So geht ökologischer Unsinn: Zuchtlachse werden heute mit Fischöl gefüttert, das aus kleinen Fischen wie Heringen und Sardellen gewonnen wird, damit sie Omega-3-Fettsäuren enthalten, wenn sie bei uns auf dem Teller landen.

Doch das muss nicht sein.

Die Omega-3-Fettsäuren lassen sich auch direkt aus den Algen gewinnen und an die Fische verfüttern.

Die Technologie dazu kommt, zumindest teilweise, aus dem Binnenland Schweiz. Das holländische Chemieunternehmen DSM, das von Kaiseraugst aus sehr erfolgreich ein Geschäft für Nahrungsergänzungsmittel führt, hat zusammen mit der deutschen Evonik ein Fermentierungsverfahren entwickelt, mit dem die beiden Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA direkt aus den Algen gewonnen werden können. EPA und DHA sind vital für die Gehirn- und die Sehfunktion sowie gut fürs Herz. 

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Die beiden Unternehmen haben dazu zusammen das Unternehmen Veramaris gegründet und dieser Tage eine 200 Millionen Dollar teure Anlage in Betrieb genommen, die Algen fermentiert und dabei Algenöl herstellt. Sie steht in Blair in Nebraska, ebenfalls hunderte von Kilometern vom nächsten Meer entfernt.

Der Grund: Die Fermentierung erfordert Getreide. Deshalb der Standort mitten im amerikanischen Corn Belt.

Ein Teufelskreis

Die Rechnung mit den Fischen geht schon ein paar Jahren nicht mehr auf. Immer mehr Menschen essen immer mehr Fisch. 3 Milliarden Menschen weltweit bauen bei ihrer Ernährung auf Fisch. 2016 lag der Konsum bei mehr als 150 Millionen Tonnen, gegenüber 130 Millionen Tonnen 2011. Auch der Pro-Kopf-Konsum nahm zu, von 18,5 auf 20,3 Kilogramm.

Die steigende Nachfrage befeuert das Fischfarming, was wiederum Folgen für den Fischfang hat. 20 Prozent des Wildfangs werden dazu verwendet, um Fische in Farmen zu füttern. Beim Fischöl sind die Zahlen noch dramatischer: 75 Prozent des Fischöls geht in die Zucht von Fischen.

Das Problem dabei: Die Sardellen- und Heringbestände sind durch die Überfischung inzwischen derart dezimiert, dass der Omega-3-Anteil im Lachs in den vergangenen Jahren immer stärker zurückgegangen ist. Mit anderen Worten: Der Lachs enthält immer weniger von dem, was ihn so beliebt macht. Ein Teufelskreis.

20 Prozent des Wildfangs werden gebraucht, um Fische in Farmen zu füttern.

«Unser Ziel ist es, den Druck auf den Fischfang zu reduzieren und etwas gegen die Überfischung zu tun», sagt David Nickell, Vice President von DSM Nutritional Products & Health. Dazu wird die Futterkette verkürzt. Die Omega-3-Fettsäuren werden direkt aus maritimen Mikroalgen gewonnen anstatt aus Fischen, die zuvor Algen gefressen haben. "So müssen wir nicht auf endliche maritime Ressourcen zurückgreifen", sagt David Nickell. Die Algen werden von Veramaris gezüchtet.

Mehr noch: Das in Nebraska produzierten Algenöl enthält sogar doppelt so hohe Mengen an EPA und DHA als Fischöl.

DSM sagt, die Anlage produziere so viel Omega-3-Fettsäuren wie sonst aus 1,2 Millionen Tonnen Fisch gewonnen werden. Das entspreche 15 Prozent des Bedarfs der weltweiten, 1,5 Milliarden Dollar schweren  Lachsproduktion, «ein substantieller Beitrag zum Schutz der Ozeane», wie das Unternehmen schreibt.

Allerdings: Es geht nur um Fischöl. Fischmehl wird in den Lachsfarmen, die auf das neue Produkt setzen, nach wie vor verfüttert. Lachse sind Fleischfresser, die Möglichkeiten, sie mit pflanzlichen Eiweissen zu füttern, sind beschränkt, wenn sie gesund bleiben sollen.

Der Rollout für das neue Produkt ist im Gange. In Europa haben die beiden Unternehmen, die sich sonst als Konkurrenten gegenüberstehen, die französische Supermarché Match an der Angel; in den USA hat Love The Wild angebissen, ein Zulieferer von Whole Foods, Tochter von Amazon und weltgrösster Biohersteller. Wichtige Absatzmärkte sind die grossen Fischzuchtländer Norwegen, Chile, Schottland, Kanada und Tasmanien.

Fehlt: Die umfassende Ökobilanz

Grosse Unternehmen, grosser Impact. «Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, die Wende herbeizuführen und die Abhängigkeit der Fischindustrie von der begrenzten Ressource Fischöl zu reduzieren», liess sich Feike Sijbesma, CEO von DSM, bei der Eröffnung zitieren.

Wir aber steht es mit der Ökobilanz der Anlage, die nicht nur die maritimen Ressourcen einschliesst, sondern alle Ressourcen und Emissionen wie Energieverbrauch und CO2-Ausstoss? Eine solche liegt zwar vor, soll aber erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden. 

Auch bei der Marge gibt man sich zugeknöpft. 25 Prozent seien denkbar, sagte Feike Sijbesma in einem Interview. Und einmal hochgefahren, soll die Anlage 200 Millionen Dollar Umsatz machen.

Zum Vergleich: Die aus der Roche-Vitaminsparte hervorgegangene DSM-Nutrition-Sparte in Kaiseraugst machte 2018 einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro. Die Sparte war um 7 Prozent gewachsen, die Ebitda-Marge lag bei 17,3 Prozent.

Veramaris ist Teil der Anstrengungen von Spartenchef Chris Goppelsroeder, neue, höhermargige Geschäftsfelder zu erschliessen. Der ehemalige Roche-Manager wechselte 2003 zusammen mit dem Vitamin-Geschäft vom Pharmakonzern zu DSM. Der niederländische Chemiekonzern ist in Amsterdam kotiert und hat nebst dem Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln auch noch eine Materialsparte, die 2018 2,9 Milliarden Euro Umsatz machte. 

Dieser Text wurde das erste Mal auf HZ publiziert am 8. August 2019.