Sie sind mit 84 Jahren noch immer täglich im Büro? Wenn ich in der Schweiz bin in der Tat. Aber in der Regel nur vormittags. Die tägliche Freude des Personals, wenn der Patron im Büro aufkreuzt? Das weiss ich nicht. Es kann auch das Gegenteil sein. Je nachdem wie es läuft. Und ab Mittag ist Feierabend? Nein, nachmittags arbeite ich von zuhause weiter. Ich arbeite noch sehr viel. Klaus-Michael Kühne, geboren 1937 in Hamburg, ist Präsident der Kühne-Stiftung und Ehrenpräsident sowie Mehrheitsaktionär des Logistikonzerns Kühne + Nagel. Der ausgebildete Bank- und Handelskaufmann ist seit 1958 im familieneigenen Speditionsunternehmen tätig, seit 1963 als persönlich haftender Gesellschafter des Speditionsgeschäfts Kühne + Nagel. 1969 verlegte Kühne + Nagel den Firmensitz von Bremen nach Schindellegi SZ. 1976 gründete er die Kühne-Stiftung, die dereinst das Unternehmen übernehmen soll. Also nichts Neues, seit 60 Jahren? Doch, ich arbeite mit anderen Schwerpunkten und anderem Arbeitsrhythmus. Mein Hauptthema ist heute die Stiftung, aber zudem habe ich noch die Kühne Holding mit ihren grossen Engagements, Kühne + Nagel International AG und Hapag-Lloyd AG. Bei Kühne + Nagel bin ich weiterhin im Verwaltungsrat und gehöre einigen Ausschüssen an. Beklagen können Sie sich nicht: Logistik ist die grosse Gewinnerin der letzten Jahre. Die Börse bewertet Ihr Unternehmen mittlerweile mit 40 Milliarden Franken. Logistik ist ein sehr interessantes Gewerbe geworden und zurzeit auf der Sonnenseite der Wirtschaft. Wir profitieren von den grossen Warenströmen und der Globalisierung. Ja, es geht uns gut, aber es geht auch unseren Hauptwettbewerbern gut. Die Kühne Stiftung nimmt heute den grössten Teil Ihrer Agenda ein? Ja, ungefähr 50 Prozent, sie ist mein Schwerpunkt. Wie stark sind Sie dort engagiert? Wir sind auf drei Gebieten aktiv: Das erste ist die Aus- und Weiterbildung in der Logistik mit unserer eigenen Universität in Hamburg, dort bin ich im Aufsichtsrat. Dazu gehört die humanitäre Logistik mit Schwerpunkt Afrika, wo wir NGOs beraten zur Optimierung ihrer Logistik. Der zweite Schwerpunkt ist Medizin. In Davos haben wir ein Forschungszentrum mit Kooperationspartnern in St. Gallen, Zürich, Augsburg und Bonn und unterhalten die Hochgebirgsklinik. Es gibt noch erheblichen Entwicklungsbedarf. Der dritte Bereich umfasst die Kultur. Wir unterstützen die Festspiele in Salzburg, in Luzern, dazu die Elbphilharmonie in Hamburg. Ich halte u.a. Kontakt zu den Intendanten. Wie sind Sie auf Davos und das Forschungsgebiet Allergien gekommen? Wir suchten ein medizinisches Fördergebiet, zudem ist meine Frau medizinisch interessiert. Sie gab den Anstoss, sich mit Neurodermitis, also Hautkrankheiten, auseinander zu setzen. Zuerst haben wir eine Informationsstelle finanziert, dann erste Forschungsansätze, danach Experten, die sich mit Allergien beschäftigen. So kam schliesslich ein Forschungsverbund in Davos und Zürich zustande. In Davos gehört uns die Hochgebirgsklinik für Rehabilitation von Allergie- und Herz-/Kreislauf-Krankheiten. Sie träumen immer noch von einem Impfstoff gegen Allergien? Davon träumt vor allem meine Frau. Sie hofft, dass man auf diese Weise eine grosse Zahl von Patienten präventiv behandeln kann. Das ist nicht so einfach, weil jeder Patient eine andere Veranlagung hat, sehr unterschiedlich reagiert. Im jugendlichen Alter verschwindet die Hälfte der Allergien wieder, die andere Hälfte entwickelt sich in eine neue Richtung, das heisst: Eine individuelle Therapie ist notwendig und sehr schwierig. Man hat viele Fortschritte gemacht, hat für gewisse Patienten die richtigen Medikamente gefunden, aber ein Allheilmittel gibt es bisher nicht. Dann finanzieren Sie an der Uni Zürich das Kühne Center for Sustainable Globalization. Weshalb? Dort erforscht eine kleine Gruppe die Auswirkungen der Globalisierung, der Regulierungen und Einschränkungen des Welthandels, etwa in China oder in den USA. Massgeblich sind in diesem Zusammenhang Fragestellungen zu Klima und Umwelt, die wir im Hinblick auf die zunächst nicht umweltfreundliche Logistik in die Forschung einbeziehen lassen. Logistik ist ja nicht per se umweltfreundlich, obwohl viel getan wird. Handelshemmnisse