Dass Eleganz und Bequemlichkeit kein Widerspruch sind, das ist vielleicht der wichtigste Nachlass von Laura Biagiotti. Ihr Name steht für lässige Kreationen aus edlen Materialien. In Erinnerung bleibt sie aber vor allem wegen eines unverkennbaren Duftes.

Laura Biagiotti war eine dieser Ausnahmeerscheinungen in der Modewelt, die auch nach ihrem Tod noch lange nachklingen. Wenn Frauen den Namen hören, taucht meist vor ihrem inneren Auge gleich eine fragile gläserne Säule auf, ein Flakon im Antik-Stil mit orangefarbenen Essenzen darin: Das Parfüm «Roma», das die Designerin 1988 als Hommage an ihre Heimatstadt auf den Markt gebracht hatte – und das fortan einen wahren Triumphzug um die Welt angetreten hatte.

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Der Weltkonzern wird weiterleben

Aber Laura Biagiotti stand auch seit den 1970er Jahren für ebenso schicke wie schmeichelhafte Mode-Kreationen, die nicht nur für Damen mit Modelmassen erdacht waren. Die Kleider nach den Entwürfen der Modeschöpferin sollten auch stets bequem und praktisch sein. Biagiotti selbst teste ihre Philosophie regelmässig, indem sie und ihre Mitarbeiter die neuen Kreationen einem Praxistest unterzogen.

Jetzt ist die Designerin im Alter von nur 73 Jahren nach einem Herzstillstand gestorben. Wie die italienische «Repubblica» berichtete, befand sich Biagiotti in der Firmenzentrale, als es ihr plötzlich schlecht ging. Ihr Weltkonzern wird aber dank Tochter Lavinia weiterleben. Die postete emotional ein Foto von einer Modenschau auf Instagram, das sie strahlend und Händchen haltend mit ihrer Mutter zeigt. «Grazie di tutto» – danke für alles, schrieb sie darunter.

Die erste Aliatalia-Uniform geschneidert

Eigentlich interessierte sich die junge Laura zunächst eher für Ruinen und antike Ausgrabungsstätten: Biagiotti wollte Archäologin werden und startete dafür auch ein entsprechendes Studium an der Universität Rom. Dann aber siegte das Pflichtgefühl gegenüber der Familie, und sie stieg ins Schneideratelier ihrer Mutter Delia ein. Diese schneiderte einst die erste Uniform der Alitalia-Flugbegleiterinnen.

Statt in den Katakomben Roms nach Relikten der Vergangenheit zu forschen, avancierte Biagiotti bald zu den Erneuerern der italienischen Mode. Von Mutter zu Tochter und Mutter zu Tochter – die Karriere von Laura Biagiotti sei nicht nur eine Erfolgsgeschichte der Mode, sondern auch eine Familiengeschichte der starken Frauen, schreibt «IO», das Magazin des «Corriere della Serra» aus Anlass ihres Todes.

Weiss als Markenzeichen

Aus dem in den 60er Jahren gegründeten Atelier entstand 1972 die erste Kollektion unter dem Namen Laura Biagiotti. «Ich bekam mehr und mehr das Gefühl, dass die Phase der rein dekorativen Mode zu Ende ging. Beruflich aktive Frauen hatten andere Bedürfnisse», erinnerte sich Biagiotti vor einigen Jahren in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Diese Intuition teilte sie mit Designern wie Walter Albini, Ottavio und Rosita Missoni oder Mariuccia Mandelli. Gemeinsam legten sie die Spur, die wenig später Giorgio Armani noch vertiefen sollte – und schufen das bis heute gängige Bild der lässigen italienischen Eleganz.

So wie der Name von Designer-Kollege Valentino untrennbar mit der Farbe Rot verbunden ist, steht der Name Laura Biagiotti für die Farbe Weiss. «Sie symbolisierte für mich Erneuerung und Reduzierung. All das also, was die jungen Kreativen der 70er Jahre antrieb», erklärte sie ihr Faible. Aber die Vorliebe hatte noch andere Gründe: «In einer Zeit, in der wir mit Umweltverschmutzung und Abfallproblemen konfrontiert sind, wirkt das Weiss mit seiner Reinheit wie ein Schutz», meinte sie.

Als erste italienische Designerin in China

Eng mit ihrem Namen verknüpft ist auch ein Edel-Material: Kaschmir. Biagiotti wollte, dass der Griff an die Kleidung bei der Trägerin ein angenehmes Gefühl auslöst. «The Queen of Cashmere», so adelte sie einmal die «New York Times» – und der Beiname blieb, aus gutem Grund. Denn die meisten Kollektionen der «Kaschmirkönigin» waren von eben diesen beiden Elementen geprägt: Wolle und Weiss. Auch Chiffon, Samt und Seide gehörten zum femininen, geschmackvollen Look ihres Labels.

Bereits Ende der 1980er Jahre wurde Biagiotti als erster italienischen Designerin überhaupt gestattet, ihre Entwürfe in der Volksrepublik China zu präsentieren. Und 1995 wurde sie als erste Designerin sogar eingeladen, im Kreml in Moskau ein Defilée zu organisieren. Für ihre Pionierrolle wurde sie rund zehn Jahre später ausgezeichnet - den Preis übergab ihr die Enkelin des früheren Präsidenten Gorbatschow. Eine besondere Ehre kam ihr mit einer eigenen Briefmarke der italienischen Post 2002 zu.

Im Laufe der Zeit rückte die Kleidung aber zunehmend in den Hintergrund, das vielschichtige Sortiment wurde auf neue Duftlinien und Accessoires ausgeweitet – von Taschen bis Krawatten, von Brillen bis Dessous. Als Makel empfand Biagiotti diese Veränderung der Prioritäten aber nicht: «Die Düfte sind doch ein grossartiges Kommunikationsmittel. Sie verankern die Marke im Leben vieler Menschen.»

«Roma» dicht auf den Fersen von «Chanel No. 5»

Vor allem das klassisch-markante «Roma» – eine Mischung aus schwarzer Johannisbeere und sizilianischer Bergamotte mit Ambra, Vanille und Sandelholz – sicherte ihr einen Ehrenplatz in der Liste der erfolgreichsten Parfüms aller Zeiten. Ein passender Name, «Roma», umweht den Klassiker doch ein Hauch von Ewigkeit: Lange belegte er Platz drei der meistverkauften Düfte, heute gehört er neben «Chanel No. 5» zu den bekanntesten der Welt.

Längst hätte sich die vielfach ausgezeichnete Stilistin aus dem aktiven Geschäft zurückziehen können, denn ihre Nachfolgerin steht bereits fest: Die 39-jährige Tochter Lavinia arbeitet seit dem Tod von Laura Biagiottis Ehemann Gianni Cigna 1996 in der Firma mit und stieg später zur Vize-Präsidentin auf.

Mutter und Tochter lebten auch gemeinsam in einem restaurierten Schloss vor den Toren Roms. Dass Biagiotti selbst im Alter nicht von ihrem Imperium lassen wollte, erklärte sie mit zwei Worten: «La passione» – jene Leidenschaft, die in ihren Kreationen weiterleben wird.

(sda/jfr/me)