Thomas Prescher: Nächte gehörten dem Bubentraum

Als Uhrmachermeister Thomas Prescher im malerischen Weindorf Twann am Bielersee 2002 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, war er Mitte 30 und alles andere als ein unbeschriebenes Blatt in der Schweizer Uhrenbranche. Die Ausbildung absolvierte der in Preussen Geborene in den frühen 90er Jahren auf dem zweiten Bildungsweg an der Uhrmacherschule Solothurn und den praktischen Teil bei IWC in Schaffhausen.

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Das Know-how der Haute Horlogerie aber eignete er sich in den Ateliers von Audemars Piguet und Gübelin in Luzern mit der Herstellung von Unikatuhren und der Restauration antiker, komplizierter Uhren an. In seiner Freizeit füllte er sein Werkstattbuch mit Skizzen von Tourbillons, Ewigen Kalendern und weiteren Komplikationen.

An der Meisterschule in Frankfurt am Main wird während der Ausbildung nach alter Tradition ein Uhrwerk gebaut. Die Aufgabe für den Schüler Prescher bestand darin, aus einem vorhandenen Räderwerk und einem Echappement eine Taschenuhr zu entwickeln und zu bauen. Er löste die Aufgabe nicht nur wie vorgegeben, sondern baute als Krönung die vorhandene Hemmungsgruppe in ein stehendes Tourbillon um, was ihm 1996 den Meisterbrief einbrachte. Seine weitere Karriere führte ihn in die Swatch Group, wo sie Jahre später als Produktionschef von Blancpain endete.

Die Zeit war reif, seinen lang gehegten Wunsch einer echten Manufaktur in die Tat umzusetzen. Seine junge Familie - er war gerade Vater geworden - hielt er tagsüber mit Restaurationsarbeiten an Uhren von Breguet, Girard-Perregaux, Lange oder Patek Philippe über Wasser, womit er sich nebenbei in Sammlerkreisen einen Namen machte. Die Nächte gehörten der Weiterentwicklung seiner Idee eines Tourbillons auf mehreren Achsen. Auf der Basler Messe 2003 stellte Prescher unter der Schirmherrschaft der Académie Horlogère des Créateurs Indépendants (AHCI) sein erstes Tourbillon auf zwei Achsen als Taschenuhr vor.

Für einmal ungefährlich: Bras en l'air Hände hoch

Gleichzeitig war auch die erste eigens gebaute Armbanduhr der Marke Thomas Prescher fertig gestellt: Eine mechanische Uhr mit der Komplikation Bras en l'air (Hände hoch) in der Figur eines Falkens. Bei dieser Technik, die ihren Ursprung im 18. Jahrhundert hat, dienen die Flügel des Falkens als Zeiger. Wie vielfältig und individuell Figuren und Veredelung der Linie Tempusvivendi ausgeführt werden können, zeigen die neusten Modelle Kranich, Phönix, Japanischer Drache und Russischer Adler auf der «BaselWorld» 2005.

An einer solchen Uhr arbeitet Prescher je nach Modell drei bis sechs Monate, was ihren Preis von 65000 Fr. rechtfertigt. Das Gehäuse ist in Massivgold oder Platin erhältlich, das Kroko-Lederarmband vom Feinsten. Preschers Kunden kommen aus Russland, Singapur, Japan, China und den Arabischen Emiraten. Reiche Leute gibt es zwar überall, doch die Europäer haben den Schritt von der Markengläubigkeit zum Massgefertigten noch nicht getan.

Dabei versetzte seine auf der letztjährigen Messe vorgestellte Trilogie von Tourbillon-Armbanduhren die gesamte Sammlerwelt in Staunen. Nach wie vor gilt das Tourbillon als begehrteste Komplikation im Streben nach absoluter Präzision mechanischer Uhren. Nun schuf Meister Prescher nicht nur ein Ein- und Double-Achs-Tourbillon, sondern ebenfalls ein um drei Achsen fliegendes, was bis dato in einer Armbanduhr für unmöglich galt. Doch Ehrgeiz und Hartnäckigkeit führten ihn nach Jahren zum Ziel.

