Alle reden von Corporate Governance. Sie haben sich noch nie dazu geäussert. Wieso?

Kurt Feller: Das, worüber heute so viele Worte verloren werden, praktizierten wir bei Rieter im Grossen und Ganzen schon seit Jahren. Es gibt heute die SWX-Richtlinien und den Swiss Code of Best Practice von Economiesuisse. Dies sind gute Vorgaben, die meines Erachtens alles Wichtige abdecken.

Es fällt auf, dass Sie sich bei Ihren Engagements in Verwaltungsräten im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen auf wenige bekannte Unternehmen beschränken neben Rieter auf Ciba und Geberit. Die Unternehmen haben allerdings eine unterschiedliche Performance. Bedingt das auch verschiedene strategische Grundmuster für Verwaltungsräte?

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Feller: Die drei Unternehmen haben insbesondere verschiedene Strategien für die Marktbearbeitung. Trotzdem gibt es ein «Grundmuster» für alle drei Unternehmen, wie Sie es nennen. Es heisst für mich immer: Märkte, Kunden und Produkte stehen im Zentrum unserer Strategie.

Geberit schneidet an der Börse überdurchschnittlich gut ab. Der Kurs hat sich innert kürzester Zeit verdoppelt. Banken sind euphorisch in ihrem Urteil. Der Erfolg wird einer idealen Kombination von Innovation und gutem Betriebsklima zugeschrieben. Was tragen Sie als Präsident dazu bei?

Feller: Sicherstellen, dass ein Unternehmen ein gutes Management hat und dass die Kontinuität gewahrt bleibt. Überdies werden der Innovationsprozess kontinuierlich gemessen und das Verbesserungspotenzial ständig ausgelotet. Es gibt nichts, was nicht noch besser gemacht werden kann. Das habe ich in meiner langjährigen Tätigkeit als CEO bei Rieter immer wieder erlebt. Von diesen Erfahrungen kann ich jetzt auch bei meinen VR-Aktivitäten in anderen Unternehmen zehren. Gefährlich ist es, wenn man sich gegenseitig auf die Schulter klopft, dann werde ich misstrauisch.

Ärgert es Sie nicht, dass Geberit immer wieder mit WC-Schüsseln und Badewannen gleichgesetzt wird?

Feller: Das nehme ich gelassen. Wer sich mit diesem Unternehmen befasst und wer mit ihm in geschäftlichem Kontakt ist, weiss sehr wohl, dass Geberit keine WC-Schüsseln und Badewannen herstellt, sondern für das Wassermanagement im Badzimmer und WC zuständig ist. Das heisst konkret: Geberit sorgt dafür, dass Wasser zugeführt, verteilt und weggeführt wird, und zwar möglichst ohne störende Geräusche.

Ciba und Geberit sind zwar überhaupt nicht zu vergleichen, aber eines ist ihnen gemeinsam: Beide Unternehmen haben es geschafft, unter schwierigen Bedingungen zu wachsen. Allerdings machte das Wachstum bei Ciba im ersten Halbjahr 2004 nur 4% aus. Hat der Ölpreis dem Unternemen zugesetzt?

Feller: Ich würde das nicht überschätzen. Nur einige Geschäfte sind bei Ciba direkt vom Ölpreis abhängig.

Nur: Ciba wird halt immer mit BASF verglichen. Im Unterschied zu Ciba weist die deutsche BASF zweistellige Wachstumsraten auf. Was macht BASF besser?

Feller: Es gehört nicht zu meinen Aufgaben als Ciba-Verwaltungsrat, Konkurrenten von Ciba in der Öffentlichkeit zu beurteilen.

Im Gegensatz zu Geberit hat der Aktienkurs von Ciba eher enttäuscht. Vor zwei Jahren lag er bei 120 Fr., jetzt gerade noch bei 79 Fr.

Feller: In dieser Entwicklung widerspiegeln sich sicher die höher gesteckten Erwartungshaltungen der Anleger. Andererseits sind die Aktienmärkte sehr volatil, weshalb es wichtig ist, die Performance längerfristig zu betrachten und auch die Dividendenausschüttungen und Kapitalrückzahlungen zu berücksichtigen. Dann sieht es wieder ganz anders aus. Das gilt übrigens auch für Rieter.

Was kann ein Verwaltungsrat zur «Kurspflege» unternehmen?

Feller: Die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt ist nicht Aufgabe des Verwaltungsrats. Verwaltungsräte müssen dazu sehen, dass ein Unternehmen profitabel wächst, dass die Strategie gut ist und das ist wichtig auch umgesetzt wird. Die immer wiederkehrende Frage sollte sein: Wie können wir besser werden? Zu kommunizieren, was alles unternommen wird, damit dies der Fall ist, und die Anleger zu überzeugen, wieso die Aktien einen Kauf wert sind, ist nicht die Aufgabe der Verwaltungsräte, sondern des CEO. Die Anleger überzeugt man am besten mit Leistung und der Zukunftserwartung, die ein seriöses Management weckt. Die Zeiten, in denen man den Anlegern etwas vorgaukeln konnte, sind vorbei. Ich erinnere mich an einen Fall, in welchem ein Unternehmen mit 3 Mio Fr. Umsatz vor dem Platzen der Dot.com-Bubble eine grössere Börsenkapitalisierung hatte als Rieter.

