Lieferverspätung: Ab wann Schweizer Online-Shopper sauer werden

Selten liegen beim Online-Shopping der Schrei vor Glück und der Schrei vor Frust so nahe beisammen wie beim Thema der Liefergeschwindigkeit. Wenn man die Ankunft des gewünschten Päcklis herbeisehnt und immer wieder vor dem leeren Milchkasten steht, wächst die Offline-Wut. Mit jedem Tag stärker. Schnell aussehen ist sexy Ab wann dieser Groll wie stark einsetzt, hat nun der Schweizer Online-Marktführer Digitec Galaxus zusammen mit den Marktforschern von GfK erhoben. Resultat: Mögen Schweizerinnen und Schweizer von ihrem Wesen her als sanfte und geduldige Menschen gelten – beim Online-Shopping sind sie es nicht. Wenn sich der Eingang der Bestellung verzögert, kocht bei jeder und jedem Dritten innert zweier Tage der Ärger hoch. Bei Männern steigt der Pegel schneller als bei Frauen, bei Städtern heftiger als auf dem Land, bei Romands stärker als in der Deutschschweiz. Anbieter im E-Commerce bauen immer öfter Speed-Optionen ein bei ihren Lieferbedingungen. Auch um damit schnell auszusehen, sagt Aike Festini, Chefin des Winterthurer Logistik-Startups Luckabox, das über seine Kuriernetzwerkplattform Sendungen von Kunden wie Jelmoli, Ikea, Migrolino oder Steg abwickelt: «Wer solche Optionen anbietet, wird für die Kundinnen und Kunden attraktiver. Für Händler ist es unsexy, wenn man das nicht anbietet. Auch wenn es tatsächlich nur selten genutzt wird.» Lieferspeed, sagt Festini, sei «definitiv erfolgskritisch», verbunden damit sei aber etwas noch Wichtigeres: Liefergenauigkeit: «Wer die versprochenen Zeitfenster einhält, kann Vertrauen aufbauen. Wer sie nicht einhält, verliert Vertrauen.» Das sagt auch Patrick Kessler, Geschäftsführer von Handelsverband.swiss: «Wer nicht liefert wie versprochen, geht das Risiko ein, negative Reaktionen hervorzurufen. Wer das Lieferversprechen einhält oder übertrifft, löst den berühmten Wow-Effekt aus und steigt im Ansehen der Kundinnen und Kunden.» Kennt die Kundschaft das Lieferfenster genau, werden aus den ungeduldigen Eidgenossen zahme Liefer-Lämmer: «Selbst wenn die angegebene Lieferfrist drei bis vier Tage beträgt und das Paket am vierten Tag ankommt, sind die Kundinnen und Kunden zufrieden», sagt Digitec-Galaxus-Sprecher Tobias Billeter. Genau liefern bringt weniger Retouren Händler, die sich beim Zeitfenster durch hohe Liefertreue auszeichnen, könnten dabei auf einen weiteren Vorteil hoffen, sagt Kessler: «Je schneller und genauer eine Lieferung erfolgt, desto kleiner ist für den Händler das Risiko einer Retoure.» Dies etwa im Bereich der Mode, weil hier oft ein zeitlich eingeschränktes Bedürfnis mit der Bestellung verknüpft sei: «Abreise in die Ferien, eine Feier oder ein sonstiger Anlass. Wenn die Sendung nicht so eintrifft wie versprochen und erwünscht, steigt die Retourenquote.» Neben dem Speed beschäftigt sich die Studie von Digitec Galaxus auch mit dem Thema der Nachhaltigkeit. Es ergibt sich das gleiche Bild wie bei der Schnelligkeit: Männern, Städtern und Romands ist es wichtiger, die Sendung schnell und pünktlich zu erhalten, auch wenn das beim Liefermodus auf Kosten der Umwelt geht. Immerhin: Jeder fünfte Kunde würde eine langsamere Lieferung akzeptieren, wenn diese dafür möglichst grün erfolgen würde. Das sagen Schweizerinnen und Schweizer, wenn sie befragt werden. In der Wirklichkeit sehe das bei grünen und nachhaltigen Lieferungen etwas anders aus, sagt Festini. Ob und wie solche Optionen angeboten würden, hänge stark von der Ausrichtung und Positionierung des Anbieters ab. «Was wir aber auch beobachten: Jeder und jede will richtig grüne Lieferungen. Aber fast niemand will dafür einen Aufpreis zahlen.»