Die wunderschön gefertigten drei Tourbillon-Armbanduhren präsentieren sich in drei unterschiedlichen Gehäuseformen aus Platin 950 mit von Hand guillochierten Zifferblättern aus Massivsilber. Darauf nehmen das Tourbillon-Guckloch, die Stunden-/Minuten-Anzeige und kleine Sekunde als drei unterschiedlich grosse Kreise das Thema der Trilogie ebenfalls auf. Fünf Einheiten zum Preis von 750000 Fr. gingen bisher nach Russland und eine nach Singapur. Die Nummer eins einer jeden Kreation wird für die Familiensammlung zurückbehalten.

Die Nachfrage übersteigt die Kapazität. «Will ich die hohe Qualität meiner Hand-made-Uhren halten, liegen im Jahr nicht mehr als 15, 20 Stück drin», sagt der Meister. Je nach Modell und Kundenwunsch beträgt die Wartefrist ein bis zwei Jahre.

Sarah Rieder

Steckbrief

Name: Thomas Prescher

Geboren: 14. März 1966

Nationalität: Deutscher

Familie: Verheiratet, zwei Knaben

Wohnort: Twann

Beruf: Uhrmacher mit Meisterdiplom

Funktion: Gründer und Inhaber der Manufaktur Thomas Prescher Haute Horlogerie in Twann

Kontakt: www.prescher.ch

Michael Vogt: Luxus mit praktischem Nutzen

Hinter der vor einem Jahr lancierten Bieler Uhrenmarke Vogard - der Verbindung aus Voyage und Avantgarde - steht Michael Vogt. Der 42-jährige Grenchner kennt das Uhrenmarketing aus dem Effeff, stand er doch zehn Jahre lang in eben dieser Disziplin im Dienste von TAG Heuer, Ebel und Gucci Timepieces. Als Uhrenfreak und Vielreisender auf den Weltmärkten nervte ihn die wenig bedienungsfreundliche Zeitzoneneinstellung an Armbanduhren.

In Gesprächen mit Uhrmacherkollegen und Mitreisenden konkretisierte sich seine Idee für die Entwicklung einer benutzerfreundlichen Luxusreiseuhr. Und da für ihn schon immer feststand, dass er sich eines Tages als Unternehmer selbstständig machen würde, gründete er vor drei Jahren die Vogard SA in Biel. Im nahe gelegenen Twann fand Vogt für die Entwicklung eines neuen mechanischen Uhrwerks in der Person von Thomas Prescher «einen der talentiertesten Uhrmachermeister der heutigen Zeit».

Auf der «BaselWorld» 2004 war es so weit: Vogard präsentierte die erste mechanische Uhr der Welt, die das Einstellen der 24 Orte des Welt-Zeitzonensystems mittels Drehen der Lünette erlaubt. Absolut benutzerfreundlich: Unterhalb der Krone, die nach oben versetzt ist, lässt sich ein Hebel öffnen, mittels Drehring wird die gewünschte Destination eingestellt und der Hebel wieder geschlossen. Das Zifferblatt zeigt die Zeit der gewählten Destination. Und während der Sommerzeit wird der Drehring auf die S-Position eingestellt.

Möglich macht dies alles das von Prescher entwickelte mechanische Kaliber Timezoner 01. Der Mechanismus (Patent angemeldet) besteht aus einer mechanischen Kupplung in Form des mit dem Gehäuse verschraubten Hebels zum Aktivieren und Deaktivieren des Mechanismus. Ein Kronrad im Gehäuse überträgt die Bewegung des Drehrings ins Werkinnere, wo ein ausgeklügeltes Räderwerk die Bewegung des Kronrades exakt auf den 24-Stundenzeiger (Destination) und die entsprechende lokale Zeit einstellt.