nehmen zu, Protektionismus auch. Wie schlimm ist es? Der Welthandel läuft unverändert auf vollen Touren. Handelshemmnisse haben eher einen punktuellen als einen globalen Einfluss. Fürchten Sie, dass ein Blockdenken - West gegen Ost - wieder Einzug hält und den Handel erschwert? Ich kann solche Entwicklungen nicht ausschliessen, halte sie aber in absehbarer Zeit für eher unwahrscheinlich. Die Kühne-Stiftung gilt als eine der grössten der Schweiz. Die Kühne-Stiftung ist sehr vermögend, u.a., weil sie eine 4,5 prozentige Beteiligung an der Kühne + Nagel International hält. Das sind dann schon mal 2 Milliarden an Assets. Die Stiftung gibt circa 35 Millionen Franken im Jahr aus und wird aus den Dividenden der Kühne + Nagel International sowie aus Zuwendungen der Kühne Holding alimentiert. Auf diese Weise ist sie sehr gut durchfinanziert. Im Stiftungsrat sitzen 10 Personen, eine davon ist eine Frau – Ihre Frau. Ist dieser Frauenanteil noch zeitgemäss? Lieber wenigstens eine Stiftungsrätin als gar keine. Im Ernst: Natürlich sind die Frauen auf dem Vormarsch und das soll auch so sein. Aber es kommt immer auf die Eignung an. Wir haben übrigens bei der Kühne + Nagel International auch eine Verwaltungsrätin. Und wir werden sicherlich im Laufe der Jahre eine bessere Quote bekommen als zurzeit. Aber es gibt bei uns keine Quote und auch keinen Zwang. Und später übernimmt die Kühne Stiftung die Mehrheit am Weltkonzern Kühne + Nagel? Die Kühne Holding, meine persönliche Holding, hält etwas mehr als 50 Prozent an der Kühne + Nagel International, dazu 30 Prozent an der Reederei Hapag Lloyd, einige Immobilien in Kanada, in Australien, der Schweiz und in Deutschland, dazu gehören zwei Hotels. Über kurz oder lang wird die Stiftung die Assets der Kühne Holding übernehmen und wird somit zur Mehrheitsaktionärin der Kühne + Nagel International. Da reden wir dann - Stand heute - von einem Vermögen von 25 Milliarden? Sie wird dann sehr vermögend sein und erhebliche Dividendenerträge haben, die zuerst in die Holding und dann in die Stiftung fliessen. Die Holding und die Stiftung werden dann entscheiden müssen, wieviel Geld in die Stiftung fliessen wird. Es wird nur ein Teil sein, weil auch die Holding einen eigenen Investitionsbedarf haben wird. Kann sich die Stiftung später von einem Teil Aktien der Kühne + Nagel International trennen, diese veräussern? Theoretisch könnte sie das tun. Aber es ist nicht vorgesehen, dass sich die Kühne Holding oder die Stiftung von Aktien trennt. Das ist auch nicht mein Wunsch. Aber man kann das nicht über 50 Jahre im Voraus planen. Sie haben das nicht festgeschrieben? Ich habe Richtlinien zuhanden des Stiftungsrats niedergelegt, u.a. wie mit meinem Erbe umgegangen werden sollte. Das geht in die Richtung, dass man das Vermögen weitgehend zusammenhält. Aber es gibt keine dogmatische Verfügung, es sind eher Wünsche und Richtlinien. Sie sind der Stifter und damit der Chef. Zu meiner Lebzeit schon, aber später wird das anders sein. Das kann man nicht ändern. Wie halten Sie sich weiterhin so fit? Viel Sport, jeden Morgen sitze ich eine halbe Stunde auf dem Hometrainer, dann schwimme ich eine Viertelstunde, und häufig spiele ich Tennis. Und dann hält mich die Arbeit jung und frisch. Schliesslich ernähre ich mich vernünftig. Man muss also schon etwas tun. Alkohol? Wenig. Da haben Sie mit dem Hamburger Sportverein HSV ja auch nicht viel zu feiern. Ich muss auch nicht feiern, ohnehin habe ich das Thema abgelegt. Ich mische kaum noch mit, finanziell schon gar nicht. Natürlich verfolge ich die Spiele und bin nicht immer sehr happy. Aber das ist mittlerweile ein Randthema für mich. Sie haben wegen Ihrem Engagement das Davoser Ehrenbürgerrecht gekriegt. Jetzt werden Sie auch noch Schweizer? Ich bin der Meinung, dass man die Nationalität nicht ohne Weiteres wechseln sollte. Da, wo man geboren ist, aufgewachsen ist, wo man die grössten Interessen hat, dazu sollte man sich bekennen. Wir fühlen uns sehr wohl in der Schweiz, aber man muss deshalb nicht unbedingt Schweizer werden. Klar kann man eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, aber das halte ich für wenig konsequent, und es kommt für meine Frau und für mich nicht in Betracht.