übrig bleibt, sollte das Projekt nochmals überdacht werden. Machen Sie eine detaillierte Risikoanalyse, woraus ganz klar ersichtlich sein muss, wo die Risiken liegen. Überlegen Sie sich genau, wie diese entschärft werden können. Und: Wie sieht Plan B aus? Wie wird die Übergangsphase zwischen alter und neuer Organisationsstruktur gehandhabt? Eventuell mehrere kleine Projekte anstelle eines grossen?

Wenn die Reorganisation von der Planungsphase in die Realisierung übergeht, was ist zu tun? Überprüfen Sie laufend die Analysen und Konzepte in der Praxis. Viele Probleme erkennt man erst im praktischen Umgang. Bilden Sie während der Migrationsphase ein Emergency-Response-Team. Stellen Sie zudem den Zugriff auf Entwickler sicher, was speziell bei ausländischen Firmen oft nicht so einfach ist.

Wo sehen Sie für Banken Handlungsbedarf in diesem Bereich? IT- Reorganisationen sind in grossen dynamischen Unternehmen unvermeidlich, da die IT der Organisation und den Anforderungen des Unternehmens angepasst werden muss. Dies sollte in der Architektur der Systeme und Prozesse vermehrt berücksichtigt werden: Konsequente Standardisierung der IT ermöglicht, dass Reorganisationen teilautomatisch durchgeführt werden können. Die Entflechtung der Systeme, das heisst, die Reduktion der Abhängigkeiten, und die Eliminierung unnötiger Komplexität können Reorganisationen stark vereinfachen und zudem die Risiken senken. Die Flexibilität muss als Qualität einer IT-Infrastruktur erkannt werden.