Nicht schlecht: Im Startjahr 350 Uhren verkauft

Seine Reiseuhren lässt Vogt mit Komponenten von versierten Zulieferern in kleinen Ateliers herstellen. Zur Eingangs- und Endkontrolle geht jede einzelne Komponente und jede gefertigte Uhr über seinen Bürotisch. Von den drei Modellen Business Officer für Weltbürger, Licensed Pilot mit 24 internationalen Flughäfen und Bogey Golfer mit 24 attraktiven Golfplätzen dieser Welt verkaufte Vogard im ersten Jahr 350 Uhren in der Preislage 6750 bis 7500 Fr. Das Timezoner-System macht übrigens ganz persönliche Unikate möglich, indem die 24 Zeitzonen auf der Lünette mit individuell gewählten Ortschaften eingraviert werden können.

Vogard baut die Distribution vor allem in Tourismusgebieten auf. Erste Kunden fanden sich auf Anhieb in Amerika (Verkaufspunkte Hamilton Jewelers in New York, Palm Beach und Cancun), in Asien (Verkaufspunkte in Singapur und Hongkong) und in der Schweiz (Verkaufspunkte in Gstaad, Interlaken und Lyss).

Für das laufende Jahr wird Vogt die Fertigung und damit den Absatz auf 500 Uhren limitieren und auf der «BaselWorld» für drei Neukreationen aus edlen Materialien in der Preiskategorie 7500 bis 24000 Fr. sorgen. Seine Philosophie, dass Luxus immer auch einen praktischen Nutzen bieten soll, verfolgt er selbst mit dem neuen Modell Daymonds: Die Top-Wesselton-Diamanten werden nur dort eingesetzt, wo sie die Weltzeitfunktion zum Brillieren bringen, nämlich zur Anzeige der Sommerzeit, von Tag und Nacht und des Öffnungs- und Schliessmechanismus auf dem Hebel.

Für alle Formel-1-Fans gibts die neue F1 Teamboss: Der Drehring weist in jeder Zeitzone einen Grand Prix (oder falls nötig mehrere) auf, dies mit dem Hinweis, ob der GP während der Sommer- oder Winterzeit stattfindet. Mit jeder neuen Rennstrecke wird Vogard eine entsprechend neue Lünette herausgeben.

Das dritte neue Vogard-Modell, die Ororosso aus massivem Rotgold, ist eine Hommage an die bronzefarbenen Navigationsinstrumente der Entdecker neuer Kontinente.

Das Jungunternehmen ist bisher vom Gründer selbst finanziert worden. Für die weitere Entwicklung könnte sich Vogt, unter der Voraussetzung der Unabhängigkeit, auch eine strategische Partnerschaft mit Investoren vorstellen.

Sarah Rieder

Steckbrief

Name: Michael Vogt

Geboren: 1. Februar 1963

Nationalität: Schweizer

Familie: Verheiratet, eine Tochter, einen Sohn (Zwillinge)

Wohnort: Petit-Cortaillod NE

Beruf: Betriebswirtschafter HSG

Funktion: Gründer und Inhaber der Vogard SA, Biel

Kontakt: www.vogard.com

Renaud de Retz und Guillaume Tetu: Starkes Duo

Die Aktiengesellschaft Hautlence - ein Anagramm zum Städtenamen Neuchâtel - wurde zwar erst im vergangenen Herbst gegründet, die Entwicklung der gleichnamigen Uhrenmarke aber datiert vier Jahre zurück. Über die Idee sinnierten die beiden in der Schweizer Uhrenbranche tätigen Franzosen Renaud de Retz und Guillaume Tetu auf der Basler Messe 2001. Wohl wissend um die Überalterung und Nachfolgeprobleme in der Schweizer Haute Horlogerie, nahm ihr Vorhaben zu einer völlig neuen Uhrengestaltung mit eigenem Werk immer konkretere Formen an. Jedes Wochenende, die gesamte freie Zeit neben ihren anspruchsvollen Full-time-Jobs opferten sie in den vergangenen vier Jahren dieser Vision.