Ist das Zusammengehen von Rieter mit Saurer vom Tisch?

Feller: Ja. Es ist besser für die beiden Unternehmen und für die Kunden, wenn Saurer und Rieter Wettbewerber sind. Für Saurer und Rieter, weil sie sich gegenseitig anspornen in ihren Entwicklungsbemühungen, für die Kunden, weil sie die Wahl haben und die beiden Unternehmen gegeneinander ausspielen können. Einmal abgesehen davon, dass die Kartellbehörden eine so geballte Marktmacht vermutlich gar nicht tolerieren würden. Mit ihren Textilmaschinen sind Saurer und Rieter ja auf vielen Gebieten, in denen sie Produkte anbieten, führend am Weltmarkt.

Rieter wurde ja eine Zeitlang wegen seiner Dualstrategie kritisiert. Sie haben sich nicht beirren lassen. Der Erfolg gibt Ihnen recht. Wie sind Sie mit den Nadelstichen der Analysten umgegangen?

Feller: (lacht) Ich bin ein «Berner Gring». Das ist an mir abgeprallt. Unangenehmer war der Übernahmeversuch von Tito Tettamanti. Aber das ist passé.

Trotzdem: Ist etwas davon zurückgeblieben?

Feller: Ja, etwas Positives. Der Druck war zwar unangenehm, hat uns aber auch dazu gezwungen, vieles neu zu überdenken.

Was zum Beispiel?

Feller: Wir waren gezwungen, unsere Strategie präzise zu formulieren und sie intern und den Medien, dem Kapitalmarkt und der breiten Öffentlichkeit zu erklären. Die Kommunikation bekam damals, zu Beginn der 90er Jahre, bei Rieter einen entscheidenden Stellenwert. Wir erkannten, dass der Dialog mit allen Anspruchsgruppen für ein Unternehmen sehr lehrreich und befruchtend ist.

In diesem Zusammenhang: Wo ist eigentlich das 30% schwere Aktienpaket von Martin Ebner gelandet, der ja ebenfalls ein Auge auf Rieter geworfen hatte?

Feller: Die von der BZ Gruppe gehaltenen Rieter-Aktien konnten breit im Markt gestreut werden, und die Anzahl der Aktionäre stieg von 4000 auf rund 8000.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat vergangene Woche die Leitzinsen erhöht. Sind Sie eigentlich zufrieden mit dem Entscheid?

Feller: Ja.

Aber Rieter ist stark exportorientiert und zinssensitiv.

Feller: Wir produzieren zu einem grossen Teil im Ausland. Automotive ist überall dort präsent, wo die grossen Automobilhersteller ihre Werke haben. Im Textile-Bereich ist unsere Fertigung heute in verschiedenen Ländern in West- und Osteuropa sowie in Asien. Durch unsere weltweite Präsenz sind die Währungsrisiken eingegrenzt. Unangenehm wäre es, wenn die SNB eine sprunghafte Politik verfolgte. Solange sie berechenbar handelt, können wir damit leben.

Und was erwarten Sie vom Binnenmarktgesetz?

Feller: Da müssen wir abwarten, was dabei herauskommt. Für mich ist entscheidender, dass die Schweiz keine Hochpreisinsel bleibt, da sie letztlich weitgehend von der Exportindustrie lebt. Bezüglich der Liberalisierung und des verstärkten Wettbewerbs in der Binnenwirtschaft haben wir noch viele Hausaufgaben zu machen.

Sie könnten sich aber eigentlich bequem zurücklehnen immerhin haben Sie viele Erfolge auszuweisen und sind nie negativ in die Schlagzeilen geraten.

Feller: Ich habe jetzt schon mehr Zeit zum Nachdenken als in der Zeit, in der ich CEO war. Dass man kaum je zur Ruhe kommt, ist das Zehrende an diesem Job. Man ist immer unterwegs, nimmt die Arbeit sogar noch in die Ferien mit und hat ein schlechtes Gewissen, wenn man dann einmal ein Buch liest. Auch das schlechte Gewissen gegenüber der Familie ist ein ständiger Begleiter. Zum Zurücklehnen ist es für mich noch zu früh, aber etwas mehr frei verfügbare Zeit habe ich schon.



Profil

Name: Kurt Feller

Funktion: Präsident von Rieter und Geberit, Vizepräsident von Ciba

Alter: 67

Wohnort: Oberer Zürichsee

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Diplom der University of Massachusetts, IMD Lausanne: Program for Executive Development Program für Senior Executives

Karriere

1963-1977 Feller AG Horgen, Geschäftsleitungsmitglied (Finanz- und Rechnungswesen)

1977-1985 Finanzen und Controlling der Maschinenfabrik Rieter

1985-1989 Mitglied der Konzernleitung Rieter Holding AG

1989-1994 Vorsitzender der Konzernleitung Rieter Holding AG

1994-2000 Delegierter des VR

Seit 2000 Verwaltungsratspräsident von Rieter



Rieter Letzer Kurs: Fr. 339.50

(in Mio Fr.) 1.HJ 2004 1. HJ 2003 %

Umsatz 1626 1555 5

Ebit 104 101 3

Ebitmarge (in %) 6.6 6.7

Gewinn 67.7 53.3 27

Auftragseingang 1663 1488 11

Beschäftigte 13520 13355 1