Der Druckindustrie vor allem im Bereich Akzidenz geht es schlecht. Dazu kommt die unbefriedigende Situation bei den abgebrochenen GAV-Verhandlungen. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Jürg Trösch: Für uns als Linkgroup ist der Ausgang der GAV-Verhandlungen nicht relevant. Die sozialpartnerschaftlichen Belange sind seit 1995 auf betrieblicher Ebene geregelt. Zum Zustand der Branche: Wir erleben einen harten Verdrängungsmarkt, und die Strukturbereinigung schreitet nicht so schnell voran, wie es die meisten Marktteilnehmer gerne hätten. Der Bereinigungsprozess verläuft zwar schneller als auch schon, aber die Flurbereinigung wird sicher noch einige Jahre dauern. Spätestens bei der Nachfolgeplanung werden viele kleine Betriebe einsehen, dass sie keine Zukunft haben. Leider waren die letzten Jahre auch von massivem Stellenabbau geprägt.

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Wie äussert sich diese Situation konkret in den Büchern?

Trösch: Von Einzelfällen abgesehen mussten in den letzten Jahren praktisch alle Anbieter Umsatzeinbussen hinnehmen. Noch deutlicher schlägt es auf die Rentabilität durch. Die Cashflow-Rate sinkt bei den meisten kontinuierlich. Das wissen die Banken. Entsprechend sieht das Branchenrating aus.

Und die Margen sind im Keller.

Trösch: Es gibt ein Margenprobleme, und Drucken ist ein kapitalintensives Geschäft. Vor allem diejenigen, die nur drucken, befinden sich in einer gefährlichen Preisspirale. Sie sind wegen des auswechselbaren Produkts «Drucksache» davon besonders betroffen. Anbieter mit integrativen Fähigkeiten, die von der Gestaltung über die Druckvorstufe bis zum Druck und Vertrieb reichen, haben bessere Marktchancen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie beratungsstark sind und die digitalen Prozesse im Griff haben. Die reinen Druckaufträge sind heute nur noch selten rentabel. Im Akzidenz-Rollenoffsetdruck ist der Preiskampf am extremsten dort kommt verschärfend noch die internationale Konkurrenzsituation dazu.

Sie verdienen also nichts mit dem Druck?

Trösch: Nein, leider nicht. In diesem Bereich schreiben wir rote Zahlen, und das ist typisch für die Branche: Die vorgelagerten Bereiche subventionieren den Druck. Das Druckerzeugnis steht am Schluss, ist das eigentliche Endprodukt. Druck und Druckvorstufe lassen sich eigentlich nicht mehr trennen. Bedingt durch die digitalen Prozesse gehören sie zusammen. Übrigens: Viele grafischen Betriebe wissen nicht, wo sie Geld verdienen oder verlieren. Ein betriebliches Rechnungswesen mit Kostenrechnung existiert in den wenigsten Fällen.

Nehmen Sie noch reine, einstufige Druckaufträge an?

Trösch: Ja.

Warum denn?

Trösch: Stehende Maschinen sind am teuersten. Es ist eine schwierige Aufgabe, den Maschinenpark permanent mehrschichtig auszulasten. Auch für uns. Manchmal gelingt das nicht. Reine Druckaufträge sind uns deshalb schon recht. Sie bringen uns Deckungsbeiträge und Kundenbeziehungen. Das grosse Geld ist mit ihnen aber nicht zu machen, und profilieren kann man sich damit kaum.

Ist eine Besserung für die allgemeine Branche in Sicht?

Trösch: Mittelfristig nicht. Möglichkeiten zu profitieren gibt es, wenn man integrativ arbeitet. Es gilt, sich vom reinen Produzenten zum professionellen Lösungsanbieter mit Rundumleistungen zu entwickeln. Solche Anbieter tun den Schritt von der Bedarfsorientierung hin zur Bedürfnisorientierung.

Was heisst das?

Trösch: Vereinfachend gesagt arbeiten wir vor allem für die Agenturen bedarfsorientiert. Die wissen in der Regel gut, was sie wollen, und wir bieten es ihnen.

Bei den Direktkunden ist das nur teilweise so. Wir möchten, dass sie uns als Mediendienstleister sehen und nutzen. Sie haben spezifische Kommunikationsbedürfnisse und wollen dafür eine gesamtheitliche Leistung, im Sinne von «Ich brauche die beste Lösung für unseren Geschäftsbericht oder für die Archivierung und Bewirtschaftung meiner digitalen Assets». Bedingung ist, dass man dazu die richtigen Leute hat und entsprechend organisiert ist. Kurzum: Wir müssen uns noch stärker an den Kunden orientieren: Wir brauchen Kundennähe.

Zum Beispiel?

Trösch: Wir kümmern uns beispielsweise um die internationale Unternehmenszeitung von Hoffmann-La Roche. Abgesehen vom Inhalt, der vom Kunden kommt, übernehmen wir alle Arbeiten gestalterisch und technisch. Dazu bereiten wir die Inhalte cross-medial und dynamisch für das Intranet auf. Der Konzern wollte eine Lösung aus einer Hand, quasi ein «one-stop shopping».

Nicht zuletzt zu Ihrem Vorteil...

Trösch: Klar, das bedeutet eine bessere Marge, eine bessere Stellung beim Kunden, aber auch bessere Leistungen. Dies bei geringerem Koordinationsaufwand für den Kunden selbst. Weil Verantwortung und Umsetzung an einem Ort sind, spart er sogar Geld. Wir sind weniger austauschbar, und es entsteht ein Vertrauensverhältnis. So sind wir nicht mehr einfach «nur» zuständig für die Produktion, sind nicht mehr simple Auftragsempfänger. Ähnliche Gründe waren ausschlaggebend für andere neue Partnerschaften, wie beispielsweise bei Unaxis.

