Wenn eine Musikergrösse wie Philipp Fankhauser den Bundesbeamten den Blues spielt, hat das seinen besonderen Grund. Seine Finger zupfen nicht an den Saiten irgendeiner Gitarre. Das von ihm bearbeitete Instrument heisst Jane. Es stammt aus der Werkstatt des Luzerner Start-up Relish Brothers.

Mit dem Auftritt soll die Bundesverwaltung überzeugt werden, dass es sich vielleicht lohnen könnte, den wunderbaren Klang im Rahmen eines KTI-Projekts wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Dabei ist das Konzert in Bern vor ungewöhnlicher Kulisse eigentlich bloss eine Episode einer viel spannenderen Geschichte.

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Eine Passion und ein Traum

Sie beginnt, als Pirmin Giger während seines Studiums zum Industrial Designer an der Fachhochschule Nordwestschweiz einen ersten Prototyp entwirft. Anderthalb Jahre tüftelt er, bis er am Ziel ist und das Instrument erstmals spielen kann. «Ein phänomenales Gefühl», erinnert er sich. Mit an Bord des Zweimann-Projektes ist Silvan Küng, der Marketing- und Verkaufserfahrungen gesammelt hat. Die beiden kennen sich seit Jugendtagen, teilen die Passion für Musik und sind instrumental ein eingespieltes Duo.

Öfters schon haben sie von einer eigenen Firma gesprochen. Probeweise lassen sie nun «Jane» in der Musikerszene zirkulieren. Der Klang und das Design des Instruments lösen begeisterte Echos aus. Drei weitere Prototypen entstehen. Im November 2013 wird das Startup Relish Brothers gegründet. «Jane» soll industriell gefertigt und weltweit vermarktet werden.

Fender, Gibson und PRS beherrschen den Markt

Doch warum braucht es eine neue E-Gitarre, wo das Instrument längst erfunden ist und grosse Labels wie Fender, Gibson und PRS den Markt beherrschen? Die Frage haben sich auch die Firmengründer gestellt. Sie sind der Überzeugung, dass der Markt nach Innovation schreit. «Seit 60 Jahren werden fast alle E-Gitarren nach dem gleichen Strickmuster hergestellt», erklärt Giger. Im Wesentlichen besteht eine Gitarre aus einem ausgefrästen Klotz Massivholz, der mit Elektronik bestückt und lackiert wird. Grundsätzlich anders ist nun die Bauweise von «Jane». «Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, den Gitarrenkörper tonoptimierter zu gestalten», so Küng.

Die Lösung ist ein Alurahmen, in den gepresste Furniere eingefügt werden. So schwingt der Körper, der Body, des Instruments mit und das fliesst in den Ton ein. Dies erzeugt einen warmen, fülligen und einzigartigen Klang. Unverwechselbar ist das geschwungene Design mit der abgerundeten Oberfläche. Statt mechanisch werden die Pick-ups mittels Sensoren ein- und ausgeschaltet. Zudem sind die Tonabnehmer im Innern nicht verlötet, sondern gesteckt, sodass sie jeder Musiker selbst auswechseln kann. Beim Gitarrenhals setzen die Relish Brothers auf Ahorn, beim Griffbrett auf Bambus. Aus ökologischen Gründen wird auf Tropenholz verzichtet.

Serienproduktion gestartet

Im Laufe des Jahres haben die Gründer das industrielle Konzept ausgearbeitet. Nun ist eine 20er-Serie in Produktion. «Die Instrumente sind zu 90 Prozent Swiss made», sagt Küng. Die Fertigung gewisser Teile wie etwa Alurahmen, Furniere und Pick-ups ist an Zulieferer ausgelagert. In der eigenen Werkstatt werden die Gitarrenhälse hergestellt und die Instrumente zusammengebaut. Die Firma kann den Maschinenpark von drei Schreinereien mitbenutzen. Das Schleifen der Hälse erfolgt aus Qualitätsgründen in Handarbeit.

Im nächsten Jahr soll die Produktion auf 100 Gitarren hochgefahren werden. In fünf Jahren möchte Relish Brothers mit weiteren Beschäftigten mehrere 1000 Stück herstellen.

Messe als Sprungbrett

Einen grösseren Auftritt haben Giger und Küng bereits hinter sich. An der Musikmesse in Frankfurt präsentierten sie im Frühling «Jane» vor Fachpublikum. Sie konnten dort das Interesse von Händlern und Importeuren wecken. Nun warten Distributoren in mehreren Ländern auf die E-Gitarren aus der Schweiz. Im Januar geht es an die NAMM nach Anaheim in den USA, die das Mekka der Gitarrenszene ist. «Ein Ziel wäre es natürlich, dort weltberühmte Musiker für unsere Gitarre zu gewinnen», so Giger und Küng.

Selbst produzierte Videos sind ein wichtiger Teil des Aufmerksamkeitskonzeptes. Stellt man auf die Reaktionen auf sie ab, werden die Relish Brothers die Grossen in der Branche mehr als nur ein wenig ärgern. «Wir sind zwei Gitarrenfanatiker und arbeiten aus Leidenschaft», beteuern sie. Also wird es weiterhin passieren, dass sie selber zu den Saiten greifen, um mitten im Business den Blues zu spielen.

Facts & Figures

Gitarren
Das Marktvolumen weltweit im Bereich der E-Gitarren beläuft sich auf 1,2 Milliarden Franken. Das Geschäft dominieren amerikanische Hersteller wie Fender, Gibson und Paul Reed Smith (PRS). Der grösste Käufermarkt sind ebenfalls die USA mit einem Anteil von 40 Prozent.

Gründer
Die Firma Relish Brothers wurde 2013 von Silvan Küng und Pirmin Giger, beide Managing Partners, gegründet. Das Unternehmen hat heute zwei Mitarbeiter.

Startkapital
130 000 Franken kamen von venture kick, 10 000 Franken via Crowdfunding, 50 000 Franken sind persönliche Mittel der Gründer.

Kapitalsuche
In einer Finanzierungsrunde möchten die beiden Gründer 500 000 Franken generieren, um ein schnelleres Wachstum finanzieren zu können.

High-End
Das spezifische Marktsegment für die High-End-Gitarren, zu denen bei einem Verkaufspreis von 4800 Franken auch «Jane» zählt, beträgt etwa 120 Millionen Franken. Relish Brothers peilt mittelfristig einen Marktanteil von 2 Prozent an. Darüber hinaus plant das Jungunternehmen auch eine etwas günstigere E-Gitarre für den mittleren Marktbereich.