Lucid Motors: Ein harter Brocken für Elon Musk

Lucid Motors ist ein Beispiel dafür, wie in der Welt der Elektromobilität die Revolution ihre Kinder frisst. Den Trend, den Elon Musk mit Tesla losgetreten hat, wollen andere nun aufnehmen, und Tesla überholen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Immerhin kommt der Gründer von Lucid Motors und Teslas neue Nemesis aus Musks eigenem Stall: Peter Rawlinson war einst Ingenieur bei Tesla und entwickelte das Model S, das erfolgreichste Auto, das Tesla je gebaut hat. Davor war Rawlinson bereits technischer Leiter bei diversen Autoherstellern wie Corus, Lotus und Jaguar – auch nicht gerade kleine Nummern in der Automobilwelt. Mit dem Modell Lucid Air, einer Eigenentwicklung von Lucid Motors, will Rawlinson jetzt seinen früheren Chef Musk auf die Plätze verweisen. Lucid wurde 2007 unter dem Namen Atieva gegründet, damals noch als Autozulieferer von Produkten wie Batterien und Antriebssträngen bekannt. Ganze Vehikel haben zu dieser Zeit noch nicht die Werkhallen des Unternehmens verlassen. Von Atieva zu LucidErst sieben Jahre nach der Gründung lernte Atieva auf eigenen Beinen zu stehen und bewegte sich vom reinen Zulieferer hin zu einem Autobauer. Rawlinson wollte ein E-Auto nach seinen Vorstellungen schaffen. Das ging freilich nur mit einem peppigeren Namen, der möglicherweise nicht Assoziationen mit der Pharmaindustrie weckt: Atieva hiess nun Lucid Motors. Und Rawlinson schob sogleich die Ansage nach, nun vollelektrische Luxuskarossen bauen zu wollen. Eine Fabrik musste dafür her. Noch im selben Jahr sollte ein 700 Millionen Dollar teures Werk in Casa Grande, Arizona, entstehen. Mit dem Plan, mittelfristig 2000 Mitarbeitende an Bord zu holen, die 20’000 Batterie-Limousinen vom Band lassen sollen. Ein steiler Plan. Rawlinsons Vision war und ist es, die Produktion auf 130’000 Stück hochzuschrauben. Nach dem Motto, wer nicht gross denkt, erreicht auch nichts, bewies Rawlinson Chuzpe gegenüber seinem ehemaligen Chef Elon Musk, der für solche Ansagen mindestens ebenso bekannt ist. Eine Milliarde von den SaudisZu erreichen ist so etwas letztlich nur mit ausreichenden Finanzmitteln. Rawlinson sammelte Geld beim Public Investment Fund in Saudi-Arabien ein – immerhin eine satte Milliarde Dollar, und das vom Fleck weg. Mit dem Geld konnte er locker die Konstruktion und Erprobung des ersten Lucid Air finanzieren, das Parademodell des noch jungen E-Auto-Fabrikanten. Dann ging es Schlag auf Schlag: Es folgten eine Produktionsanlage und ein Vertriebsnetz. Das es jetzt auszubauen gilt. Lucid Motors ist nach vier Jahren auf der Weltbühne der Elektromobilität angekommen. Jetzt geht es um die Internationalisierung und darum, so viele Stück wie möglich vom Lucid Air zu verkaufen. Auch in der Schweiz hat Rawlinson dazu eine Firma in Zürich gegründet, die Lucid Switzerland AG, wie die «Handelszeitung» kürzlich berichtete. «Wir planen, die Fahrzeuge sowohl über das Einzelhandelsnetz als auch über den Online-Direktvertrieb direkt an die Verbraucher zu verkaufen», schreibt das Unternehmen in seinem Börsenprospekt. Und: «Wir sind auch dabei, einen eigenen Fahrzeugservice aufzubauen, mit Servicezentren in verschiedenen Regionen und einer geplanten mobilen Serviceflotte.» Aus Sicht von Lucid muss die Schweiz wohl ein interessanter Markt sein: Autofahrer hierzulande fahren auf den Tesla ab, können sich im Schnitt den Luxus mehr leisten als in anderen Ländern. Da ist es wohl Zeit, dass es eine Alternative zum Tesla gibt, nämlich den Lucid Air, das Aushängeschild des Unternehmens. Marketing aus dem Effeff, bei hohem Absatzpotenzial, hoher Kaufkraft und geringerer Preissensitivität als in anderen Märkten. Die Entwicklung der E-Limousine Lucid Air geht bereits auf 2016 zurück: 400-PS-Frontmotor, 600-PS-Heckmotor, macht zusammen 1000 PS, mehr als 300 Kilometer pro Stunde sind damit möglich. Also ein Beast von einem Auto, besonders in der Kategorie E. Autonomes Fahren gehört auch dazu, dazu läuft die Entwicklung mit der israelischen Mobileye bis heute. Und mit den Konstruktions- und Designarbeiten für das «Project Gravity» wurde in diesem Jahr begonnen. Es geht um einen luxuriösen SUV, der auf dem Lucid Air basiert. Rawlinson hat offenbar an alles gedacht. 24 Milliarden an der BörseAuch ans Geld. Denn solche Monsterprojekte wollen finanziert werden. Am besten gleich über die Börse. Im Februar 2021 kündigte Lucid Motors den Zusammengang mit der Investmentgesellschaft Churchill Capital Corp an, ging daraufhin an die Börse und erreichte bisweilen einen Börsenwert von bis zu 24 Milliarden Dollar. Der saudische Public Investment Fund cashte dabei 20 Milliarden ab. Das Investment hat sich gelohnt. Die Saudis kontrollieren das Unternehmen zu zwei Dritteln. Lucid gilt deshalb als «kontrolliertes Unternehmen» im Sinne der Nasdaq-Regeln. Das bedeutet, Aktionäre haben nicht den gleichen Schutz, wie das bei einem Going Public mit entsprechendem Streubesitz der Fall wäre. Für derlei Unternehmen gelten Ausnahmen, wenn es um die Corporate Governance geht. Aber solange das Unternehmen weiter expandiert, Milliarden einfährt und Tesla Marktanteile abringt, bleibt es ungeachtet der Besitzverhältnisse bei der Erfolgsformel: Luxus plus Fahrerlebnis plus Batterie. Und damit auch bei den Gewinnaussichten.