Jean-Pascal Bobst: Die Firma verkaufen? – «Nicht solange ich lebe»

Für einen gestandenen Industrietitel an der Schweizer Börse ist der Anlagenhersteller Bobst erstaunlich volatil. Bobst ist Heavy Metal der alten Schule, liefert Anlagen für Druck, Beschichtung und Laminierung sowie das Schneiden, Falten und Kleben von Papier, Textilien und Verpackungen. Die Aktie von Bobst hingegen legte in fünf Jahren einen Zickzackkurs hin: vom Höchstwert von 132 Franken im Jahr 2018 auf 29 Franken zwei Jahre danach. Jetzt will die Gründerfamilie Bobst das Unternehmen zum Preis von 78 Franken je Aktie ganz übernehmen. – «ein fairer Preis», wie CEO Jean-Pascal Bobst findet. Den Aktionären winkt eine Prämie von 22 Prozent. Glücklich ist Jean-Pascal Bobst mit der Volatilität der Aktie nicht. Diese repräsentiere nicht die Performance der Gruppe. Es sei richtig und wichtig, das Unternehmen komplett ins Familieneigentum zurückzuholen und von der Börse zu nehmen. Die vollständige Übernahme hat zwei grosse Vorteile: Den Investoren muss man nicht mehr über jede Entscheidung Rechenschaft ablegen. Und die Konkurrenz kann einem nicht mehr so einfach in die Karten schauen. Rund 53 Prozent hält die gleichnamige Familie an Bobst jetzt schon über ihre Holdinggesellschaft JBF Finance. Plattform für das Family-Business Die Ankündigung ist eine Zäsur in der Firmengeschichte des Maschinenherstellers. Joseph Bobst gründete das Unternehmen im Jahr 1890 in Lausanne. Heute ist der mit rund 1 Milliarde Franken bewertete Konzern in mehr als 50 Ländern tätig und unterhält weltweit 19 Fabriken. Um die 5800 Mitarbeitende erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 1,6 Milliarden Franken. Seit 1978 notiert Bobst an der Börse. 1999 wurde die Familienholding JBF Finance gegründet. Jean-Pascal Bobst sieht die Holding als «Plattform» für das Family-Business. Nicht als Verkaufsvehikel, um die Anteile von Bobst einzubringen und das Unternehmen anschliessend gewinnbringend weiterzuverkaufen – «jedenfalls nicht, solange ich lebe», sagt der Firmenchef. Mit der internationalen Expansion beschäftigt man sich bei Bobst erst seit 2010 so richtig, nach Asien (China, Vietnam), Afrika (Nigeria) und Europa. Mittlerweile gibt es dabei genügend Herausforderungen, insbesondere seit der Corona-Pandemie und dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Viele Aufträge, wenige Bauteile Die Lieferketten stocken, das Börsenumfeld ist mässig attraktiv. Und niemand weiss so recht, wie lange der Krieg noch dauern wird, wie prekär die Lage in der Energieversorgung in Europa werden könnte und was die Inflations- und Zinsentwicklungen für Maschinenexporteure wie Bobst bringen werden. Bobst selbst schliesst eine Verlangsamung des Geschäftsgangs im zweiten Halbjahr nicht aus. Aber: «Der Auftragsstand ist gut.» Nur die nötigen Bauteile zu finden, sei etwas schwierig. Umso überraschender sind die so konträren Ansätze, die das Management nun wählt: Weg von der Börse, wenn die Aktienpreise nicht die besten sind. In Russland bleiben, obwohl das derzeit höchst riskant und unpopulär ist. Und ein starker Fokus auf China, wenn viele Unternehmen ihre Produktionen von dort wieder nach Hause holen. Contrarian mit Familiensinn In Russland unterhält Bobst eine Gesellschaft mit um die 50 Mitarbeitenden und 40 bis 50 Millionen Franken Umsatz. Während viele Betriebe Russland den Rücken kehren oder dies bereits getan haben, überlegt Bobst noch – trotz Sanktionen und Lieferschwierigkeiten. «Wir machen keine Politik, wir sind für unsere Kunden da und tun unser Bestes im Rahmen der Embargoregeln», sagt Jean-Pascal Bobst. Bis Ende Jahr soll in dieser Angelegenheit eine Entscheidung gefällt werden. Wobei Russland für Bobst ohnehin nicht der wichtigste Auslandmarkt ist. Asien etwa hat eine weitaus grössere Bedeutung. In China hat Bobst vier Produktionsstandorte und rund 1000 Mitarbeitende. Bis vor einigen Jahren waren noch 80 Prozent der Produktion in China für den Export bestimmt und nur 20 Prozent für das chinesische Inland. Das soll sich ändern, künftig soll mehr für den Inlandmarkt produziert werden. Bobst will also die Chancen in Russland wahren. Und wenn es zu Akquisitionen kommt: «Dann vor allem in Asien.» Damit geht der CEO gleich drei Wetten auf einmal ein: die erfolgreiche Umsetzung der Geschäftsziele im Familienverband, die Erholung der Geschäfte mit Russland und günstigere Produktions- und Absatzbedingungen im Fall Chinas. Worauf er letztlich setzt, ist die langfristige Stabilität des Familienunternehmens Bobst.