Sonnenberg statt Fuerteventura. Ende Juni lud Kuoni-Schweiz-Chef Leif Vase Larsen die Medien für Ende August zu einem «anregenden Austausch mit dem Management» ins kanarische Surferparadies. Wenige Wochen später erreichte die Redaktionen eine neue Einladung.

Nun war der Deutsche Thomas Goosmann der Gastgeber. Und statt Fuerteventura war nun das Zürcher Restaurant Sonnenberg Veranstaltungsort. Der neue Chef Goosmann soll jetzt aufzeigen, wie «Kuoni im Schweizer Markt seine Führungsposition weiterentwickeln will».

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Das Intermezzo mit den Einladungen ist Ausdruck der heissen Diskussionen der letzten Wochen auf der Kuoni-Führungsetage. Im Zentrum steht die Zukunft des Reisekonzerns auf dem Heimmarkt. Zwar entfernte Kuoni sein Geschäftsmodell allgemein stärker vom klassischen Pauschalreisegeschäft als andere Anbieter.

Der Konzern trotzte den Krisenjahren damit besser als die Rivalen. Aber ausgerechnet im Schweizer Geschäft läuft es unbefriedigend. Die Verkäufe schrumpfen seit Jahren. Nahm die helvetische Ländergesellschft noch vor wenigen Jahren eine gute Milliarde Franken ein, so lagen die Umsätze letztes Jahr noch bei gut 700 Millionen. Allein 2011 sank der Absatz um über 10 Prozent. Die Profitabilität des Schweizer Geschäfts ist im Konzernvergleich unterdurchschnittlich. Es besteht Handlungsbedarf.

Zu viele Baustellen

Das scheint auch die Kuoni-Konzernleitung so zu sehen. Bislang führte Larsen das Schweizer Geschäft im Nebenamt, zusätzlich zu seiner Funktion als Leiter eines von drei Konzernbereichen. Ihm unterstehen auch Märkte, in denen Kuoni rote Zahlen schreibt. Sie geben entsprechend viel zu tun. Wegen seines Doppelamtes habe er die Rolle als Schweiz-Chef vernachlässigt, ist bei Kuoni zu hören. «Larsen glänzte oft durch seine Abwesenheit. Er hatte zu viel auf dem Schlitten», sagt ein Kenner des Unternehmens.

Kuoni-Sprecher Peter Brun widerspricht: «Larsen war jeweils von Dienstag bis Donnerstag in Zürich, öfters auch noch am Freitagvormittag. Zudem führte er durch alle Geschäftsleitungssitzungen der Schweiz persönlich vor Ort.» Zuletzt war es bei Kuoni üblich, das Amt des Schweiz-Chefs als Nebenjob zu besetzen. Der letzte vollamtliche Chef ging bereits 2007.

Die Doppelbelastung wurde Larsen aber zu viel. Er machte im vergangenen Herbst Marianne Häuptli zu seiner Stellvertreterin für die Schweiz. Auf dem Papier blieb er zwar Chef, faktisch leitete die altgediente Kuoni-Kaderfrau aber die Geschäfte. Jetzt geht Kuoni nach diversen Restrukturierungen mit der Ernennung von Goosmann noch einen Schritt weiter und kehrt zur altbewährten Führungsform zurück. «Kuoni Schweiz braucht einen Vollzeit-Chef», begründet Larsen seine Kehrtwende gegenüber dem Branchenblatt «Travel Inside».

Protest via E-Mail

Der Chefwechsel sorgt in der Schweizer Ländergesellschaft seit Tagen für Unruhe. Am Hauptsitz in Zürich, den sich der Schweizer Kuoni-Teil und die Konzernleitung teilen, «ist das Arbeitsklima vergiftet», wie ein Kadermitarbeiter berichtet. Stein des Anstosses ist nicht die Person Goosmanns, sondern dass Larsen seine Stellvertreterin Häuptli bei der Besetzung des Chefpostens überging und gleich vor die Tür setzte. «Das geht gar nicht», sagt ein Ex-Manager. Die 43-jährige Häuptli war seit 24 Jahren für Kuoni tätig, beim Personal beliebt und für viele die logische Schweiz-Chefin. Sie wurde in fünf Minuten kaltgestellt.

