Löst dieses Unternehmen das Plastikproblem von Nestlé und On?

Die Verschmutzung der Ozeane mit Plastik zählt nebst der Klimaerwärmung zu den drängendsten Umweltproblemen. Einer Schätzung der Ellen MacArthur Foundation zufolge kommt auf 3 Tonnen Fisch in den Weltmeeren bereits 1 Tonne Plastik, andere Untersuchungen kommen zu noch erschreckenderen Zahlen. 460 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert, nur 14 Prozent des Plastiks werden rezykliert. Die Menschheit generiert jedes Jahr 353 Millionen Tonnen Plastikabfälle, von denen 9 Millionen Tonnen ins Meer gelangen, und 39 Millionen Tonnen Abfälle aus erdölbasierten Textilfasern, von denen 87 Prozent auf dem Müll landen. Das Problem: Die heutigen Recycling-Techniken sind sehr energieaufwendig, das Plastik muss bis zu 200 Grad erhitzt werden, um wiederverwertet zu werden. Zudem lässt sich der Recycling-Prozess nur zwei- bis dreimal wiederholen, danach hat das Material zu viele Unreinheiten und lässt sich nicht mehr verwenden. Enzyme machen die ganze Arbeit Doch nun gibt es Bewegung. Dem französischen Unternehmen Carbios ist es gelungen, ein Verfahren für biologisches Recycling so weit zu entwickeln, dass es skaliert und im industriellen Massstab angewendet werden kann. Es handelt sich um einen Fermentierungsprozess, bei dem von Bakterien produzierte Enzyme das Plastik umwandeln, dass es wiederverwendet werden kann. Mit einem Kilogramm Enzyme lässt sich rund eine Tonne Plastik rezyklieren. Das hat mehrere Vorteile. Die Qualität des rezyklierten Plastiks entspricht der von neuem Plastik. Zudem kann der Prozess zwanzig- bis dreissigmal wiederholt werden, ohne dass es zu Qualitätseinbussen kommt. «Unser Plastik hat exakt die gleiche Qualität wie ‹virgin plastic›, das aus Rohöl gewonnen wird», sagt Emmanuel Ladent, CEO von Carbios. «Wir haben bis jetzt kein rezykliertes Material, das qualitativ so gut ist, dass es in der Konsumgüterindustrie und insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie verwendet werden kann.» Kunststofffasern aus Kleidern seien auf herkömmlichen Weg bis jetzt gar nicht rezyklierbar. Zudem kann der Prozess bei tiefen Temperaturen durchgeführt werden, er braucht deshalb nur einen Bruchteil der Energie; das macht das Verfahren günstiger. Beim konventionellen Plastik-Recycling lägen die Kosten bei 3000 Euro pro Tonne, «wir rechnen bei unserem Verfahren mit 1500 Euro». Kapazität von zwei Milliarden Pet-Flaschen pro Jahr 2025 soll eine Demonstrationsanlage im Norden Frankreichs in Betrieb genommen werden. Sie wird eine Jahreskapazität von 50’000 Tonnen haben, das heisst, sie sollte zwei Milliarden Pet-Flaschen wiederaufbereiten können. Mit an Bord bei Carbios ist das Who is Who der Konsumgüterindustrie. Das Unternehmen hat Partnerschaften mit Plastik-Grossverbrauchern der Nahrungsmittelindustrie wie Nestlé Waters und Pepsico, aber auch Konsumgütergiganten wie L’Oréal oder L’Occitane. Auch der Reifenhersteller Michelin und Sportschuhhersteller wie Puma, Salomon und der Schweizer Newcomer On oder der Outdoor-Ausstatter Patagonia sind mit von der Partie. Zudem arbeiten die Franzosen mit Indorama zusammen. Das thailändische Unternehmen ist der grösste Plastikproduzent der Welt. Bei Nestlé sollen bis in zwei Jahren 95 Prozent aller Verpackungen rezyklierbar, wieder auffüllbar oder wiederverwertbar sein. Zudem will das Unternehmen bis 2025 einen Drittel weniger neuen Plastik verbrauchen. Die Unternehmen stehen unter Druck Der Druck auf die Unternehmen ist enorm, sie alle müssen ihr Plastikproblem in nächster Zeit in den Griff bekommen. Denn die Schlinge zieht sich zu, die Regierungen verschärfen die Gesetze, vor allem in Europa. In der EU soll bis 2029 nur noch jede zehnte Trinkflasche aus Plastik sein. Doch auch China zieht die Schrauben langsam an. Seit 2018 dürfen keine Abfälle mehr in das Riesenland exportiert werden. Zudem dürfen in chinesischen Malls und Supermärkten keine Plastiksäcke mehr abgegeben oder verkauft werden, die nicht abbaubar sind. «Der Plastikmarkt wird sich fundamental verändern», ist Ladent überzeugt. Klar ist: Soll rezykliertes Plastik Standard werden, so braucht es enorme Investitionen. Und genau darauf setzt Ladent. Ziel des Unternehmens ist es, bis Ende 2023 erste Lizenzen für das Verfahren zu erteilen. Carbios ist an der Euronext kotiert, die Marktkapitalisierung liegt bei 360 Millionen Euro. Bleibt das Problem der fehlenden Infrastruktur, um das Plastik einzusammeln. Nestlé spricht von einer «bedeutenden Lücke», über die das Unternehmen keine Kontrolle habe. Das Unternehmen unterstütze deshalb die Anstrengungen der Vereinten Nationen, bis 2024 einen bindenden Vertrag zur Beendigung der Plastikverschmutzung abzuschliessen. Nestlé hat weltweit 220 Projekte initiiert, um Plastik einzusammeln.