Sie sprechen von Integration, dies bedeutet im Klartext auch eine Verlängerung der Wertschöpfungskette. Gleichzeitig müssen Sie sich spezialisieren. Wie meistern Sie diesen Spagat?

Trösch: Das ist tatsächlich eine Krux. Integrationsfähigkeit bedeutet gleichzeitig Spezialisierung. Es setzt eine gewisse Betriebsgrösse und -struktur voraus. Dreh- und Angelpunkt sind qualifizierte Leute. Wir brauchen zudem moderne Technik und gute Generalisten, die Menschen und Projekte führen. Auf das optimale Zusammenspiel müssen wir achten. Bei allem Ehrgeiz darf die Klaviatur, auf der wir spielen, nicht zu lang werden. Sonst beherrschen wir das Spiel nicht mehr. So wollen wir nichts mit Redaktionellem zu tun haben.

Sie wollen mehr noch der Berater sein. Wie das?

Trösch: Profunde fachliche Beratung ist Voraussetzung. Wir müssen aber auch Verständnis für das Marketing des Kunden entwickeln, seine Kommunikationsbedürfnisse verstehen. Am besten, wir verstehen viel vom Geschäft des Kunden, man muss uns nicht alles erklären, wir kennen seine Besonderheiten. Vieles hängt von den richtigen Vertriebsleuten ab. Wenn sie die richtigen Problemlösungen verkaufen, sind wir willkommene Partner.

Die Ideen und Möglichkeiten sind da: Integrierte Lösungen, Mediendatenbanken, personalisierte Drucksachen, Online-Publishing, Cross-Media-Lösungen usw. Ist die Botschaft bei vielen Kunden noch nicht angekommen?

Trösch: Da muss man differenzieren. Zum Beispiel Digitaldruck: Trends gehen zwar eindeutig in diese Richtung, aber die «personalisierte Drucksache» wird schwach nachgefragt. Die Kunden nehmen diese innovative Möglichkeit begeistert auf. Aber sie erteilen kaum Aufträge. Schade, denn gezielt Informationen zu selektionieren war für Gedrucktes bisher nicht möglich. Vielleicht liegt es auch daran, dass Zielgruppenansprachen auftraggeberseitig aufwendiger vorbereitet werden müssen und man diesen Aufwand scheut. Allgemein kann man sagen, viele Möglichkeiten werden nicht ausgeschöpft.

Woran liegt das?

Trösch: Am Anfang stellten sich als «integrativ und innovativ» verkaufte Lösungen oft als leere Hülsen heraus; die Kunden waren enttäuscht. Vieles funktionierte nicht, die Anbieter waren überfordert. Heute ist man technologisch weiter, und manche Betriebe haben ihre Hausaufgaben gemacht, sind fit getrimmt strategisch, organisatorisch und technologisch. Analytisch vorgehende Auftraggeber verändern zunehmend ihre Einkaufsgewohnheiten. Prozesse, die zusammengehören, werden nicht mehr unnötig aufgeteilt.

Im Akzidenzbereich herrscht unter den Konkurrenten bezüglich der Aufträge «Mord und Totschlag».

Trösch: Das ist zwar eine extreme Formulierung, trifft aber den Punkt. Vor allem die letzten 18 Monate waren geprägt von einem extremen Angebotsüberhang. Es werden Leistungen zu Preisen angeboten, die nichts mehr mit Deckungsbeiträgen zu tun haben.

Immer mehr Drucksachen werden von den Kunden im eigenen Hause produziert Aufträge brechen weg.

Trösch: Viele «triviale» Druckaufräge fallen weg. Das trifft vor allem die Kleindrucksachen-Drucker. Aber unter dem Strich wird nicht weniger gedruckt. Sehen Sie sich nur mal die Werbebeilagen in der Presse und die Wurfsendungen an. Zudem gibt es einen wachsenden wenn auch kleinen Markt für anspruchsvolle Druckerzeugnisse. Imageträchtige Produkte sind weiterhin beliebt. Und im Gegensatz zu früher werden neue, teils auch schubladisierte grössere Projekte wieder ernsthaft diskutiert und hoffentlich auch realisiert.

Sollte der Aufschwung jetzt tatsächlich kommen: Wie gross ist die Verzögerung, bis Ihre Branche davon profitieren kann?

Trösch: Die Verzögerung bei einer tragenden konjunkturellen Erholung mit entsprechender Auswirkung auf die Budgets dauert sicherlich rund sechs Monate. Aber generell sehe ich für unsere Branche keine massive Verbesserung innerhalb der nächsten zwei Jahre.

Literatur:«Communicating in Print», Handbuch für die Realisation von Printmedien, Hauptautor Jürg Trösch, 272 Seiten.



Profil: Steckbrief

Name: Jürg Trösch

Funktion: Inhaber und Delegierter des VR der Linkgroup, Zürich

Geboren: 23. März 1951

Wohnort: Feldmeilen

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Karriere:

1970-1975 Typograph/Kundenbetreuer, Alfred Walter AG, Schlieren

1975-1978 Verkaufsleiter bei der NZZ Fretz AG, Zürich

1978-1986 Marketingleiter und Co-Geschäftsführer NZZ Fretz AG

Seit 1986 Inhaber und Delegierter des VR der Linkgroup, Zürich