Wir haben die Talsohle erreicht», sagt an diesem vom Winde zerzausten Januarmorgen Kaspar Loeb. Der 47-jährige Basler ist seit Jahreswechsel CEO von Publicis, der grössten Werbeagentur des Landes. Lange Zeit sei es, was die von den Grossunternehmen gewährten Werbebudgets anbelangt, nur abwärts gegangen; nun werde die Branche sich erster Anzeichen gewahr, die einen langsamen Aufwärtstrend versprächen. Vor allem Banken und Finanzdienstleister, Telekommunikations- und Automobilbranche, Grossverteiler und Lifestylisten investieren laut Loeb wieder vermehrt in die publikumswirksame Inszenierung ihres Brands. «Rosige Zeiten wie in den 90er Jahren werden wir allerdings nie mehr haben», so der Werber hinter dem alufarbenen Laptop, der sich selber eigentlich gar nicht als Werber sieht.
Kaspar Loeb «de Chäschpu», wie ihn die Dame vom Empfang per Telefon avisiert kann auf eine kurvenreiche Karriereroute zurückblicken. Anfänglich, da wollte er ja Jurist werden. Dann aber zog es ihn an die Wandtafel, aus «Rache an der Lehrergilde», wie er sagt. Drei Jahre lang führte der Ärztesohn Basels Gewerbeschüler unter anderem in die Staatskunde ein. Spätestens da sei ihm klar geworden, dass er eine Affinität habe, schwierige Themen verständlich zu erörtern. Etwas, das er auch als Journalist zur Anwendung bringen wollte: Loeb absolvierte Ringiers Journalistenschule und stieg beim Blick als Mann am «Heissen Draht» ein. Zum einen sei er in dieser Funktion im wahrsten Sinne des Wortes Telefonseelsorger mit einem offenen Ohr für die Sorgen und Nöte der Leserschaft gewesen, zum anderen habe er sein «Gschpüri» für gute Geschichten schulen können.
Vom Telefonseelsorger zum Cash-TV-Moderator
So habe doch einmal einer angerufen und behauptet, in seinem Garten sei soeben ein Ufo gelandet. «Scho guet», antwortete der junge Journalist und legte den Hörer zurück auf die Gabel. Als dann aber eine zweite, gleichlautende Meldung einging, eine dritte gar, spurtete Loeb zum diensthabenden Redaktor und erstattete Meldung. «Ruf den guten Mann zurück und sag ihm, er solle ein Foto von den Ausserirdischen schiessen und sich dann wieder melden. Wir holen es dann später ab», habe der nur gesagt und sei keinen Zentimeter von seinem Sessel aufgejuckt. «Natürlich hat sich der Mann nie mehr gemeldet, und das Foto vom Ufo haben wir auch nie erhalten.»
Über die Medienprodukte «SonntagsZeitung», «Politik und Wirtschaft», «Weltwoche» und «Cash» landete Loeb in den 90er Jahren bei Cash TV, wo er unter anderem als Moderator tätig gewesen ist. «Ich habe halt gern die Klappe offen», lacht Loeb. Und wirklich, wer sich mit dem grau melierten Mitvierziger unterhält, hat manchmal Mühe, sich elegant in den «loebschen Redefluss» zu werfen. Allerdings: Ein Dampfplauderi ist der gebürtige Basler deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil: Wenn es darum geht, eine Sachlage zu erörtern, dann kann Loeb mit einfachen, von der Theorie in die Praxis heruntergebrochenen Anschauungsbeispielen brillieren.
Was drin ist, muss drauf sein
Werbung, zum Beispiel, müsse für den Konsumenten nachvollziehbar und in ihrer Kernaussage einfach zu überprüfen sein, setzt er zu einem kurzen Grundsatzdiskurs an. «Das funktioniert wie mit einer Schoggi: Wenn sie draufschreiben, sie sei süss, beim ersten Biss sich aber herausstellt, dass sie bitter ist, dann ist die Deklaration grundfalsch.» Selbiges gelte für Werbespots und Inserate, gute oder eben schlechte. Natürlich untersteht sich der neue Publicis-Chef in seiner jetzigen Situation nicht, Kollegenschelte zu betreiben oder aktuelle Kampagnen als wie er sagt, «bullshit» abzukanzeln, doch ein Beispiel aus der näheren Vergangenheit erscheint ihm durchaus erwähnenswert, um die Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität in der Werbung aufzuzeigen. «Swissair, the most refreshing airline» was um Himmelswillen, so sein Einwand, solle sich der Flugpassagier unter einer «erfrischenden Fluggesellschaft» vorstellen? Zudem soll ein Flugzeug Menschen von A nach B bringen und sich nicht als Kreislaufankurbler betätigen. Sinn und Bestimmung des beworbenen Produktes und die entsprechende Umsetzung desselben in einen Slogan würden sich hier augenfällig nicht decken.