Seither werden Larsen, Konzernchef Peter Rothwell und gar Mitglieder des Verwaltungsrates vom Personal mit Protest-Mails bestürmt. Gefordert wird darin die Wiedereinsetzung Häuptlis. Brun bestätigt die Mails «von Mitarbeitern und externen Reisebüros». Einen Proteststurm sieht er aber nicht. Man habe «vereinzelte Mails» erhalten. «Wir haben mit den Absendern bereits das Gespräch gesucht oder werden es in den nächsten Tagen tun.» Goosmann habe schon diverse offene Fragen von Mitarbeitern geklärt.

Häuptli will über ihre Entlassung nicht reden. «Kein Kommentar», sagt sie nur. Kuoni äussert sich dazu ebenfalls nicht. Sprecher Brun erklärt: «Der Divisionsleiter entscheidet, mit welchem Team er die Herausforderungen in einem Markt bewältigen will. Die Konzernleitung trägt den Entscheid mit.»

Dass Häuptli geopfert wurde, sorgt aber nicht nur bei Mitarbeitern für Kopfschütteln, sondern auch bei ehemaligen Kadern. «Ich hoffe, dass dies Larsens letzter Fehler ist», sagt ein Ex-Führungsmann. «Er hätte wissen müssen, wie wichtig Häuptli für Kuoni in der Schweiz ist.» Ein anderer Ehemaliger pflichtet dem bei: «Die Absetzung ist das Gegenteil dessen, was Kuoni braucht. So macht man ein Unternehmen kaputt.» Goosmann sei zwar ein langjähriger Reiseprofi. «Aber er wird jetzt in den Schweizer Markt reingesetzt. Bis er so weit ist wie die bisherige Führung, wird es dauern.» Sprecher Brun sagt dazu: «Goosmann arbeitet sich zurzeit im Detail in die Schweizer Geschäfte ein, um schon bald erste Akzente setzen zu können.» Erstmals äussern will sich Goosmann übernächste Woche.

Bis dahin wird er bei den vielen externen Reisebüros und Wiederverkäufern noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. «Ich verstehe nicht, weshalb Häuptli gehen musste. Der Unmut in der Branche ist ziemlich gross», sagt der Chef einer Reisebüro-Kette aus Zürich. Ein anderer Besitzer eines Reisebüros sagt: «Ich bin enttäuscht von Kuoni. Mit einer Schweizer Frau als Chefin hätte das Unternehmen ein sehr gutes Zeichen setzen können.»

Larsen schuf mit seinem Entscheid eine Ausgangslage, die Goosmann beim Erreichen der Trendwende sicher derzeit nicht hilft. Das Personal beschäftigt sich mit Interna statt mit den Kunden. Wichtige Vertriebspartner – sie sorgten letztes Jahr für knapp die Hälfte des Umsatzes – fühlen sich vor den Kopf gestossen. Und das just zu einer Zeit, in der sich die Branche gerade von den Rückschlägen der letzten Jahre erholt. Goosmann hat nur wenig Zeit, sich einzuarbeiten.

Konzern: Traum-Margen im Visumsgeschäft

Kleine Schweiz
Das Schweizer Geschäft trägt noch rund 14 Prozent zum Kuoni-Konzernumsatz von 5,1 Milliarden Franken und knapp 11 Prozent zum Betriebsgewinn von 74 Millionen bei (Stand 2011). Im 1. Halbjahr 2012 dürfte der Anteil weiter gesunken sein. Details zu den Zahlen legt das Unternehmen nächste Woche vor.

Visa
Der Konzern entwickelt sich mehr und mehr vom klassischen Reiseveranstalter zum Reisedienstleister. Bestes Beispiel dafür ist die Geschäftseinheit VFS Global. Für 37 Regierungen der Welt übernimmt die Firma die administrative Bearbeitung von Visumsanträgen. Ende 2011 betrieb Kuoni über 500 Zentren in 62 Ländern. Auch die Schweiz arbeitet mit VFS zusammen. Inder, die ein Visum für die Schweiz wollen, müssen nicht mehr zwingend zur Schweizer Botschaft, sondern können ihren Antrag auch bei Kuoni stellen. Das Geschäft ist für Kuoni äusserst lukrativ. Bei einem Umsatz von 176 Millionen Franken lag der Betriebsgewinn bei 42 Millionen. Das entspricht deutlich mehr als der Hälfte des ganzen Konzerngewinns vor Steuern und Zinsen. Während der Konzern eine branchenüblich magere Marge von 1,5 Prozent ausweist, kommt VFS auf eine Gewinnspanne von 24 Prozent.

Marcel Speiser Handelszeitung
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