«Oui, nous sommes des fous», stellt de Retz lachend fest, der die Schweizer Uhrenbranche als Marketingfachmann bei Longines, Jaeger-LeCoultre und LVMH (Ebel und TAG Heuer) erfahren hat. Tetu war Konzepter bei Rolex, bevor er zu TAG Heuer wechselte, wo die beiden sich kennen lernten und Freunde geworden sind. Der Dritte im Bunde, der genannt werden kann, ist der in Paris lebende freie Designer Francois Quentin. Er zeichnet für das Uhrendesign der Marke Hautlence verantwortlich.

Ob sich Einsatz und Verzicht gelohnt hat, wird sich während der «BaselWorld» 2005 zeigen. Ein eigener Stand liegt für das Jungunternehmen allerdings (noch) nicht drin es mietet sich während der Messe im 1. Stock des nahe gelegenen Starbucks Coffee ein. Warum Starbucks? «Ein Freund von uns», schmunzelt de Retz.

Genau unter solchen Bedingungen ist das Hautlence-Start-up Realität geworden: Gut 20 unabhängige Fachleute aus allen möglichen Berufen der Uhrmacherkunst, aber auch Distribuenten, Detaillisten und Financiers haben sich zu einem Kollegium zusammengefunden und mitgeholfen, den Traum der leidenschaftlichen Uhrenfreaks zu verwirklichen. Einige engagieren sich neben ihrer freien beruflichen Tätigkeit auch als VR-Mitglied der Hautlence SA.

Credo: Die Form folgt der Funktion

Ihre erste Uhrenkollektion mit sechs Designvarianten präsentiert sich im 16:9-Format. Die von Tetu entwickelte Kinematik des ersten Manufakturkalibers führte zur beliebten TV Screen, ganz nach seinem Credo: Die Form folgt der Funktion. Es ging ihm auch darum, die mechanische Uhrenwelt in die Gestaltung einzubeziehen.

«Exklusivität entsteht durch Innovation und dadurch, dass diese rar bleibt», erklärt de Retz ihre fixe Limitierung von 58 Exemplaren pro Modellvariante. An die Qualität wird keine Konzession gemacht, nur massives Gold oder Platin verarbeitet und von Hand genähte Krokoarmbänder mit dreifacher Faltschliesse und Doppelsicherung verwendet. Werk und Uhren sind 100% Swiss made, in unabhängigen Ateliers zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds gefertigt. Die Preise bewegen sich zwischen 45000 und 55000 Fr.

Das mittelfristige Ziel von Hautlance ist die Senkung der Montagezeit auf einen Arbeitstag (heute zwei bis drei), der Absatz von 20 Uhren im Monat und das Erreichen des Breakeven-Punktes Ende 2006. Die ehrgeizigen Ziele kommen auch im Logo der Marke zum Ausdruck, dem stilisierten mathematischen Zeichen für Unendlichkeit.

Sarah Rieder

Steckbrief

Name: Guillaume Tetu (links)

Geboren: 12. August 1972

Nationalität: Franzose

Zivilstand: Ledig

Wohnort: Neuenburg

Beruf: Produktgestalter

Funktion: Mitinhaber und CEO der Hautlence SA, Neuenburg

Kontakt: www.hautlence.com

Name: Renaud de Retz (rechts)

Geboren: 30. August 1973

Nationalität: Franzose

Zivilstand: Ledig

Wohnort: Saint-Blaise

Beruf: Verkaufs- und Marketing-Spezialist

Funktion: Mitinhaber und COO der Hautlence SA, Neuenburg

Kontakt: www.hautlence.com