Genau gleich, wie es für den Normalverbraucher auch nicht unbedingt nachvollziehbar sei, wenn Stromerzeuger plötzlich als Veranstalter einer ganzen Fussball-Liga dastünden. «Strom kommt aus der Steckdose, Strom kommt aus der Steckdose, Strom kommt aus der Steckdose», klopft Loeb energisch auf den Tisch, «da kann man noch so tolle Spots produzieren, noch so prominente Auftritte buchen Strom kommt trotzdem aus der Steckdose.»
Manchmal passiere es eben, dass eine Kampagne für die Manager des entsprechenden Unternehmens gemacht werde, nicht für das Produkt, kennt Loeb die Gefahr einer jeden Präsentation, denn schliesslich sind es Erstere, die über die Vergabe von Auftrag und Budget entscheiden. «Deshalb plädiere ich dafür, dass man permanent einen Realitätscheck durchführt: Wie sind das zu bewerbende Produkt und sein Produzent positioniert, stimmen Inhalt und Aussage überein, wird die Kampagne wirklich auf den Kunden ausgerichtet oder nicht doch eher auf die eigene Agentur?» Ein Fragenkatalog, der allerdings nicht zwangsläufig nur für die schnelllebige Branche der Werber allein Gültigkeit haben muss.
Die Abzweigung vom Journalismus in die Werbewelt hat Kaspar Loeb nicht aktiv gesucht, eher durch einen Zufall fand er Mitte der 90er Jahre den Weg zur Brand Consulting Firma Interbrand Zintzmeyer & Lux. Eine Freundin habe ihn auf den Job aufmerksam gemacht. «Mir war allerdings schon immer klar gewesen, dass ich nicht bis Fünfzig Pressekonferenzen besuchen wollte. Und so suchte ich eine Herausforderung, bei der ich mehr Verantwortung denn als Journalist übernehmen konnte.» Als solcher nämlich könne man zwar viel in Gang setzen, die daraus entstehenden Konsequenzen allerdings, die müsse man in der Regel kaum mittragen.
Die goldenen Zeiten hat Loeb nicht miterlebt
Fünfeinhalb Jahre wirkte der mit einer Journalistin verheiratete Loeb bei Zintzmeyer & Lux, dann wechselte er als CEO zur Seiler DDB Gruppe, dies in einer Zeit, als es mit der Wirtschaft gerade bachab ging. «Die goldenen Zeiten in der Werbung habe ich nie erlebt, dafür weiss ich, was es heisst, in Krisenzeiten zu bestehen», schmunzelt der Kommunikator, der sich gerne in der Rolle des Generalisten sieht. Als solcher will er zusammen mit Fredy Collioud, seinem Vorgänger an der Agenturspitze und jetzigen VR-Präsidenten von Publicis, dafür sorgen, dass sämtliche Spektren der Kampagnenarbeit an zentraler Stätte zusammengefasst werden und die damit verbundenen Dienstleistungen aus einer Hand kommen.
Das klingt ziemlich trocken für einen, der seine Wortgewandtheit am liebsten in Workshops zur Anwendung bringt und Kreativität gerne direkt lebt. «Kreativität alleine», kontert Loeb, der sich in seiner Feriendestination Südfrankreich als Gärtner betätigt, «garantiert bestimmt keinen Erfolg. Wer als Werbeagentur heute am Markt bestehen will, der braucht Ideen, Konstanz und viel, viel Bodenhaftung.» Letztendlich sei auch in der jährlich rund 10 Mrd Fr. generierenden Werbebranche die Effizienz ein entscheidendes Kriterium. «Die Botschaft muss richtig sein, überzeugen und beim Konsumenten ankommen», betont Kaspar Loeb und macht sich wieder hinter seinen alufarbenen Laptop.
Profil: Steckbrief
Name: Kaspar Loeb
Funktion: CEO Publicis Werbeagentur, Zürich
Alter: 47
Wohnort: Herrliberg
Familie: Verheiratet
Karriere
1983-1995 Journalist (Blick, SonntagsZeitung, Weltwoche, Cash-TV)
1995-2000 Interbrand Zintzmeyer& Lux, Zürich, Mitglied der GL
2000-2003 CEO Seiler DDB Gruppe, Zollikerberg
Seit 2004 CEO/Managing Director Publicis, ZürichFirma
Publicis: Sie gehört zum Netzwerk der Publicis Groupe (weltweit 208 Agenturen in 68 Ländern), ist die grösste Schweizer Werbeagentur und erwirtschaftete im Jahr 2002 Bruttobetriebseinnahmen von 28,5 Mio Fr. (zum Vergleich: Advico Young & Rubicam 23,9 Mio Fr., Lowe 17,7 Mio Fr.). Zu Publicis gehören die Publicis Werbeagentur, die Optimedia, Fisch.Meier.Direkt und Fisch.Meier. Promotion. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 180 Personen. Publicis betreut Kunden wie UBS, Nestlé, Coca-Cola, Neue Zürcher Zeitung, Zürcher Verkehrsverbund, Migros oder Mobiliar.